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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Und mir sagt das mein' das Gegentheil. Welches hat nun Recht?
Da bleibt nichts übrig als daß wir die zwei Herzen gegen einander
wetten. Gib Acht, auf die Art kannst kein'sfalls in Nachtheil kom¬
men. Gewinn' ich's, so sehen wir uns wieder; wenn ich aber die
Wett' verlier', so bleibt dir doch mein Herz, und dann kannst auch
nie verlassen sein.

An dir ist ein Advocat verloren gangen, sagte Christine, du machst
daß ich in all meinem Jammer wieder lachen muß.

Zieh du dein Herz besser, erwiderte er, dann wird's dir auch
bessere Reden geben. Und wenn du nicht aufhörst mich betrübt zu
machen, so geh' ich hinunter und verklag' dich bei deiner Mutter.

O Jemine! rief Christine kichernd, die thät' mir das Fell
schön vergerben!

Jetzt aber genug, versetzte er. Alles hat seine Zeit, sagt Jesus
Sirach, und Alles muß ein End' haben, sag' ich. Lachen und Wei¬
nen, Reden und Küssen, Alles hat sein gesetztes Maß und Ziel, und
wenn ich jetzt nicht endlich von dir geh', so kann ich ja auch nicht
wieder zu dir kommen. Also b'hüt' dich Gott, herztausiger Schatz!

Wart' noch ein wenig! sagte sie. Wir müssen erst noch einen
Denkzettel von einander haben. Hast dein Messer nicht bei dir?

Willst mich abschlachten und einsalzen, daß ich gleich ganz bei
dir bleib'?

Nein. Ich hab' vor etlich' Wochen im Karz gehört, wie man's
machen muß, wenn Eins dem Andern aus der Ferne ein Zeichen ge¬
ben will, daß man an einander denkt. Komm', streif' dein' linken
Arm auf.

Er entblößte den Arm. Sie machte ihm mit dem Messer eine
kleine Wunde daran und sagte: Jetzt laß mir geschwind an meinem
Goldfinger ein wenig Blut heraus.

Das kann ich nicht, sagte er, ich kann dir nicht weh thun.

Es ist kein Wehe so groß als Herzeleid, sagt dein Jesus Sirach,
erwiderte sie. Wenn du aber nicht willst, so muß ich's eben selber
thun. Sie that's und tropfte ihm ihr Blut in seine Wunde, die sie
alsbald sorgfältig verband. Dann ritzte sie sich gleicherweise an ihrem
linken Arm, gab ihm das Messer und sagte: Gib mir auch Blut von
deinem Goldfinger -- mach's aber nicht so arg, sei doch nicht so grob

Und mir ſagt das mein' das Gegentheil. Welches hat nun Recht?
Da bleibt nichts übrig als daß wir die zwei Herzen gegen einander
wetten. Gib Acht, auf die Art kannſt kein'sfalls in Nachtheil kom¬
men. Gewinn' ich's, ſo ſehen wir uns wieder; wenn ich aber die
Wett' verlier', ſo bleibt dir doch mein Herz, und dann kannſt auch
nie verlaſſen ſein.

An dir iſt ein Advocat verloren gangen, ſagte Chriſtine, du machſt
daß ich in all meinem Jammer wieder lachen muß.

Zieh du dein Herz beſſer, erwiderte er, dann wird's dir auch
beſſere Reden geben. Und wenn du nicht aufhörſt mich betrübt zu
machen, ſo geh' ich hinunter und verklag' dich bei deiner Mutter.

O Jemine! rief Chriſtine kichernd, die thät' mir das Fell
ſchön vergerben!

Jetzt aber genug, verſetzte er. Alles hat ſeine Zeit, ſagt Jeſus
Sirach, und Alles muß ein End' haben, ſag' ich. Lachen und Wei¬
nen, Reden und Küſſen, Alles hat ſein geſetztes Maß und Ziel, und
wenn ich jetzt nicht endlich von dir geh', ſo kann ich ja auch nicht
wieder zu dir kommen. Alſo b'hüt' dich Gott, herztauſiger Schatz!

