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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Blick ihn verrathen. Desto unerbitterlicher durchbohrte Moorfeld's Auge
den Betrüger. Dieser stand da, den Kopf gesenkt und zur Seite ge¬
neigt, wie ein Mensch, der dem, was herankommen soll, nicht in's
Auge zu schauen wagt. Es war eine Stellung, kleinlaut und grimmig.
Zweitausendfünfhundert! rief der Sheriff zum drittenmale. Moor¬
feld beharrte in seinem Schweigen. Er beharrte in seinem Blicke
auf den zermalmten, elenden Gesichtsausdruck seines Gegners. Die
Scene fing an Aufsehen zu machen. Alles blickte mit Moorfeld auf
Wogan, der seinerseits mit einem kriechenden Blicke von unten auf dem
Niederfallen des erhobenen Hammers rath- und hilflos entgegen zitterte.
Zuletzt holte sich Moorfeld eine Cigarre aus seinem Etui, biß ihre
Mundspitze ab, schnellte sie mit der Zunge von sich und sagte dazu:
Dreitausend! Es lag für Wogan etwas unendlich Verächtliches in
dieser Action. Er bat nicht mehr. Die Lection, die ihm Moorfeld ge¬
geben, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er schlich sich aus der Versamm¬
lung. An Moorfeld vorübergehend murmelte er mit tückisch gesenktem
Haupte und einem bösen, wölfisch-schielenden Seitenblick: Ich heiße
Wogan! -- Mir sehr gleichgiltig, erwiderte Moorfeld schnell und
schwang seine Cigarre durch die Luft, um ihr Feuer anzufachen.


Drittes Kapitel.

In seinen Wünschen zeichnet der Mensch sich selbst. Wie kommt
es, daß er die Zeichnung so selten lobt, wenn sie äußerlich vor ihn
hintritt -- wenn der Wunsch erreicht ist? Wie kommt es, daß ein
erreichter Wunsch uns oft düsterer stimmt, als ein versagter? Im
versagten Wunsch haben die Götter Unrecht, im erreichten wir selbst!
Nur an Thatsachen lernt sich der Mensch kennen. Nur dem ver¬
körperten Wunsche gegenüber wird uns das Urtheil, das Gefühl mög¬
lich, ob dieser das Maß unsers Innern wirklich enthielt, oder nicht.
Und es ist der gemeinere Mensch, der diese Frage sich bejaht. Die
Besten und Tiefsten geben in ihren erreichten Wünschen sich am här¬
testen Unrecht. Mit Schauder und Ekel wenden sie sich von dem

Blick ihn verrathen. Deſto unerbitterlicher durchbohrte Moorfeld's Auge
den Betrüger. Dieſer ſtand da, den Kopf geſenkt und zur Seite ge¬
neigt, wie ein Menſch, der dem, was herankommen ſoll, nicht in's
Auge zu ſchauen wagt. Es war eine Stellung, kleinlaut und grimmig.
Zweitauſendfünfhundert! rief der Sheriff zum drittenmale. Moor¬
feld beharrte in ſeinem Schweigen. Er beharrte in ſeinem Blicke
auf den zermalmten, elenden Geſichtsausdruck ſeines Gegners. Die
Scene fing an Aufſehen zu machen. Alles blickte mit Moorfeld auf
Wogan, der ſeinerſeits mit einem kriechenden Blicke von unten auf dem
Niederfallen des erhobenen Hammers rath- und hilflos entgegen zitterte.
Zuletzt holte ſich Moorfeld eine Cigarre aus ſeinem Etui, biß ihre
Mundſpitze ab, ſchnellte ſie mit der Zunge von ſich und ſagte dazu:
Dreitauſend! Es lag für Wogan etwas unendlich Verächtliches in
dieſer Action. Er bat nicht mehr. Die Lection, die ihm Moorfeld ge¬
geben, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er ſchlich ſich aus der Verſamm¬
lung. An Moorfeld vorübergehend murmelte er mit tückiſch geſenktem
Haupte und einem böſen, wölfiſch-ſchielenden Seitenblick: Ich heiße
Wogan! — Mir ſehr gleichgiltig, erwiderte Moorfeld ſchnell und
ſchwang ſeine Cigarre durch die Luft, um ihr Feuer anzufachen.


