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Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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stalten führte. Das ganze Phantasiebild, das der junge Grieche in sich trug und das nur bei einer oberflächlichen Anschauung aus der Ferne bestehen konnte, mußte hiebei nothwendig erschüttert werden; auch mußten sich ungesucht vielfache Gelegenheiten darbieten, ihn zu einer kühlen, besonnenen Betrachtung des Denkmales und seiner Constructionsweise hinzuführen. Stuart machte hienach Dimitri seine Vorschläge, der dieselben mit tausend Freuden annahm, wenn er auch das, was Stuart mit dem Denkmal beabsichtigte, nicht sonderlich verstand, vielmehr dabei immer an geheimnißvolle Maßregeln zur Bekämpfung jenes Zaubers dachte. Er hatte nur das Bedenken, ob der alte Jude, dem das Haus und der Hof, wo das Denkmal stand, zugehörte, auch seine Erlaubniß zu dem Unternehmen geben würde; Stuart meinte indeß, durch die Fürsprache des brittischen Consuls und nöthigen Falls mit Hülfe einiger Goldstücke wohl zum Ziele gelangen zu können.

Nachdem Stuart versprochen hatte, die Sache so bald als möglich ins Werk zu richten und Dimitri zu den Arbeiten abzurufen, verabschiedete er sich von seinem jungen Freunde. Nach Hause gekommen, erzählte er Paradise von seiner Entdeckung, von dem Märchen, das ihm Dimitri mitgetheilt, und von dessen seltsamer Leidenschaft. Paradise entsann sich des Denkmales und auch der gangbaren Sage über dasselbe. Die Bewohner des Judenviertels -- spanischer Abkunft, wie die meisten Juden in der Levante, die dorthin vor

stalten führte. Das ganze Phantasiebild, das der junge Grieche in sich trug und das nur bei einer oberflächlichen Anschauung aus der Ferne bestehen konnte, mußte hiebei nothwendig erschüttert werden; auch mußten sich ungesucht vielfache Gelegenheiten darbieten, ihn zu einer kühlen, besonnenen Betrachtung des Denkmales und seiner Constructionsweise hinzuführen. Stuart machte hienach Dimitri seine Vorschläge, der dieselben mit tausend Freuden annahm, wenn er auch das, was Stuart mit dem Denkmal beabsichtigte, nicht sonderlich verstand, vielmehr dabei immer an geheimnißvolle Maßregeln zur Bekämpfung jenes Zaubers dachte. Er hatte nur das Bedenken, ob der alte Jude, dem das Haus und der Hof, wo das Denkmal stand, zugehörte, auch seine Erlaubniß zu dem Unternehmen geben würde; Stuart meinte indeß, durch die Fürsprache des brittischen Consuls und nöthigen Falls mit Hülfe einiger Goldstücke wohl zum Ziele gelangen zu können.

Nachdem Stuart versprochen hatte, die Sache so bald als möglich ins Werk zu richten und Dimitri zu den Arbeiten abzurufen, verabschiedete er sich von seinem jungen Freunde. Nach Hause gekommen, erzählte er Paradise von seiner Entdeckung, von dem Märchen, das ihm Dimitri mitgetheilt, und von dessen seltsamer Leidenschaft. Paradise entsann sich des Denkmales und auch der gangbaren Sage über dasselbe. Die Bewohner des Judenviertels — spanischer Abkunft, wie die meisten Juden in der Levante, die dorthin vor

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[0042] stalten führte. Das ganze Phantasiebild, das der junge Grieche in sich trug und das nur bei einer oberflächlichen Anschauung aus der Ferne bestehen konnte, mußte hiebei nothwendig erschüttert werden; auch mußten sich ungesucht vielfache Gelegenheiten darbieten, ihn zu einer kühlen, besonnenen Betrachtung des Denkmales und seiner Constructionsweise hinzuführen. Stuart machte hienach Dimitri seine Vorschläge, der dieselben mit tausend Freuden annahm, wenn er auch das, was Stuart mit dem Denkmal beabsichtigte, nicht sonderlich verstand, vielmehr dabei immer an geheimnißvolle Maßregeln zur Bekämpfung jenes Zaubers dachte. Er hatte nur das Bedenken, ob der alte Jude, dem das Haus und der Hof, wo das Denkmal stand, zugehörte, auch seine Erlaubniß zu dem Unternehmen geben würde; Stuart meinte indeß, durch die Fürsprache des brittischen Consuls und nöthigen Falls mit Hülfe einiger Goldstücke wohl zum Ziele gelangen zu können. Nachdem Stuart versprochen hatte, die Sache so bald als möglich ins Werk zu richten und Dimitri zu den Arbeiten abzurufen, verabschiedete er sich von seinem jungen Freunde. Nach Hause gekommen, erzählte er Paradise von seiner Entdeckung, von dem Märchen, das ihm Dimitri mitgetheilt, und von dessen seltsamer Leidenschaft. Paradise entsann sich des Denkmales und auch der gangbaren Sage über dasselbe. Die Bewohner des Judenviertels — spanischer Abkunft, wie die meisten Juden in der Levante, die dorthin vor

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:01:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:01:39Z)

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Zitationshilfe: Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/42>, abgerufen am 29.03.2024.