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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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thu's nicht anders, ich komm' heut zu dir in deine Kammer, nach¬
dem's jetzt mit deinen Eltern so gut wie richtig ist.

Sei aber vorsichtig, sagte sie, und mach' kein Geräusch, sonst
könntest bald sehen, daß es nicht so richtig ist wie du meinst.

Hab' du keine Angst, erwiderte er.

Er begab sich zu seinem Vormund, einem im Flecken angesehenen
Rathsherrn, um ihm einen Abschiedsbesuch zu machen und zugleich
aus seinem mütterlichen Vermögen einen Zuschuß zu seinen Reisemitteln zu
verlangen, welche so eben einen beträchtlichen Ausfall erlitten hatten.
Der Vormund aber schlug ihm sein Ansinnen rundweg ab; er wußte
ihm haarklein vorzurechnen, was er von seinem Vater zu Weihnachten
und was er heute von ihm als Reisegeld erhalten habe, schärfte ihm
die Tugend der Sparsamkeit ein, machte ihm derbe Vorwürfe über
die dumme Liebschaft, die ihn aus dem Vaterhause treibe, und ermahnte
ihn schließlich, sein Hab' und Gut nicht "an Menscher zu hängen."
Ich wär' nicht zu Ihm gekommen, wenn ich nicht Geld braucht
hätt'! sagte Friedrich und wetterte im Fortgehen die Thüre hinter sich
zu. Mit tausend Verwünschungen kehrte er dem Hause des Vormun¬
des den Rücken und sagte dann zu sich: Ich darf mich wohl zusam¬
men nehmen, wenn ich bis zu meinem Ziel kommen soll, ohne unterwegs
zu betteln oder zu stehlen; und zu meinem Vetter sollt' ich doch we¬
nigstens auch noch ein paar Batzen mitbringen, sonst ist's ja eine
Schand'; und meiner Christine muß ich doch auch was schicken, denn
leerer Gruß geht barfuß. Der Teufel hol' den Hornabsäger, den
Kümmichspalter, der mir mein eigen Geld vorenthält. Ich darf weiß
Gott auf dem Weg kein einzigmal was Warm's essen, wenn ich
mit meinem Zehrpfennig langen soll.

Er ließ aber im Bäckerhause nichts von seiner Verlegenheit merken,
sondern plauderte treuherziger und fröhlicher als es ihm eigentlich um
das Herz war, mit seinen Schwägern, wie er sie offen vor den
Leuten nannte, und als die Bäckerin theilnehmend bemerkte, sie sei
nur noch begierig, was diese Geschichte für ein Ende nehmen werde,
die sich in ihrem Haus angesponnen habe, rief er leichtfertig lachend:
Das wird eine schöne Eh' geben, wo der Mann die Häfen verbricht
und das Weib die Schüsseln!

thu's nicht anders, ich komm' heut zu dir in deine Kammer, nach¬
dem's jetzt mit deinen Eltern ſo gut wie richtig iſt.

Sei aber vorſichtig, ſagte ſie, und mach' kein Geräuſch, ſonſt
könnteſt bald ſehen, daß es nicht ſo richtig iſt wie du meinſt.

Hab' du keine Angſt, erwiderte er.

Er begab ſich zu ſeinem Vormund, einem im Flecken angeſehenen
Rathsherrn, um ihm einen Abſchiedsbeſuch zu machen und zugleich
aus ſeinem mütterlichen Vermögen einen Zuſchuß zu ſeinen Reiſemitteln zu
verlangen, welche ſo eben einen beträchtlichen Ausfall erlitten hatten.
Der Vormund aber ſchlug ihm ſein Anſinnen rundweg ab; er wußte
ihm haarklein vorzurechnen, was er von ſeinem Vater zu Weihnachten
und was er heute von ihm als Reiſegeld erhalten habe, ſchärfte ihm
die Tugend der Sparſamkeit ein, machte ihm derbe Vorwürfe über
die dumme Liebſchaft, die ihn aus dem Vaterhauſe treibe, und ermahnte
ihn ſchließlich, ſein Hab' und Gut nicht „an Menſcher zu hängen.“
Ich wär' nicht zu Ihm gekommen, wenn ich nicht Geld braucht
hätt'! ſagte Friedrich und wetterte im Fortgehen die Thüre hinter ſich
zu. Mit tauſend Verwünſchungen kehrte er dem Hauſe des Vormun¬
des den Rücken und ſagte dann zu ſich: Ich darf mich wohl zuſam¬
men nehmen, wenn ich bis zu meinem Ziel kommen ſoll, ohne unterwegs
zu betteln oder zu ſtehlen; und zu meinem Vetter ſollt' ich doch we¬
nigſtens auch noch ein paar Batzen mitbringen, ſonſt iſt's ja eine
Schand'; und meiner Chriſtine muß ich doch auch was ſchicken, denn
leerer Gruß geht barfuß. Der Teufel hol' den Hornabſäger, den
Kümmichſpalter, der mir mein eigen Geld vorenthält. Ich darf weiß
Gott auf dem Weg kein einzigmal was Warm's eſſen, wenn ich
mit meinem Zehrpfennig langen ſoll.

