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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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gesellschaften sanken über Nacht. Die Waaren stauten sich,
denn die Nachfrage nach ihnen verminderte sich von Tag zu
Tag. Nur diejenigen Firmen, die dem verlockenden Schwindel
der Zeit nicht gefolgt waren, denen ein genügendes Kapital
zur Verfügung stand, produzirten nach wie vor in gleichem
Umfange. Das Publikum fing an gegen die "goldene Aera"
mißtrauisch zu werden und bangte um seine "gut angelegten" Er¬
sparnisse. Es lag etwas in der Luft, das sich wie das unheimliche
Murmeln einer aus weiter Entfernung herannahenden Fluth
ausnahm, die nach den Trümmern lechzte, welche die Ebbe
zurücklassen würde.

Fritz Wiesel erzählte, daß man ihm angeboten habe, bei
Urban einzutreten und daß er auch in der Fabrik gewesen
sei, um mit dem Werkführer Rücksprache zu nehmen. Er
habe sich die Sache aber noch einmal gründlich überlegt und
sei davon abgekommen. Er würde es mit seinem Gewissen
nicht vereinen können, bei dem Manne zu arbeiten, der
Meister Timpe alle möglichen Chikane anthue. Ueberdies
lebe er bei seiner Mutter, die einen Kohlenhandel betreibe,
und da könne er es eine Weile aushalten.

Der ehemalige Kamerad wurde nach dieser Mittheilung
sofort umringt. Nur ein braver Kerl könne so von seinem
früheren Meister sprechen, sagte man ihm. Und Timpe, der
beim Hereintreten die letzten Worte Wiesel's gehört hatte,
streckte ihm voll Dankes die Hand entgegen. Der lustige
Fritz hatte dann verschiedene Neuigkeiten aufzutischen. Ob
man schon wisse, daß man Urban angeboten habe, seine Fabrik
in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln? Alle verneinten und
zeigten sich erstaunt. Timpe meinte, daß er schon längst auf
diese Nachricht gewartet habe.

geſellſchaften ſanken über Nacht. Die Waaren ſtauten ſich,
denn die Nachfrage nach ihnen verminderte ſich von Tag zu
Tag. Nur diejenigen Firmen, die dem verlockenden Schwindel
der Zeit nicht gefolgt waren, denen ein genügendes Kapital
zur Verfügung ſtand, produzirten nach wie vor in gleichem
Umfange. Das Publikum fing an gegen die „goldene Aera“
mißtrauiſch zu werden und bangte um ſeine „gut angelegten“ Er¬
ſparniſſe. Es lag etwas in der Luft, das ſich wie das unheimliche
Murmeln einer aus weiter Entfernung herannahenden Fluth
ausnahm, die nach den Trümmern lechzte, welche die Ebbe
zurücklaſſen würde.

Fritz Wieſel erzählte, daß man ihm angeboten habe, bei
Urban einzutreten und daß er auch in der Fabrik geweſen
ſei, um mit dem Werkführer Rückſprache zu nehmen. Er
habe ſich die Sache aber noch einmal gründlich überlegt und
ſei davon abgekommen. Er würde es mit ſeinem Gewiſſen
nicht vereinen können, bei dem Manne zu arbeiten, der
Meiſter Timpe alle möglichen Chikane anthue. Ueberdies
lebe er bei ſeiner Mutter, die einen Kohlenhandel betreibe,
und da könne er es eine Weile aushalten.

Der ehemalige Kamerad wurde nach dieſer Mittheilung
ſofort umringt. Nur ein braver Kerl könne ſo von ſeinem
früheren Meiſter ſprechen, ſagte man ihm. Und Timpe, der
beim Hereintreten die letzten Worte Wieſel's gehört hatte,
ſtreckte ihm voll Dankes die Hand entgegen. Der luſtige
Fritz hatte dann verſchiedene Neuigkeiten aufzutiſchen. Ob
man ſchon wiſſe, daß man Urban angeboten habe, ſeine Fabrik
in eine Aktiengeſellſchaft umzuwandeln? Alle verneinten und
zeigten ſich erſtaunt. Timpe meinte, daß er ſchon längſt auf
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[173/0185] geſellſchaften ſanken über Nacht. Die Waaren ſtauten ſich, denn die Nachfrage nach ihnen verminderte ſich von Tag zu Tag. Nur diejenigen Firmen, die dem verlockenden Schwindel der Zeit nicht gefolgt waren, denen ein genügendes Kapital zur Verfügung ſtand, produzirten nach wie vor in gleichem Umfange. Das Publikum fing an gegen die „goldene Aera“ mißtrauiſch zu werden und bangte um ſeine „gut angelegten“ Er¬ ſparniſſe. Es lag etwas in der Luft, das ſich wie das unheimliche Murmeln einer aus weiter Entfernung herannahenden Fluth ausnahm, die nach den Trümmern lechzte, welche die Ebbe zurücklaſſen würde. Fritz Wieſel erzählte, daß man ihm angeboten habe, bei Urban einzutreten und daß er auch in der Fabrik geweſen ſei, um mit dem Werkführer Rückſprache zu nehmen. Er habe ſich die Sache aber noch einmal gründlich überlegt und ſei davon abgekommen. Er würde es mit ſeinem Gewiſſen nicht vereinen können, bei dem Manne zu arbeiten, der Meiſter Timpe alle möglichen Chikane anthue. Ueberdies lebe er bei ſeiner Mutter, die einen Kohlenhandel betreibe, und da könne er es eine Weile aushalten. Der ehemalige Kamerad wurde nach dieſer Mittheilung ſofort umringt. Nur ein braver Kerl könne ſo von ſeinem früheren Meiſter ſprechen, ſagte man ihm. Und Timpe, der beim Hereintreten die letzten Worte Wieſel's gehört hatte, ſtreckte ihm voll Dankes die Hand entgegen. Der luſtige Fritz hatte dann verſchiedene Neuigkeiten aufzutiſchen. Ob man ſchon wiſſe, daß man Urban angeboten habe, ſeine Fabrik in eine Aktiengeſellſchaft umzuwandeln? Alle verneinten und zeigten ſich erſtaunt. Timpe meinte, daß er ſchon längſt auf dieſe Nachricht gewartet habe.

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/185>, abgerufen am 25.04.2024.