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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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"Die Geschichte macht sich", sagte er ein über das andere
Mal. Nach dieser stehenden Redensart folgten Worte des
Lobes und der Bewunderung, so daß Johannes Timpe von
einem gewissen ungekünstelten Stolz beseelt wurde, schweigend
dabei stand und sich beflissen zeigte, den besonderen Wunsch
seines Nachbarn nach näherer Besichtigung irgend eines
Gegenstandes zu erfüllen.

"Heinicke hat nicht zu viel gesagt: Sie sind ein tüchtiger
Mann!"

Als Ferdinand Friedrich Urban sich mit den üblichen
Dankesworten verabschiedet und den Weg wieder durch die
Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück:

"Aber wie gesagt, der Artikel ist noch viel zu theuer,
viel zu theuer." . . .

Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod
nach Hause.

"Wißt ihr das Neueste?" sagte er zu seinen Eltern,
"die Stadtbahn soll hier durchgelegt werden. Die ganze
Gegend wird dadurch gewinnen."

Johannes Timpe führte vor Erstaunen den Happen
Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz
Merkwürdiges ein, so daß er fragte:

"Weiß Dein Chef schon davon?"

"Ei freilich; er selbst hat es unserem Geschäftsführer
erzählt."

"Potz Blitz, jetzt ist mir Alles erklärlich! Er wollte
nämlich zu einem dreifachen Preise unser Haus kaufen, um
vielleicht das Zehnfache herauszuschlagen. Dieser Schlau¬
berger, dieser Schlauberger. . . ."

„Die Geſchichte macht ſich“, ſagte er ein über das andere
Mal. Nach dieſer ſtehenden Redensart folgten Worte des
Lobes und der Bewunderung, ſo daß Johannes Timpe von
einem gewiſſen ungekünſtelten Stolz beſeelt wurde, ſchweigend
dabei ſtand und ſich befliſſen zeigte, den beſonderen Wunſch
ſeines Nachbarn nach näherer Beſichtigung irgend eines
Gegenſtandes zu erfüllen.

„Heinicke hat nicht zu viel geſagt: Sie ſind ein tüchtiger
Mann!“

Als Ferdinand Friedrich Urban ſich mit den üblichen
Dankesworten verabſchiedet und den Weg wieder durch die
Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück:

„Aber wie geſagt, der Artikel iſt noch viel zu theuer,
viel zu theuer.“ . . .

Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod
nach Hauſe.

„Wißt ihr das Neueſte?“ ſagte er zu ſeinen Eltern,
„die Stadtbahn ſoll hier durchgelegt werden. Die ganze
Gegend wird dadurch gewinnen.“

Johannes Timpe führte vor Erſtaunen den Happen
Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz
Merkwürdiges ein, ſo daß er fragte:

„Weiß Dein Chef ſchon davon?“

„Ei freilich; er ſelbſt hat es unſerem Geſchäftsführer
erzählt.“

„Potz Blitz, jetzt iſt mir Alles erklärlich! Er wollte
nämlich zu einem dreifachen Preiſe unſer Haus kaufen, um
vielleicht das Zehnfache herauszuſchlagen. Dieſer Schlau¬
berger, dieſer Schlauberger. . . .“

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[47/0059] „Die Geſchichte macht ſich“, ſagte er ein über das andere Mal. Nach dieſer ſtehenden Redensart folgten Worte des Lobes und der Bewunderung, ſo daß Johannes Timpe von einem gewiſſen ungekünſtelten Stolz beſeelt wurde, ſchweigend dabei ſtand und ſich befliſſen zeigte, den beſonderen Wunſch ſeines Nachbarn nach näherer Beſichtigung irgend eines Gegenſtandes zu erfüllen. „Heinicke hat nicht zu viel geſagt: Sie ſind ein tüchtiger Mann!“ Als Ferdinand Friedrich Urban ſich mit den üblichen Dankesworten verabſchiedet und den Weg wieder durch die Oeffnung der Mauer genommen hatte, rief er noch einmal zurück: „Aber wie geſagt, der Artikel iſt noch viel zu theuer, viel zu theuer.“ . . . Nach einer Stunde kam Franz Timpe zum Abendbrod nach Hauſe. „Wißt ihr das Neueſte?“ ſagte er zu ſeinen Eltern, „die Stadtbahn ſoll hier durchgelegt werden. Die ganze Gegend wird dadurch gewinnen.“ Johannes Timpe führte vor Erſtaunen den Happen Brot nicht dem Munde zu. Ihm fiel plötzlich etwas ganz Merkwürdiges ein, ſo daß er fragte: „Weiß Dein Chef ſchon davon?“ „Ei freilich; er ſelbſt hat es unſerem Geſchäftsführer erzählt.“ „Potz Blitz, jetzt iſt mir Alles erklärlich! Er wollte nämlich zu einem dreifachen Preiſe unſer Haus kaufen, um vielleicht das Zehnfache herauszuſchlagen. Dieſer Schlau¬ berger, dieſer Schlauberger. . . .“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/59>, abgerufen am 28.03.2024.