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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Fortbildungszwang, durch kostenlos zu gewährenden Unterricht
für Schulung der Mädchen aus dem Volke Sorge zu tragen.
Nicht nur aus Gerechtigkeitssinn, sondern auch in ihrem
eigensten Jnteresse, da unter den bestehenden sozialen Ver-
hältnissen Selbsthilfe für die Minderbemittelten zur Unmög-
lichkeit wird.

Anders aber liegt die Sache für die eine höhere Mädchenschule
oft bis zum sechzehnten, siebzehnten Lebensjahr besuchenden
Mädchen wohlhabender Familien.

Wenn diese jungen Mädchen häufig genug schlechter noch
als die Volksschülerin für einen Beruf vorbereitet sind, wenn
sie ernsten Pflichten hilfloser noch gegenüber stehen wie jene,
so liegt das einzig daran, daß ihnen Jahre und Jahrzehnte
hindurch unter dem Einfluß eines falschen Jdeals eine
grundverkehrte Erziehung zu teil wurde. Jn der Schule so
gut wie im Haus.

Jch will hier nicht der Schule, dem unsern Zeitforderungen
nicht mehr entsprechenden Lehrplan, dem Unterricht, der viel-
fach mangelhaft bleiben muß, weil die Vorbildung der Lehr-
kräfte z. T. noch so mangelhaft ist, die Hauptschuld beimessen,
wie das gern geschieht. Sicherlich ist auch da vieles reform-
bedürftig. Jn einem späteren Abschnitt komme ich eingehen-
der darauf zurück. Nur auf Weniges möchte ich - soweit es
sich um Schuleinfluß handelt - schon hier hinweisen, nur auf
das Eine vorerst, daß bei einem Vergleich der höheren Mäd-
chenschule und der Volksschule für uns hier unmittelbar in
Betracht kommt.

Jn der Volksschule erhält das Mädchen im großen und
ganzen gleiche Ausbildung mit dem oft auf der gleichen Schul-
bank mit ihm sitzenden Knaben. Jn dem Augenblick der Ent-
lassung ist das Mädchen genau so gut oder genau so schlecht

Fortbildungszwang, durch kostenlos zu gewährenden Unterricht
für Schulung der Mädchen aus dem Volke Sorge zu tragen.
Nicht nur aus Gerechtigkeitssinn, sondern auch in ihrem
eigensten Jnteresse, da unter den bestehenden sozialen Ver-
hältnissen Selbsthilfe für die Minderbemittelten zur Unmög-
lichkeit wird.

Anders aber liegt die Sache für die eine höhere Mädchenschule
oft bis zum sechzehnten, siebzehnten Lebensjahr besuchenden
Mädchen wohlhabender Familien.

Wenn diese jungen Mädchen häufig genug schlechter noch
als die Volksschülerin für einen Beruf vorbereitet sind, wenn
sie ernsten Pflichten hilfloser noch gegenüber stehen wie jene,
so liegt das einzig daran, daß ihnen Jahre und Jahrzehnte
hindurch unter dem Einfluß eines falschen Jdeals eine
grundverkehrte Erziehung zu teil wurde. Jn der Schule so
gut wie im Haus.

Jch will hier nicht der Schule, dem unsern Zeitforderungen
nicht mehr entsprechenden Lehrplan, dem Unterricht, der viel-
fach mangelhaft bleiben muß, weil die Vorbildung der Lehr-
kräfte z. T. noch so mangelhaft ist, die Hauptschuld beimessen,
wie das gern geschieht. Sicherlich ist auch da vieles reform-
bedürftig. Jn einem späteren Abschnitt komme ich eingehen-
der darauf zurück. Nur auf Weniges möchte ich – soweit es
sich um Schuleinfluß handelt – schon hier hinweisen, nur auf
das Eine vorerst, daß bei einem Vergleich der höheren Mäd-
chenschule und der Volksschule für uns hier unmittelbar in
Betracht kommt.

Jn der Volksschule erhält das Mädchen im großen und
ganzen gleiche Ausbildung mit dem oft auf der gleichen Schul-
bank mit ihm sitzenden Knaben. Jn dem Augenblick der Ent-
lassung ist das Mädchen genau so gut oder genau so schlecht

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[22/0032] Fortbildungszwang, durch kostenlos zu gewährenden Unterricht für Schulung der Mädchen aus dem Volke Sorge zu tragen. Nicht nur aus Gerechtigkeitssinn, sondern auch in ihrem eigensten Jnteresse, da unter den bestehenden sozialen Ver- hältnissen Selbsthilfe für die Minderbemittelten zur Unmög- lichkeit wird. Anders aber liegt die Sache für die eine höhere Mädchenschule oft bis zum sechzehnten, siebzehnten Lebensjahr besuchenden Mädchen wohlhabender Familien. Wenn diese jungen Mädchen häufig genug schlechter noch als die Volksschülerin für einen Beruf vorbereitet sind, wenn sie ernsten Pflichten hilfloser noch gegenüber stehen wie jene, so liegt das einzig daran, daß ihnen Jahre und Jahrzehnte hindurch unter dem Einfluß eines falschen Jdeals eine grundverkehrte Erziehung zu teil wurde. Jn der Schule so gut wie im Haus. Jch will hier nicht der Schule, dem unsern Zeitforderungen nicht mehr entsprechenden Lehrplan, dem Unterricht, der viel- fach mangelhaft bleiben muß, weil die Vorbildung der Lehr- kräfte z. T. noch so mangelhaft ist, die Hauptschuld beimessen, wie das gern geschieht. Sicherlich ist auch da vieles reform- bedürftig. Jn einem späteren Abschnitt komme ich eingehen- der darauf zurück. Nur auf Weniges möchte ich – soweit es sich um Schuleinfluß handelt – schon hier hinweisen, nur auf das Eine vorerst, daß bei einem Vergleich der höheren Mäd- chenschule und der Volksschule für uns hier unmittelbar in Betracht kommt. Jn der Volksschule erhält das Mädchen im großen und ganzen gleiche Ausbildung mit dem oft auf der gleichen Schul- bank mit ihm sitzenden Knaben. Jn dem Augenblick der Ent- lassung ist das Mädchen genau so gut oder genau so schlecht

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/32>, abgerufen am 29.03.2024.