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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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bollwerke ausnahmen; und hinter ausgedehnten Holzplätzen
eine Zementfabrik, deren ewig aufwirbelnde weiß-gelbe Staub¬
wolken die Luft durchzogen und einen scharfen Kontrast zu den
sich aufthürmenden Kohlenbergen der Gasanstalt bildeten.

Und geradeüber, jenseits des Wassers zeigte sich ein
großes Mörtelwerk, im Hintergrunde begrenzt von den Rück¬
seiten hoher Miethskasernen, die aus der Entfernung be¬
trachtet, den Eindruck riesiger Bauklötze machten, an denen
schwarzgemalte Fenster prangen.

Das ganze Bett der Spree aufwärts lag zwischen einem
bunten Panorama aneinander geketteter Bilder: Lange Reihen
Wohnhäuser, deren Gärten bis zur Spree hinunterliefen und
kleine Oasen bildeten, wechselten mit Zimmer- und Holz¬
plätzen, Abladestellen der Flußkähne und Färbereien ab, deren
Waschkasten wie schwimmende Holzhäuser im Wasser lagen.
Hin und wieder zeigte sich eine Schiffswerft, die langgestreckte
Halle einer Badeanstalt und eine auf Pfählen gebaute, in
den Fluß ragende Landungsbrücke. Dann die Stätteplätze
der Ziegeleibesitzer mit ihrem rothgefärbten Boden, der wie
blutgetränkt erschien, die Trockenplätze mit ihren frisch ge¬
fallenem Schnee gleichenden Bleichen und die Alles über¬
ragenden Schornsteine der Fabriken, die den Rauch immer
schwächer und schwächer entsteigen ließen, bis sie gleich "Obe¬
lisken der Arbeit" dunkel und schweigsam zum Himmel
starrten.

Herrschte an den Ufern Ruhe, so begann das Leben sich
auf dem Wasser zu regen. Unzählige Luftfahr-Boote schwebten
gleich Nußschaalen auf dem mattblauen Spiegel, ließen sich
gemächlich vom Strome treiben oder schossen pfeilschnell über
die Fläche, um in das Fahrwasser eines Dampfers zu ge¬

bollwerke ausnahmen; und hinter ausgedehnten Holzplätzen
eine Zementfabrik, deren ewig aufwirbelnde weiß-gelbe Staub¬
wolken die Luft durchzogen und einen ſcharfen Kontraſt zu den
ſich aufthürmenden Kohlenbergen der Gasanſtalt bildeten.

Und geradeüber, jenſeits des Waſſers zeigte ſich ein
großes Mörtelwerk, im Hintergrunde begrenzt von den Rück¬
ſeiten hoher Miethskaſernen, die aus der Entfernung be¬
trachtet, den Eindruck rieſiger Bauklötze machten, an denen
ſchwarzgemalte Fenſter prangen.

Das ganze Bett der Spree aufwärts lag zwiſchen einem
bunten Panorama aneinander geketteter Bilder: Lange Reihen
Wohnhäuſer, deren Gärten bis zur Spree hinunterliefen und
kleine Oaſen bildeten, wechſelten mit Zimmer- und Holz¬
plätzen, Abladeſtellen der Flußkähne und Färbereien ab, deren
Waſchkaſten wie ſchwimmende Holzhäuſer im Waſſer lagen.
Hin und wieder zeigte ſich eine Schiffswerft, die langgeſtreckte
Halle einer Badeanſtalt und eine auf Pfählen gebaute, in
den Fluß ragende Landungsbrücke. Dann die Stätteplätze
der Ziegeleibeſitzer mit ihrem rothgefärbten Boden, der wie
blutgetränkt erſchien, die Trockenplätze mit ihren friſch ge¬
fallenem Schnee gleichenden Bleichen und die Alles über¬
ragenden Schornſteine der Fabriken, die den Rauch immer
ſchwächer und ſchwächer entſteigen ließen, bis ſie gleich „Obe¬
lisken der Arbeit“ dunkel und ſchweigſam zum Himmel
ſtarrten.

Herrſchte an den Ufern Ruhe, ſo begann das Leben ſich
auf dem Waſſer zu regen. Unzählige Luftfahr-Boote ſchwebten
gleich Nußſchaalen auf dem mattblauen Spiegel, ließen ſich
gemächlich vom Strome treiben oder ſchoſſen pfeilſchnell über
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[70/0082] bollwerke ausnahmen; und hinter ausgedehnten Holzplätzen eine Zementfabrik, deren ewig aufwirbelnde weiß-gelbe Staub¬ wolken die Luft durchzogen und einen ſcharfen Kontraſt zu den ſich aufthürmenden Kohlenbergen der Gasanſtalt bildeten. Und geradeüber, jenſeits des Waſſers zeigte ſich ein großes Mörtelwerk, im Hintergrunde begrenzt von den Rück¬ ſeiten hoher Miethskaſernen, die aus der Entfernung be¬ trachtet, den Eindruck rieſiger Bauklötze machten, an denen ſchwarzgemalte Fenſter prangen. Das ganze Bett der Spree aufwärts lag zwiſchen einem bunten Panorama aneinander geketteter Bilder: Lange Reihen Wohnhäuſer, deren Gärten bis zur Spree hinunterliefen und kleine Oaſen bildeten, wechſelten mit Zimmer- und Holz¬ plätzen, Abladeſtellen der Flußkähne und Färbereien ab, deren Waſchkaſten wie ſchwimmende Holzhäuſer im Waſſer lagen. Hin und wieder zeigte ſich eine Schiffswerft, die langgeſtreckte Halle einer Badeanſtalt und eine auf Pfählen gebaute, in den Fluß ragende Landungsbrücke. Dann die Stätteplätze der Ziegeleibeſitzer mit ihrem rothgefärbten Boden, der wie blutgetränkt erſchien, die Trockenplätze mit ihren friſch ge¬ fallenem Schnee gleichenden Bleichen und die Alles über¬ ragenden Schornſteine der Fabriken, die den Rauch immer ſchwächer und ſchwächer entſteigen ließen, bis ſie gleich „Obe¬ lisken der Arbeit“ dunkel und ſchweigſam zum Himmel ſtarrten. Herrſchte an den Ufern Ruhe, ſo begann das Leben ſich auf dem Waſſer zu regen. Unzählige Luftfahr-Boote ſchwebten gleich Nußſchaalen auf dem mattblauen Spiegel, ließen ſich gemächlich vom Strome treiben oder ſchoſſen pfeilſchnell über die Fläche, um in das Fahrwaſſer eines Dampfers zu ge¬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/82>, abgerufen am 19.04.2024.