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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876.

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Besondere Pflanzenbaulehre.

Die Knollen werden am zweckmäßigsten erst im nächsten Frühjahre ausgenommen,
da sie sich im Boden besser als in Kellern oder Mieten halten. Sie werden dadurch
um so werthvoller, als sie zu einer Zeit verfügbar werden, wo die Winterfütterung
mit Wurzelwerk schon dem Ende zugeht. Das Erntequantum erreicht 3--4.8 Tonnen
von einem Hektare. Nach Dubrunfaut 1) erfahren die Topinamburknollen während
ihrer Aufbewahrung eine nicht uninteressante Veränderung. Im Mai und April
enthalten die Knollen rechtsdrehenden Zucker und zwar Rohrzucker und einen nicht
krystallisirenden Zucker, Stoffe, die im September nicht vorhanden waren und wahr-
scheinlich aus dem Inulin hervorgegangen sind. Daher erklärt sich, daß bei der
Verwendung des Topinamburs zur Branntweinbrennerei die Knollenmaische im Früh-
jahre gut gährt und reichlich Spiritus gibt, während dieß im Herbste nicht der Fall
ist. Bei der Sicherheit der Erträge verdient der Anbau des Topinamburs immerhin
in futterarmen Gegenden Beachtung.

4. Die Runkelrübe.
[Abbildung] Fig. 93.

Runkelrübe (Beta vulgaris L.). Sun und nach
Nobbe. -- a Fruchtstand; b Schlauchfrucht, vom Perigone halb
umwachsen; c Deckel der Schlauchfrucht; d Same; e Längs-
schnitt durch den Samen: a Würzelchen, b Keimblätter,
g Endosperm.

Die Runkelrübe, Futterrübe,
Zuckerrübe, Rübenmangold, Dick-
rübe, Dickwurz, Burgunderrübe
(Beta vulgaris L.) unterscheidet sich
von den übrigen Chenopodeen durch
ihre dicke, langwalzige Wurzel.
Die Wurzelverdickung ist durch die
Cultur entstanden, ebenso ist durch
diese die Rübe zweijährig geworden.
Für gewöhnlich treibt die verdickte
Wurzel im ersten Jahre nur gras-
grüne, massige, ganzrandige Wurzel-
blätter; erst im zweiten Jahre erhebt
sich der 0.6--1.5 Meter hohe Samen-
stengel, an welchem ährenförmig eine
große Zahl grüner Blüthchen stehen. Die Blüthchen stehen zu 2--6 ge-
häuft, in sogenannten "Knäueln" in den Achseln schmaler Deckblätter. Jedes Blüth-
chen besitzt ein fünfspaltiges, später knorpelig erhärtendes Perigon, Fig. 93, fünf
Staubgefäße und einen zweinarbigen Fruchtknoten. Die Früchte, Schlauchfrüchte,
verwachsen mit ihrem unteren Theile und fallen schließlich als ein Gesammtkörper,
dem "Rübenkern", ab. Je eine Frucht enthält einen glänzenden, braunbehäuteten
Samen, welcher außer dem Keime mit einem schneeweißen Eiweißkörper, Fig. 93 e g,
versehen ist. Zuweilen schießen einzelne Pflanzen, nach Langethal besonders solche,
welche von Körnern erzeugt wurden, die entweder unvollkommen waren oder vom Gipfel
der Samentriebe genommen wurden, schon im ersten Jahre in Samen.


1) Comptes rendus 1867. Nr. 14.
Beſondere Pflanzenbaulehre.

Die Knollen werden am zweckmäßigſten erſt im nächſten Frühjahre ausgenommen,
da ſie ſich im Boden beſſer als in Kellern oder Mieten halten. Sie werden dadurch
um ſo werthvoller, als ſie zu einer Zeit verfügbar werden, wo die Winterfütterung
mit Wurzelwerk ſchon dem Ende zugeht. Das Erntequantum erreicht 3—4.8 Tonnen
von einem Hektare. Nach Dubrunfaut 1) erfahren die Topinamburknollen während
ihrer Aufbewahrung eine nicht unintereſſante Veränderung. Im Mai und April
enthalten die Knollen rechtsdrehenden Zucker und zwar Rohrzucker und einen nicht
kryſtalliſirenden Zucker, Stoffe, die im September nicht vorhanden waren und wahr-
ſcheinlich aus dem Inulin hervorgegangen ſind. Daher erklärt ſich, daß bei der
Verwendung des Topinamburs zur Branntweinbrennerei die Knollenmaiſche im Früh-
jahre gut gährt und reichlich Spiritus gibt, während dieß im Herbſte nicht der Fall
iſt. Bei der Sicherheit der Erträge verdient der Anbau des Topinamburs immerhin
in futterarmen Gegenden Beachtung.

4. Die Runkelrübe.
[Abbildung] Fig. 93.

Runkelrübe (Beta vulgaris L.). ☉ und ⚇ nach
Nobbe. — a Fruchtſtand; b Schlauchfrucht, vom Perigone halb
umwachſen; c Deckel der Schlauchfrucht; d Same; e Längs-
ſchnitt durch den Samen: α Würzelchen, β Keimblätter,
γ Endoſperm.