Er ließ aber im Bäckerhauſe nichts von ſeiner Verlegenheit merken,
ſondern plauderte treuherziger und fröhlicher als es ihm eigentlich um
das Herz war, mit ſeinen Schwägern, wie er ſie offen vor den
Leuten nannte, und als die Bäckerin theilnehmend bemerkte, ſie ſei
nur noch begierig, was dieſe Geſchichte für ein Ende nehmen werde,
die ſich in ihrem Haus angeſponnen habe, rief er leichtfertig lachend:
Das wird eine ſchöne Eh' geben, wo der Mann die Häfen verbricht
und das Weib die Schüſſeln!

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[149/0165] thu's nicht anders, ich komm' heut zu dir in deine Kammer, nach¬ dem's jetzt mit deinen Eltern ſo gut wie richtig iſt. Sei aber vorſichtig, ſagte ſie, und mach' kein Geräuſch, ſonſt könnteſt bald ſehen, daß es nicht ſo richtig iſt wie du meinſt. Hab' du keine Angſt, erwiderte er. Er begab ſich zu ſeinem Vormund, einem im Flecken angeſehenen Rathsherrn, um ihm einen Abſchiedsbeſuch zu machen und zugleich aus ſeinem mütterlichen Vermögen einen Zuſchuß zu ſeinen Reiſemitteln zu verlangen, welche ſo eben einen beträchtlichen Ausfall erlitten hatten. Der Vormund aber ſchlug ihm ſein Anſinnen rundweg ab; er wußte ihm haarklein vorzurechnen, was er von ſeinem Vater zu Weihnachten und was er heute von ihm als Reiſegeld erhalten habe, ſchärfte ihm die Tugend der Sparſamkeit ein, machte ihm derbe Vorwürfe über die dumme Liebſchaft, die ihn aus dem Vaterhauſe treibe, und ermahnte ihn ſchließlich, ſein Hab' und Gut nicht „an Menſcher zu hängen.“ Ich wär' nicht zu Ihm gekommen, wenn ich nicht Geld braucht hätt'! ſagte Friedrich und wetterte im Fortgehen die Thüre hinter ſich zu. Mit tauſend Verwünſchungen kehrte er dem Hauſe des Vormun¬ des den Rücken und ſagte dann zu ſich: Ich darf mich wohl zuſam¬ men nehmen, wenn ich bis zu meinem Ziel kommen ſoll, ohne unterwegs zu betteln oder zu ſtehlen; und zu meinem Vetter ſollt' ich doch we¬ nigſtens auch noch ein paar Batzen mitbringen, ſonſt iſt's ja eine Schand'; und meiner Chriſtine muß ich doch auch was ſchicken, denn leerer Gruß geht barfuß. Der Teufel hol' den Hornabſäger, den Kümmichſpalter, der mir mein eigen Geld vorenthält. Ich darf weiß Gott auf dem Weg kein einzigmal was Warm's eſſen, wenn ich mit meinem Zehrpfennig langen ſoll. Er ließ aber im Bäckerhauſe nichts von ſeiner Verlegenheit merken, ſondern plauderte treuherziger und fröhlicher als es ihm eigentlich um das Herz war, mit ſeinen Schwägern, wie er ſie offen vor den Leuten nannte, und als die Bäckerin theilnehmend bemerkte, ſie ſei nur noch begierig, was dieſe Geſchichte für ein Ende nehmen werde, die ſich in ihrem Haus angeſponnen habe, rief er leichtfertig lachend: Das wird eine ſchöne Eh' geben, wo der Mann die Häfen verbricht und das Weib die Schüſſeln!

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/165>, abgerufen am 29.03.2024.