Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.Achter Auftritt. (Ein Zimmer im Schloß.) Eulalia (tritt auf, mit einem Briefe in der Hand.) Das ist mir nicht lieb. Ich hatte mich so ge- wöhnt an die stille Einsamkeit. Ruhe wohnt frey- lich nicht immer in der Brust des Einsamen, denn ach! du nimmst dein Gewissen mit in Klöster und Wüsteneyen! Aber ich konnte doch weinen, wenn mir der Kummer das Herz nagte, und niemand sah mein rothgeweintes Auge, und niemand fragte: warum haben Sie geweint? Ich konnte durch Thal und Flur umherschweifen und niemand sah, daß mein Gewissen mich jagte. -- Nun werden Sie mir auf den Hals kommen, werden mich in Ihre Gesellschaften ziehen; da werd' ich reden und lachen sollen, an schönen Tagen mit ihnen spatzieren gehn, und bey Regenwetter wohl gar Karte spielen. -- Nimmt man einmal ein Buch in die Hand, so heißt's gleich: was lesen Sie da? erzählen Sie doch! was steht in dem Buche? oder: werfen Sie das einfältige Buch auf die Seite! wer wird im- Achter Auftritt. (Ein Zimmer im Schloß.) Eulalia (tritt auf, mit einem Briefe in der Hand.) Das iſt mir nicht lieb. Ich hatte mich ſo ge- woͤhnt an die ſtille Einſamkeit. Ruhe wohnt frey- lich nicht immer in der Bruſt des Einſamen, denn ach! du nimmſt dein Gewiſſen mit in Kloͤſter und Wuͤſteneyen! Aber ich konnte doch weinen, wenn mir der Kummer das Herz nagte, und niemand ſah mein rothgeweintes Auge, und niemand fragte: warum haben Sie geweint? Ich konnte durch Thal und Flur umherſchweifen und niemand ſah, daß mein Gewiſſen mich jagte. — Nun werden Sie mir auf den Hals kommen, werden mich in Ihre Geſellſchaften ziehen; da werd’ ich reden und lachen ſollen, an ſchoͤnen Tagen mit ihnen ſpatzieren gehn, und bey Regenwetter wohl gar Karte ſpielen. — Nimmt man einmal ein Buch in die Hand, ſo heißt’s gleich: was leſen Sie da? erzaͤhlen Sie doch! was ſteht in dem Buche? oder: werfen Sie das einfaͤltige Buch auf die Seite! wer wird im- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0032" n="24"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Achter Auftritt.</hi> </hi> </head><lb/> <stage>(Ein Zimmer im Schloß.)</stage><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker>Eulalia</speaker> <stage>(tritt auf, mit einem Briefe in der Hand.)</stage><lb/> <p>Das iſt mir nicht lieb. Ich hatte mich ſo ge-<lb/> woͤhnt an die ſtille Einſamkeit. Ruhe wohnt frey-<lb/> lich nicht immer in der Bruſt des Einſamen, denn<lb/> ach! du nimmſt dein Gewiſſen mit in Kloͤſter und<lb/> Wuͤſteneyen! Aber ich konnte doch weinen, wenn<lb/> mir der Kummer das Herz nagte, und niemand<lb/> ſah mein rothgeweintes Auge, und niemand fragte:<lb/> warum haben Sie geweint? Ich konnte durch Thal<lb/> und Flur umherſchweifen und niemand ſah, daß<lb/> mein Gewiſſen mich jagte. — Nun werden Sie<lb/> mir auf den Hals kommen, werden mich in Ihre<lb/> Geſellſchaften ziehen; da werd’ ich reden und lachen<lb/> ſollen, an ſchoͤnen Tagen mit ihnen ſpatzieren gehn,<lb/> und bey Regenwetter wohl gar Karte ſpielen. —<lb/> Nimmt man einmal ein Buch in die Hand, ſo<lb/> heißt’s gleich: was leſen Sie da? erzaͤhlen Sie<lb/> doch! was ſteht in dem Buche? oder: werfen Sie<lb/> das einfaͤltige Buch auf die Seite! wer wird im-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0032]
Achter Auftritt.
(Ein Zimmer im Schloß.)
Eulalia (tritt auf, mit einem Briefe in der Hand.)
Das iſt mir nicht lieb. Ich hatte mich ſo ge-
woͤhnt an die ſtille Einſamkeit. Ruhe wohnt frey-
lich nicht immer in der Bruſt des Einſamen, denn
ach! du nimmſt dein Gewiſſen mit in Kloͤſter und
Wuͤſteneyen! Aber ich konnte doch weinen, wenn
mir der Kummer das Herz nagte, und niemand
ſah mein rothgeweintes Auge, und niemand fragte:
warum haben Sie geweint? Ich konnte durch Thal
und Flur umherſchweifen und niemand ſah, daß
mein Gewiſſen mich jagte. — Nun werden Sie
mir auf den Hals kommen, werden mich in Ihre
Geſellſchaften ziehen; da werd’ ich reden und lachen
ſollen, an ſchoͤnen Tagen mit ihnen ſpatzieren gehn,
und bey Regenwetter wohl gar Karte ſpielen. —
Nimmt man einmal ein Buch in die Hand, ſo
heißt’s gleich: was leſen Sie da? erzaͤhlen Sie
doch! was ſteht in dem Buche? oder: werfen Sie
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/32>, abgerufen am 17.04.2021. |