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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Aus dem großen Balkonzimmer schallten die leisen
Rythmen eines Walzers und das gleichmäßige Scharren der
Tanzenden herein. Ein eigenthümlicher Duft berührte Franz:
es war die Atmosphäre der Wohlhabenheit und bürgerlichen
Genußsucht, die ihn zu berauschen begann. Wohin er blickte,
sah er die Früchte gediegenen Reichthums, die Macht des
Geldes, den Ueberfluß erkauften Glückes . . . Und vor seinen
schweren Augenlidern zog die bescheidene Häuslichkeit seiner
Eltern vorüber: mit ihren vorväterlichen, abgenutzten Möbeln,
der Entbehrung jeglichen Luxus', der verkörperten Beschränkt¬
heit gutmüthiger, aber in der Entwicklung der Gesellschaft
zurückgebliebener Leute. Ein Geruch von Arbeit, von herab¬
fallenden Spähnen, Staub und Schweiß, der das ganze Haus
durchzog, stieg vor ihm auf . . . Und hier, wie anders die
Luft, wie rein, verheißungsvoll . . .

"Morgen, Herr Urban, mein Wort darauf!"

"Bravo, mein lieber Timpe, ich hatte das von Ihnen er¬
wartet . . . Wahrhaftig, man will schon aufbrechen, sehen Sie
nur. Aber zuvor stoßen wir noch einmal an: auf das, was
wir lieben . . ."

Als Franz Timpe nach ungefähr zehn Minuten einen
herzhaften Händedruck von Emma empfangen und das Haus
verlassen hatte, begann in der Weinlaune seine Phantasie sich
mächtig zu entfalten, so daß er einmal halblaut vor sich hin
sprach: "Urban und Timpe! Hört sich nicht schlecht an, wahr¬
haftig nicht! . . ."


Aus dem großen Balkonzimmer ſchallten die leiſen
Rythmen eines Walzers und das gleichmäßige Scharren der
Tanzenden herein. Ein eigenthümlicher Duft berührte Franz:
es war die Atmoſphäre der Wohlhabenheit und bürgerlichen
Genußſucht, die ihn zu berauſchen begann. Wohin er blickte,
ſah er die Früchte gediegenen Reichthums, die Macht des
Geldes, den Ueberfluß erkauften Glückes . . . Und vor ſeinen
ſchweren Augenlidern zog die beſcheidene Häuslichkeit ſeiner
Eltern vorüber: mit ihren vorväterlichen, abgenutzten Möbeln,
der Entbehrung jeglichen Luxus', der verkörperten Beſchränkt¬
heit gutmüthiger, aber in der Entwicklung der Geſellſchaft
zurückgebliebener Leute. Ein Geruch von Arbeit, von herab¬
fallenden Spähnen, Staub und Schweiß, der das ganze Haus
durchzog, ſtieg vor ihm auf . . . Und hier, wie anders die
Luft, wie rein, verheißungsvoll . . .

„Morgen, Herr Urban, mein Wort darauf!“

„Bravo, mein lieber Timpe, ich hatte das von Ihnen er¬
wartet . . . Wahrhaftig, man will ſchon aufbrechen, ſehen Sie
nur. Aber zuvor ſtoßen wir noch einmal an: auf das, was
wir lieben . . .“

Als Franz Timpe nach ungefähr zehn Minuten einen
herzhaften Händedruck von Emma empfangen und das Haus
verlaſſen hatte, begann in der Weinlaune ſeine Phantaſie ſich
mächtig zu entfalten, ſo daß er einmal halblaut vor ſich hin
ſprach: „Urban und Timpe! Hört ſich nicht ſchlecht an, wahr¬
haftig nicht! . . .“


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[125/0137] Aus dem großen Balkonzimmer ſchallten die leiſen Rythmen eines Walzers und das gleichmäßige Scharren der Tanzenden herein. Ein eigenthümlicher Duft berührte Franz: es war die Atmoſphäre der Wohlhabenheit und bürgerlichen Genußſucht, die ihn zu berauſchen begann. Wohin er blickte, ſah er die Früchte gediegenen Reichthums, die Macht des Geldes, den Ueberfluß erkauften Glückes . . . Und vor ſeinen ſchweren Augenlidern zog die beſcheidene Häuslichkeit ſeiner Eltern vorüber: mit ihren vorväterlichen, abgenutzten Möbeln, der Entbehrung jeglichen Luxus', der verkörperten Beſchränkt¬ heit gutmüthiger, aber in der Entwicklung der Geſellſchaft zurückgebliebener Leute. Ein Geruch von Arbeit, von herab¬ fallenden Spähnen, Staub und Schweiß, der das ganze Haus durchzog, ſtieg vor ihm auf . . . Und hier, wie anders die Luft, wie rein, verheißungsvoll . . . „Morgen, Herr Urban, mein Wort darauf!“ „Bravo, mein lieber Timpe, ich hatte das von Ihnen er¬ wartet . . . Wahrhaftig, man will ſchon aufbrechen, ſehen Sie nur. Aber zuvor ſtoßen wir noch einmal an: auf das, was wir lieben . . .“ Als Franz Timpe nach ungefähr zehn Minuten einen herzhaften Händedruck von Emma empfangen und das Haus verlaſſen hatte, begann in der Weinlaune ſeine Phantaſie ſich mächtig zu entfalten, ſo daß er einmal halblaut vor ſich hin ſprach: „Urban und Timpe! Hört ſich nicht ſchlecht an, wahr¬ haftig nicht! . . .“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/137>, abgerufen am 25.04.2024.