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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Und als Johannes seine Augen aufs Neue anstrengte,
erkannte er in der jungen Dame Fräulein Emma Urban, die
sich gar innig an seinen Sohn anschmiegte und selig zu ihm
emporblickte.

Der Meister blickte so lange mit halbgeöffnetem Munde
den Dahinwandelnden nach, bis ihm die Pfeife ausgegangen
war.

"Ei, sieh' diesen Tausendsassa an! So also stehen die
Dinge --"

Und als er von seiner Warte herabgestiegen war, trat
er zu Frau Karoline mit den Worten ins Zimmer:

"Denk' Dir nur, Alte, unser Junge hat eine Braut!"

"Träumst Du, Vater . . .?"

"Krusemeyer hat nicht zu viel gesagt; er wird wahr¬
haftig noch Herrn Urban's Schwiegersohn. Da soll mir der
Thomas Beyer noch einmal kommen! Ich will ihm heim¬
leuchten."

"Ja, ja, Vater -- ich habe es immer gesagt: aus dem
Jungen wird was."

"Du Alte? Ich glaube, ich war Dir in dieser Behaup¬
tung weit voraus."

Und die Alten kamen sich vergnügt wie Brautleute vor
und plauderten noch lustig bis spät in die Nacht hinein.


Und als Johannes ſeine Augen aufs Neue anſtrengte,
erkannte er in der jungen Dame Fräulein Emma Urban, die
ſich gar innig an ſeinen Sohn anſchmiegte und ſelig zu ihm
emporblickte.

Der Meiſter blickte ſo lange mit halbgeöffnetem Munde
den Dahinwandelnden nach, bis ihm die Pfeife ausgegangen
war.

„Ei, ſieh' dieſen Tauſendſaſſa an! So alſo ſtehen die
Dinge —“

Und als er von ſeiner Warte herabgeſtiegen war, trat
er zu Frau Karoline mit den Worten ins Zimmer:

„Denk' Dir nur, Alte, unſer Junge hat eine Braut!“

„Träumſt Du, Vater . . .?“

„Kruſemeyer hat nicht zu viel geſagt; er wird wahr¬
haftig noch Herrn Urban's Schwiegerſohn. Da ſoll mir der
Thomas Beyer noch einmal kommen! Ich will ihm heim¬
leuchten.“

„Ja, ja, Vater — ich habe es immer geſagt: aus dem
Jungen wird was.“

Du Alte? Ich glaube, ich war Dir in dieſer Behaup¬
tung weit voraus.“

Und die Alten kamen ſich vergnügt wie Brautleute vor
und plauderten noch luſtig bis ſpät in die Nacht hinein.


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[94/0106] Und als Johannes ſeine Augen aufs Neue anſtrengte, erkannte er in der jungen Dame Fräulein Emma Urban, die ſich gar innig an ſeinen Sohn anſchmiegte und ſelig zu ihm emporblickte. Der Meiſter blickte ſo lange mit halbgeöffnetem Munde den Dahinwandelnden nach, bis ihm die Pfeife ausgegangen war. „Ei, ſieh' dieſen Tauſendſaſſa an! So alſo ſtehen die Dinge —“ Und als er von ſeiner Warte herabgeſtiegen war, trat er zu Frau Karoline mit den Worten ins Zimmer: „Denk' Dir nur, Alte, unſer Junge hat eine Braut!“ „Träumſt Du, Vater . . .?“ „Kruſemeyer hat nicht zu viel geſagt; er wird wahr¬ haftig noch Herrn Urban's Schwiegerſohn. Da ſoll mir der Thomas Beyer noch einmal kommen! Ich will ihm heim¬ leuchten.“ „Ja, ja, Vater — ich habe es immer geſagt: aus dem Jungen wird was.“ „Du Alte? Ich glaube, ich war Dir in dieſer Behaup¬ tung weit voraus.“ Und die Alten kamen ſich vergnügt wie Brautleute vor und plauderten noch luſtig bis ſpät in die Nacht hinein.

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/106>, abgerufen am 28.03.2024.