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Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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So behaglich übrigens der Verkehr im Hause des brittischen Consuls und der gesellschaftliche Umgang mit den übrigen angesehenern Franken war, so bemerkte Stuart doch bald, daß das Leben in Salonichi auch seine Schattenseiten hatte. Der Pascha, der damals in der Stadt residirte, war als ein gewaltthätiger Mann verrufen, und wenn er politische Einsicht genug besaß, um den fränkischen Consuln weder eine persönliche Beleidigung zuzufügen, noch gegen ihre Wohnungen eine Unbill auszuüben, so trug man sich doch mit manchen unerfreulichen Geschichten, die er veranlaßt hatte', und war überall sorglichst auf der Hut, wo man mit ihm oder seinen Creaturen in Verbindung kommen konnte. Die Frauen der Franken namentlich wagten die schützende Umgebung ihrer Häuser nur selten zu verlassen, da, wie man versicherte, gelegentlich schöne Weiber räuberisch überfallen und in den Harem des Paschas geschleppt sein sollten. Für diese Eingezogenheit boten indeß die Gärten bei den Wohnungen mit ihren wuchernden Rosen- und Oleandergebüschen, die Aussichten von den Altanen und den Dächern der Häuser, wo man sich Abends versammelte, wenn der Mond durch die Blätter der hohen Maulbeerbäume schimmerte und sein Licht sich auf den Wellen des Golfs schaukelte und die weitgedehnte Stadt zu einem völlig märchenhaften Gebilde umschuf, einen immer noch beneidenswerthen Ersatz. Auf den Ausflügen, welche Stuart durch die Stadt machte, um ihre Eigenthümlichkeiten

So behaglich übrigens der Verkehr im Hause des brittischen Consuls und der gesellschaftliche Umgang mit den übrigen angesehenern Franken war, so bemerkte Stuart doch bald, daß das Leben in Salonichi auch seine Schattenseiten hatte. Der Pascha, der damals in der Stadt residirte, war als ein gewaltthätiger Mann verrufen, und wenn er politische Einsicht genug besaß, um den fränkischen Consuln weder eine persönliche Beleidigung zuzufügen, noch gegen ihre Wohnungen eine Unbill auszuüben, so trug man sich doch mit manchen unerfreulichen Geschichten, die er veranlaßt hatte', und war überall sorglichst auf der Hut, wo man mit ihm oder seinen Creaturen in Verbindung kommen konnte. Die Frauen der Franken namentlich wagten die schützende Umgebung ihrer Häuser nur selten zu verlassen, da, wie man versicherte, gelegentlich schöne Weiber räuberisch überfallen und in den Harem des Paschas geschleppt sein sollten. Für diese Eingezogenheit boten indeß die Gärten bei den Wohnungen mit ihren wuchernden Rosen- und Oleandergebüschen, die Aussichten von den Altanen und den Dächern der Häuser, wo man sich Abends versammelte, wenn der Mond durch die Blätter der hohen Maulbeerbäume schimmerte und sein Licht sich auf den Wellen des Golfs schaukelte und die weitgedehnte Stadt zu einem völlig märchenhaften Gebilde umschuf, einen immer noch beneidenswerthen Ersatz. Auf den Ausflügen, welche Stuart durch die Stadt machte, um ihre Eigenthümlichkeiten

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[0032] So behaglich übrigens der Verkehr im Hause des brittischen Consuls und der gesellschaftliche Umgang mit den übrigen angesehenern Franken war, so bemerkte Stuart doch bald, daß das Leben in Salonichi auch seine Schattenseiten hatte. Der Pascha, der damals in der Stadt residirte, war als ein gewaltthätiger Mann verrufen, und wenn er politische Einsicht genug besaß, um den fränkischen Consuln weder eine persönliche Beleidigung zuzufügen, noch gegen ihre Wohnungen eine Unbill auszuüben, so trug man sich doch mit manchen unerfreulichen Geschichten, die er veranlaßt hatte', und war überall sorglichst auf der Hut, wo man mit ihm oder seinen Creaturen in Verbindung kommen konnte. Die Frauen der Franken namentlich wagten die schützende Umgebung ihrer Häuser nur selten zu verlassen, da, wie man versicherte, gelegentlich schöne Weiber räuberisch überfallen und in den Harem des Paschas geschleppt sein sollten. Für diese Eingezogenheit boten indeß die Gärten bei den Wohnungen mit ihren wuchernden Rosen- und Oleandergebüschen, die Aussichten von den Altanen und den Dächern der Häuser, wo man sich Abends versammelte, wenn der Mond durch die Blätter der hohen Maulbeerbäume schimmerte und sein Licht sich auf den Wellen des Golfs schaukelte und die weitgedehnte Stadt zu einem völlig märchenhaften Gebilde umschuf, einen immer noch beneidenswerthen Ersatz. Auf den Ausflügen, welche Stuart durch die Stadt machte, um ihre Eigenthümlichkeiten

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:01:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:01:39Z)

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Zitationshilfe: Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/32>, abgerufen am 28.03.2024.