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Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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fangen. Ein anderer Woiwode trat an seine Stelle. Dieser benutzte die verworrenen Zustände sofort zu Erpressungen und Räubereien aller Art. Die Einwohnerschaft Athens sah sich veranlaßt, ihm hierüber durch eine Deputation der angesehensten Bürger Vorstellungen machen zu lassen; zur Antwort berief er seine Schergen, die die Abgeordneten augenblicklich niedermetzelten. Nur Wenige entrannen. Auf die Kunde solcher Greuel strömte das gesammte Volk vor dem Palast des Tyrannen zusammen und warf Feuer hinein; doch glückte es dem Woiwoden, sich durchzuschlagen und auf die wohlbefestigte, von türkischen Soldaten besetzte Akropolis zu flüchten. Hier ward er förmlich belagert gehalten, bis Truppen, von dem Pascha von Negropont entsandt, eintrafen, denen er ausgeliefert werden mußte. Er ward in Ketten abgeführt.

Zustände dieser Art waren für künstlerische Untersuchungen und Arbeiten nicht sonderlich geeignet. Stuart und Revett beschlossen daher, schon als die Unruhen ausbrachen, Athen auf einige Zeit zu verlassen, um ihre Arbeiten später, nachdem Ordnung und geregelter Verkehr in die Stadt zurückgekehrt, mit besserem Erfolg wieder aufnehmen zu können. Sie besuchten die Inseln des griechischen Meeres und schifften zur Küste Kleinasiens hinüber, überall für ihre Zwecke sammelnd und beobachtend.

Nach vier Monaten kehrten sie zurück. Die Stadt war von dem tyrannischen Woiwoden befreit, doch hatten

fangen. Ein anderer Woiwode trat an seine Stelle. Dieser benutzte die verworrenen Zustände sofort zu Erpressungen und Räubereien aller Art. Die Einwohnerschaft Athens sah sich veranlaßt, ihm hierüber durch eine Deputation der angesehensten Bürger Vorstellungen machen zu lassen; zur Antwort berief er seine Schergen, die die Abgeordneten augenblicklich niedermetzelten. Nur Wenige entrannen. Auf die Kunde solcher Greuel strömte das gesammte Volk vor dem Palast des Tyrannen zusammen und warf Feuer hinein; doch glückte es dem Woiwoden, sich durchzuschlagen und auf die wohlbefestigte, von türkischen Soldaten besetzte Akropolis zu flüchten. Hier ward er förmlich belagert gehalten, bis Truppen, von dem Pascha von Negropont entsandt, eintrafen, denen er ausgeliefert werden mußte. Er ward in Ketten abgeführt.

Zustände dieser Art waren für künstlerische Untersuchungen und Arbeiten nicht sonderlich geeignet. Stuart und Revett beschlossen daher, schon als die Unruhen ausbrachen, Athen auf einige Zeit zu verlassen, um ihre Arbeiten später, nachdem Ordnung und geregelter Verkehr in die Stadt zurückgekehrt, mit besserem Erfolg wieder aufnehmen zu können. Sie besuchten die Inseln des griechischen Meeres und schifften zur Küste Kleinasiens hinüber, überall für ihre Zwecke sammelnd und beobachtend.

Nach vier Monaten kehrten sie zurück. Die Stadt war von dem tyrannischen Woiwoden befreit, doch hatten

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[0021] fangen. Ein anderer Woiwode trat an seine Stelle. Dieser benutzte die verworrenen Zustände sofort zu Erpressungen und Räubereien aller Art. Die Einwohnerschaft Athens sah sich veranlaßt, ihm hierüber durch eine Deputation der angesehensten Bürger Vorstellungen machen zu lassen; zur Antwort berief er seine Schergen, die die Abgeordneten augenblicklich niedermetzelten. Nur Wenige entrannen. Auf die Kunde solcher Greuel strömte das gesammte Volk vor dem Palast des Tyrannen zusammen und warf Feuer hinein; doch glückte es dem Woiwoden, sich durchzuschlagen und auf die wohlbefestigte, von türkischen Soldaten besetzte Akropolis zu flüchten. Hier ward er förmlich belagert gehalten, bis Truppen, von dem Pascha von Negropont entsandt, eintrafen, denen er ausgeliefert werden mußte. Er ward in Ketten abgeführt. Zustände dieser Art waren für künstlerische Untersuchungen und Arbeiten nicht sonderlich geeignet. Stuart und Revett beschlossen daher, schon als die Unruhen ausbrachen, Athen auf einige Zeit zu verlassen, um ihre Arbeiten später, nachdem Ordnung und geregelter Verkehr in die Stadt zurückgekehrt, mit besserem Erfolg wieder aufnehmen zu können. Sie besuchten die Inseln des griechischen Meeres und schifften zur Küste Kleinasiens hinüber, überall für ihre Zwecke sammelnd und beobachtend. Nach vier Monaten kehrten sie zurück. Die Stadt war von dem tyrannischen Woiwoden befreit, doch hatten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:01:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:01:39Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/21>, abgerufen am 24.04.2024.