Die Runkelrübe, Futterrübe,
Zuckerrübe, Rübenmangold, Dick-
rübe, Dickwurz, Burgunderrübe
(Beta vulgaris L.) unterſcheidet ſich
von den übrigen Chenopodeen durch
ihre dicke, langwalzige Wurzel.
Die Wurzelverdickung iſt durch die
Cultur entſtanden, ebenſo iſt durch
dieſe die Rübe zweijährig geworden.
Für gewöhnlich treibt die verdickte
Wurzel im erſten Jahre nur gras-
grüne, maſſige, ganzrandige Wurzel-
blätter; erſt im zweiten Jahre erhebt
ſich der 0.6—1.5 Meter hohe Samen-
ſtengel, an welchem ährenförmig eine
große Zahl grüner Blüthchen ſtehen. Die Blüthchen ſtehen zu 2—6 ge-
häuft, in ſogenannten „Knäueln“ in den Achſeln ſchmaler Deckblätter. Jedes Blüth-
chen beſitzt ein fünfſpaltiges, ſpäter knorpelig erhärtendes Perigon, Fig. 93, fünf
Staubgefäße und einen zweinarbigen Fruchtknoten. Die Früchte, Schlauchfrüchte,
verwachſen mit ihrem unteren Theile und fallen ſchließlich als ein Geſammtkörper,
dem „Rübenkern“, ab. Je eine Frucht enthält einen glänzenden, braunbehäuteten
Samen, welcher außer dem Keime mit einem ſchneeweißen Eiweißkörper, Fig. 93 e γ,
verſehen iſt. Zuweilen ſchießen einzelne Pflanzen, nach Langethal beſonders ſolche,
welche von Körnern erzeugt wurden, die entweder unvollkommen waren oder vom Gipfel
der Samentriebe genommen wurden, ſchon im erſten Jahre in Samen.


1) Comptes rendus 1867. Nr. 14.
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[150/0164] Beſondere Pflanzenbaulehre. Die Knollen werden am zweckmäßigſten erſt im nächſten Frühjahre ausgenommen, da ſie ſich im Boden beſſer als in Kellern oder Mieten halten. Sie werden dadurch um ſo werthvoller, als ſie zu einer Zeit verfügbar werden, wo die Winterfütterung mit Wurzelwerk ſchon dem Ende zugeht. Das Erntequantum erreicht 3—4.8 Tonnen von einem Hektare. Nach Dubrunfaut 1) erfahren die Topinamburknollen während ihrer Aufbewahrung eine nicht unintereſſante Veränderung. Im Mai und April enthalten die Knollen rechtsdrehenden Zucker und zwar Rohrzucker und einen nicht kryſtalliſirenden Zucker, Stoffe, die im September nicht vorhanden waren und wahr- ſcheinlich aus dem Inulin hervorgegangen ſind. Daher erklärt ſich, daß bei der Verwendung des Topinamburs zur Branntweinbrennerei die Knollenmaiſche im Früh- jahre gut gährt und reichlich Spiritus gibt, während dieß im Herbſte nicht der Fall iſt. Bei der Sicherheit der Erträge verdient der Anbau des Topinamburs immerhin in futterarmen Gegenden Beachtung. 4. Die Runkelrübe. [Abbildung Fig. 93. Runkelrübe (Beta vulgaris L.). ☉ und ⚇ nach Nobbe. — a Fruchtſtand; b Schlauchfrucht, vom Perigone halb umwachſen; c Deckel der Schlauchfrucht; d Same; e Längs- ſchnitt durch den Samen: α Würzelchen, β Keimblätter, γ Endoſperm. ] Die Runkelrübe, Futterrübe, Zuckerrübe, Rübenmangold, Dick- rübe, Dickwurz, Burgunderrübe (Beta vulgaris L.) unterſcheidet ſich von den übrigen Chenopodeen durch ihre dicke, langwalzige Wurzel. Die Wurzelverdickung iſt durch die Cultur entſtanden, ebenſo iſt durch dieſe die Rübe zweijährig geworden. Für gewöhnlich treibt die verdickte Wurzel im erſten Jahre nur gras- grüne, maſſige, ganzrandige Wurzel- blätter; erſt im zweiten Jahre erhebt ſich der 0.6—1.5 Meter hohe Samen- ſtengel, an welchem ährenförmig eine große Zahl grüner Blüthchen ſtehen. Die Blüthchen ſtehen zu 2—6 ge- häuft, in ſogenannten „Knäueln“ in den Achſeln ſchmaler Deckblätter. Jedes Blüth- chen beſitzt ein fünfſpaltiges, ſpäter knorpelig erhärtendes Perigon, Fig. 93, fünf Staubgefäße und einen zweinarbigen Fruchtknoten. Die Früchte, Schlauchfrüchte, verwachſen mit ihrem unteren Theile und fallen ſchließlich als ein Geſammtkörper, dem „Rübenkern“, ab. Je eine Frucht enthält einen glänzenden, braunbehäuteten Samen, welcher außer dem Keime mit einem ſchneeweißen Eiweißkörper, Fig. 93 e γ, verſehen iſt. Zuweilen ſchießen einzelne Pflanzen, nach Langethal beſonders ſolche, welche von Körnern erzeugt wurden, die entweder unvollkommen waren oder vom Gipfel der Samentriebe genommen wurden, ſchon im erſten Jahre in Samen. 1) Comptes rendus 1867. Nr. 14.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/164>, abgerufen am 28.03.2024.