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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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welche den stillen Bezirk umgrenzten, und führte bald Klage darüber,
daß sie gleichfalls zu alt zur Zuckergewinnung seien; er habe den
Wald schon viel durchforscht nach jüngeren Exemplaren, aber überall
vergebens. Moorfeld lud ihn ein, sich neben ihn zu setzen und zeigte
ihm das reizende Vöglein, das der Gegenstand seines schöneren Inter¬
esses war. Das Kolibri hatte sich dicht in Moorfeld's Nähe an eine
flammrothe Magnolie gefesselt, und vertiefte sich mit der ganzen
Süßigkeit einer selbstvergessenen Liebe in sein trunkenes Kosen und
Naschen. Vollkommen reglos hing es an dem Blumenkelch, sein präch¬
tiges Körperchen ruhig zur Schau geboten. Der kleine Amor hatte
kaum die Leibesfülle einer Hummel, aber der Schönheit war's Raum
genug, darauf ihre Wunder zu thun. Sein Gefieder strahlte vom
reinsten Juwelenglanz, smaragdgrün und opalblau spielten Leib und
Flügel an der Sonne, seine kleine Kehle war ein Rubin von Farbe
und Feuer. Schade, daß wir nicht ein wenig Vogeldunst bei uns
haben! sagte Anhorst und setzte hinzu: Ob sich mit den Thierchen
nicht überhaupt ein Geschäft machen ließe? Im Mai kommen sie in
ganzen Schwärmen vom Süden nach den Seen durch. Freilich die
Amerikaner halten nichts auf Naturaliensammlungen -- aber nach Deutsch¬
land könnte man sie verschicken; -- was sagen Sie, Herr Doctor?

Moorfeld sah in das braune, zerfurchte Antlitz des deutschen
Mannes und sah lange hinein. Wie lange sind Sie schon in Amerika?
fragte er ihn.

Fünfzehn Jahre, antwortete Anhorst.

Fünfzehn Jahre! -- das ist freilich eine lange Zeit! Er schüttelte
die Magnolia mit dem Fuße, daß das Kolibri pfeilschnell davon flog.

Hierauf folgte eine Pause des Schweigens zwischen den Beiden.
Zwei Männer, welche der Zufall an Einem menschlichen Berührungs¬
punkt zusammengeführt, dachten zum erstenmal, wie man sah, darüber
nach, ob sie deren mehrere haben könnten. Moorfeld fühlte das
Bedürfniß dessen, was man in der Sprache der Empfindsamen
Herzensergießung nennt. Wenn es für einen Menschen einnimmt,
daß man ihm eine Wohlthat erweist, so mußte Moorfeld diese
Theilnahme für Anhorst haben. Ihm zu Liebe hatte er ohne alle
Wahl sich auf eine Scholle gekauft, die er mit sorgfältigster Wahl
kaufen wollte, und das Bruchtheil, das Anhorst davon inne hatte,

welche den ſtillen Bezirk umgrenzten, und führte bald Klage darüber,
daß ſie gleichfalls zu alt zur Zuckergewinnung ſeien; er habe den
Wald ſchon viel durchforſcht nach jüngeren Exemplaren, aber überall
vergebens. Moorfeld lud ihn ein, ſich neben ihn zu ſetzen und zeigte
ihm das reizende Vöglein, das der Gegenſtand ſeines ſchöneren Inter¬
eſſes war. Das Kolibri hatte ſich dicht in Moorfeld's Nähe an eine
flammrothe Magnolie gefeſſelt, und vertiefte ſich mit der ganzen
Süßigkeit einer ſelbſtvergeſſenen Liebe in ſein trunkenes Koſen und
Naſchen. Vollkommen reglos hing es an dem Blumenkelch, ſein präch¬
tiges Körperchen ruhig zur Schau geboten. Der kleine Amor hatte
kaum die Leibesfülle einer Hummel, aber der Schönheit war's Raum
genug, darauf ihre Wunder zu thun. Sein Gefieder ſtrahlte vom
reinſten Juwelenglanz, ſmaragdgrün und opalblau ſpielten Leib und
Flügel an der Sonne, ſeine kleine Kehle war ein Rubin von Farbe
und Feuer. Schade, daß wir nicht ein wenig Vogeldunſt bei uns
haben! ſagte Anhorſt und ſetzte hinzu: Ob ſich mit den Thierchen
nicht überhaupt ein Geſchäft machen ließe? Im Mai kommen ſie in
ganzen Schwärmen vom Süden nach den Seen durch. Freilich die
Amerikaner halten nichts auf Naturalienſammlungen — aber nach Deutſch¬
land könnte man ſie verſchicken; — was ſagen Sie, Herr Doctor?

