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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Fleiß, ihrer Strebsamkeit, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit.

Auch das Verhalten der Mädchen war bis jetzt beinahe
durchaus tadelfrei: Namentlich sind im Verkehr mit den Schü-
lern keine gröberen Verstöße durch kokettes oder herausfor-
derndes Benehmen vorgekommen, und so hat auch die Ueber-
wachung des gegenseitigen Verkehrs keine nennenswerten
Schwierigkeiten gemacht. Sehr wünschenswert ist es, daß meh-
rere Schülerinnen in einer Klasse beisammen sind, und das ist
hier auch mit drei Ausnahmen erreicht. Jn den unteren Klassen
ist der Verkehr natürlich ein ganz harmloser, und die Kon-
kurrenz von Mädchen wirkt auf die Schüler anspornend. Jn
den oberen Klassen haben wir von dieser Wirkung noch wenig
bemerken können, zumal wenn die Mädchen durch ihre schon
vorgeschrittenere Entwicklung sich überlegen fühlen und die
größere Reife auch von ihren Mitschülern anerkannt wird.
Dagegen dürfte wohl ihre Anwesenheit allgemein auf den
"Ton" in der Klasse mäßigend und sittigend wirken. Daß einzelnen
der älteren Mädchen stille Huldigungen oder auch zarte kleine
Aufmerksamkeiten von Mitschülern gewidmet werden, läßt sich
natürlich nicht verhindern und kommt häufig auch da vor, wo
Schüler und Schülerinnen verschiedene Anstalten besuchen. Den
richtigen Takt, um plumpe Annäherungsversuche zurückzuhalten,
müssen wir von der häuslichen Erziehung der Mädchen erwar-
ten, haben ihn aber bis jetzt noch nie vermißt.

Eine andere Frage ist die, ob nicht durch den gemeinsa-
men Unterricht, der in der Wahl der Lektüre, namentlich der
lateinischen, zunächst für die Bildung des männlichen Geschlechtes
zugeschnitten ist, die in das weibliche Gemüt von der Natur
gelegten zarteren Keime verkümmern, ob nicht feinere Blüten
des weiblichen Empfindungslebens dadurch geknickt werden
können. Diese Frage zu entscheiden, kann sich wohl ein An-

Fleiß, ihrer Strebsamkeit, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit.

Auch das Verhalten der Mädchen war bis jetzt beinahe
durchaus tadelfrei: Namentlich sind im Verkehr mit den Schü-
lern keine gröberen Verstöße durch kokettes oder herausfor-
derndes Benehmen vorgekommen, und so hat auch die Ueber-
wachung des gegenseitigen Verkehrs keine nennenswerten
Schwierigkeiten gemacht. Sehr wünschenswert ist es, daß meh-
rere Schülerinnen in einer Klasse beisammen sind, und das ist
hier auch mit drei Ausnahmen erreicht. Jn den unteren Klassen
ist der Verkehr natürlich ein ganz harmloser, und die Kon-
kurrenz von Mädchen wirkt auf die Schüler anspornend. Jn
den oberen Klassen haben wir von dieser Wirkung noch wenig
bemerken können, zumal wenn die Mädchen durch ihre schon
vorgeschrittenere Entwicklung sich überlegen fühlen und die
größere Reife auch von ihren Mitschülern anerkannt wird.
Dagegen dürfte wohl ihre Anwesenheit allgemein auf den
„Ton“ in der Klasse mäßigend und sittigend wirken. Daß einzelnen
der älteren Mädchen stille Huldigungen oder auch zarte kleine
Aufmerksamkeiten von Mitschülern gewidmet werden, läßt sich
natürlich nicht verhindern und kommt häufig auch da vor, wo
Schüler und Schülerinnen verschiedene Anstalten besuchen. Den
richtigen Takt, um plumpe Annäherungsversuche zurückzuhalten,
müssen wir von der häuslichen Erziehung der Mädchen erwar-
ten, haben ihn aber bis jetzt noch nie vermißt.

Eine andere Frage ist die, ob nicht durch den gemeinsa-
men Unterricht, der in der Wahl der Lektüre, namentlich der
lateinischen, zunächst für die Bildung des männlichen Geschlechtes
zugeschnitten ist, die in das weibliche Gemüt von der Natur
gelegten zarteren Keime verkümmern, ob nicht feinere Blüten
des weiblichen Empfindungslebens dadurch geknickt werden
können. Diese Frage zu entscheiden, kann sich wohl ein An-

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[89/0099] Fleiß, ihrer Strebsamkeit, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit. Auch das Verhalten der Mädchen war bis jetzt beinahe durchaus tadelfrei: Namentlich sind im Verkehr mit den Schü- lern keine gröberen Verstöße durch kokettes oder herausfor- derndes Benehmen vorgekommen, und so hat auch die Ueber- wachung des gegenseitigen Verkehrs keine nennenswerten Schwierigkeiten gemacht. Sehr wünschenswert ist es, daß meh- rere Schülerinnen in einer Klasse beisammen sind, und das ist hier auch mit drei Ausnahmen erreicht. Jn den unteren Klassen ist der Verkehr natürlich ein ganz harmloser, und die Kon- kurrenz von Mädchen wirkt auf die Schüler anspornend. Jn den oberen Klassen haben wir von dieser Wirkung noch wenig bemerken können, zumal wenn die Mädchen durch ihre schon vorgeschrittenere Entwicklung sich überlegen fühlen und die größere Reife auch von ihren Mitschülern anerkannt wird. Dagegen dürfte wohl ihre Anwesenheit allgemein auf den „Ton“ in der Klasse mäßigend und sittigend wirken. Daß einzelnen der älteren Mädchen stille Huldigungen oder auch zarte kleine Aufmerksamkeiten von Mitschülern gewidmet werden, läßt sich natürlich nicht verhindern und kommt häufig auch da vor, wo Schüler und Schülerinnen verschiedene Anstalten besuchen. Den richtigen Takt, um plumpe Annäherungsversuche zurückzuhalten, müssen wir von der häuslichen Erziehung der Mädchen erwar- ten, haben ihn aber bis jetzt noch nie vermißt. Eine andere Frage ist die, ob nicht durch den gemeinsa- men Unterricht, der in der Wahl der Lektüre, namentlich der lateinischen, zunächst für die Bildung des männlichen Geschlechtes zugeschnitten ist, die in das weibliche Gemüt von der Natur gelegten zarteren Keime verkümmern, ob nicht feinere Blüten des weiblichen Empfindungslebens dadurch geknickt werden können. Diese Frage zu entscheiden, kann sich wohl ein An-

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/99>, abgerufen am 05.05.2024.