Drittes Kapitel.

In ſeinen Wünſchen zeichnet der Menſch ſich ſelbſt. Wie kommt
es, daß er die Zeichnung ſo ſelten lobt, wenn ſie äußerlich vor ihn
hintritt — wenn der Wunſch erreicht iſt? Wie kommt es, daß ein
erreichter Wunſch uns oft düſterer ſtimmt, als ein verſagter? Im
verſagten Wunſch haben die Götter Unrecht, im erreichten wir ſelbſt!
Nur an Thatſachen lernt ſich der Menſch kennen. Nur dem ver¬
körperten Wunſche gegenüber wird uns das Urtheil, das Gefühl mög¬
lich, ob dieſer das Maß unſers Innern wirklich enthielt, oder nicht.
Und es iſt der gemeinere Menſch, der dieſe Frage ſich bejaht. Die
Beſten und Tiefſten geben in ihren erreichten Wünſchen ſich am här¬
teſten Unrecht. Mit Schauder und Ekel wenden ſie ſich von dem

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[315/0333] Blick ihn verrathen. Deſto unerbitterlicher durchbohrte Moorfeld's Auge den Betrüger. Dieſer ſtand da, den Kopf geſenkt und zur Seite ge¬ neigt, wie ein Menſch, der dem, was herankommen ſoll, nicht in's Auge zu ſchauen wagt. Es war eine Stellung, kleinlaut und grimmig. Zweitauſendfünfhundert! rief der Sheriff zum drittenmale. Moor¬ feld beharrte in ſeinem Schweigen. Er beharrte in ſeinem Blicke auf den zermalmten, elenden Geſichtsausdruck ſeines Gegners. Die Scene fing an Aufſehen zu machen. Alles blickte mit Moorfeld auf Wogan, der ſeinerſeits mit einem kriechenden Blicke von unten auf dem Niederfallen des erhobenen Hammers rath- und hilflos entgegen zitterte. Zuletzt holte ſich Moorfeld eine Cigarre aus ſeinem Etui, biß ihre Mundſpitze ab, ſchnellte ſie mit der Zunge von ſich und ſagte dazu: Dreitauſend! Es lag für Wogan etwas unendlich Verächtliches in dieſer Action. Er bat nicht mehr. Die Lection, die ihm Moorfeld ge¬ geben, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er ſchlich ſich aus der Verſamm¬ lung. An Moorfeld vorübergehend murmelte er mit tückiſch geſenktem Haupte und einem böſen, wölfiſch-ſchielenden Seitenblick: Ich heiße Wogan! — Mir ſehr gleichgiltig, erwiderte Moorfeld ſchnell und ſchwang ſeine Cigarre durch die Luft, um ihr Feuer anzufachen. Drittes Kapitel. In ſeinen Wünſchen zeichnet der Menſch ſich ſelbſt. Wie kommt es, daß er die Zeichnung ſo ſelten lobt, wenn ſie äußerlich vor ihn hintritt — wenn der Wunſch erreicht iſt? Wie kommt es, daß ein erreichter Wunſch uns oft düſterer ſtimmt, als ein verſagter? Im verſagten Wunſch haben die Götter Unrecht, im erreichten wir ſelbſt! Nur an Thatſachen lernt ſich der Menſch kennen. Nur dem ver¬ körperten Wunſche gegenüber wird uns das Urtheil, das Gefühl mög¬ lich, ob dieſer das Maß unſers Innern wirklich enthielt, oder nicht. Und es iſt der gemeinere Menſch, der dieſe Frage ſich bejaht. Die Beſten und Tiefſten geben in ihren erreichten Wünſchen ſich am här¬ teſten Unrecht. Mit Schauder und Ekel wenden ſie ſich von dem

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/333>, abgerufen am 19.04.2024.