Moorfeld ſah in das braune, zerfurchte Antlitz des deutſchen
Mannes und ſah lange hinein. Wie lange ſind Sie ſchon in Amerika?
fragte er ihn.

Fünfzehn Jahre, antwortete Anhorſt.

Fünfzehn Jahre! — das iſt freilich eine lange Zeit! Er ſchüttelte
die Magnolia mit dem Fuße, daß das Kolibri pfeilſchnell davon flog.

Hierauf folgte eine Pauſe des Schweigens zwiſchen den Beiden.
Zwei Männer, welche der Zufall an Einem menſchlichen Berührungs¬
punkt zuſammengeführt, dachten zum erſtenmal, wie man ſah, darüber
nach, ob ſie deren mehrere haben könnten. Moorfeld fühlte das
Bedürfniß deſſen, was man in der Sprache der Empfindſamen
Herzensergießung nennt. Wenn es für einen Menſchen einnimmt,
daß man ihm eine Wohlthat erweist, ſo mußte Moorfeld dieſe
Theilnahme für Anhorſt haben. Ihm zu Liebe hatte er ohne alle
Wahl ſich auf eine Scholle gekauft, die er mit ſorgfältigſter Wahl
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[323/0341] welche den ſtillen Bezirk umgrenzten, und führte bald Klage darüber, daß ſie gleichfalls zu alt zur Zuckergewinnung ſeien; er habe den Wald ſchon viel durchforſcht nach jüngeren Exemplaren, aber überall vergebens. Moorfeld lud ihn ein, ſich neben ihn zu ſetzen und zeigte ihm das reizende Vöglein, das der Gegenſtand ſeines ſchöneren Inter¬ eſſes war. Das Kolibri hatte ſich dicht in Moorfeld's Nähe an eine flammrothe Magnolie gefeſſelt, und vertiefte ſich mit der ganzen Süßigkeit einer ſelbſtvergeſſenen Liebe in ſein trunkenes Koſen und Naſchen. Vollkommen reglos hing es an dem Blumenkelch, ſein präch¬ tiges Körperchen ruhig zur Schau geboten. Der kleine Amor hatte kaum die Leibesfülle einer Hummel, aber der Schönheit war's Raum genug, darauf ihre Wunder zu thun. Sein Gefieder ſtrahlte vom reinſten Juwelenglanz, ſmaragdgrün und opalblau ſpielten Leib und Flügel an der Sonne, ſeine kleine Kehle war ein Rubin von Farbe und Feuer. Schade, daß wir nicht ein wenig Vogeldunſt bei uns haben! ſagte Anhorſt und ſetzte hinzu: Ob ſich mit den Thierchen nicht überhaupt ein Geſchäft machen ließe? Im Mai kommen ſie in ganzen Schwärmen vom Süden nach den Seen durch. Freilich die Amerikaner halten nichts auf Naturalienſammlungen — aber nach Deutſch¬ land könnte man ſie verſchicken; — was ſagen Sie, Herr Doctor? Moorfeld ſah in das braune, zerfurchte Antlitz des deutſchen Mannes und ſah lange hinein. Wie lange ſind Sie ſchon in Amerika? fragte er ihn. Fünfzehn Jahre, antwortete Anhorſt. Fünfzehn Jahre! — das iſt freilich eine lange Zeit! Er ſchüttelte die Magnolia mit dem Fuße, daß das Kolibri pfeilſchnell davon flog. Hierauf folgte eine Pauſe des Schweigens zwiſchen den Beiden. Zwei Männer, welche der Zufall an Einem menſchlichen Berührungs¬ punkt zuſammengeführt, dachten zum erſtenmal, wie man ſah, darüber nach, ob ſie deren mehrere haben könnten. Moorfeld fühlte das Bedürfniß deſſen, was man in der Sprache der Empfindſamen Herzensergießung nennt. Wenn es für einen Menſchen einnimmt, daß man ihm eine Wohlthat erweist, ſo mußte Moorfeld dieſe Theilnahme für Anhorſt haben. Ihm zu Liebe hatte er ohne alle Wahl ſich auf eine Scholle gekauft, die er mit ſorgfältigſter Wahl kaufen wollte, und das Bruchtheil, das Anhorſt davon inne hatte,

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/341>, abgerufen am 18.04.2024.