Wart' noch ein wenig! ſagte ſie. Wir müſſen erſt noch einen
Denkzettel von einander haben. Haſt dein Meſſer nicht bei dir?

Willſt mich abſchlachten und einſalzen, daß ich gleich ganz bei
dir bleib'?

Nein. Ich hab' vor etlich' Wochen im Karz gehört, wie man's
machen muß, wenn Eins dem Andern aus der Ferne ein Zeichen ge¬
ben will, daß man an einander denkt. Komm', ſtreif' dein' linken
Arm auf.

Er entblößte den Arm. Sie machte ihm mit dem Meſſer eine
kleine Wunde daran und ſagte: Jetzt laß mir geſchwind an meinem
Goldfinger ein wenig Blut heraus.

Das kann ich nicht, ſagte er, ich kann dir nicht weh thun.

Es iſt kein Wehe ſo groß als Herzeleid, ſagt dein Jeſus Sirach,
erwiderte ſie. Wenn du aber nicht willſt, ſo muß ich's eben ſelber
thun. Sie that's und tropfte ihm ihr Blut in ſeine Wunde, die ſie
alsbald ſorgfältig verband. Dann ritzte ſie ſich gleicherweiſe an ihrem
linken Arm, gab ihm das Meſſer und ſagte: Gib mir auch Blut von
deinem Goldfinger — mach's aber nicht ſo arg, ſei doch nicht ſo grob

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[151/0167] Und mir ſagt das mein' das Gegentheil. Welches hat nun Recht? Da bleibt nichts übrig als daß wir die zwei Herzen gegen einander wetten. Gib Acht, auf die Art kannſt kein'sfalls in Nachtheil kom¬ men. Gewinn' ich's, ſo ſehen wir uns wieder; wenn ich aber die Wett' verlier', ſo bleibt dir doch mein Herz, und dann kannſt auch nie verlaſſen ſein. An dir iſt ein Advocat verloren gangen, ſagte Chriſtine, du machſt daß ich in all meinem Jammer wieder lachen muß. Zieh du dein Herz beſſer, erwiderte er, dann wird's dir auch beſſere Reden geben. Und wenn du nicht aufhörſt mich betrübt zu machen, ſo geh' ich hinunter und verklag' dich bei deiner Mutter. O Jemine! rief Chriſtine kichernd, die thät' mir das Fell ſchön vergerben! Jetzt aber genug, verſetzte er. Alles hat ſeine Zeit, ſagt Jeſus Sirach, und Alles muß ein End' haben, ſag' ich. Lachen und Wei¬ nen, Reden und Küſſen, Alles hat ſein geſetztes Maß und Ziel, und wenn ich jetzt nicht endlich von dir geh', ſo kann ich ja auch nicht wieder zu dir kommen. Alſo b'hüt' dich Gott, herztauſiger Schatz! Wart' noch ein wenig! ſagte ſie. Wir müſſen erſt noch einen Denkzettel von einander haben. Haſt dein Meſſer nicht bei dir? Willſt mich abſchlachten und einſalzen, daß ich gleich ganz bei dir bleib'? Nein. Ich hab' vor etlich' Wochen im Karz gehört, wie man's machen muß, wenn Eins dem Andern aus der Ferne ein Zeichen ge¬ ben will, daß man an einander denkt. Komm', ſtreif' dein' linken Arm auf. Er entblößte den Arm. Sie machte ihm mit dem Meſſer eine kleine Wunde daran und ſagte: Jetzt laß mir geſchwind an meinem Goldfinger ein wenig Blut heraus. Das kann ich nicht, ſagte er, ich kann dir nicht weh thun. Es iſt kein Wehe ſo groß als Herzeleid, ſagt dein Jeſus Sirach, erwiderte ſie. Wenn du aber nicht willſt, ſo muß ich's eben ſelber thun. Sie that's und tropfte ihm ihr Blut in ſeine Wunde, die ſie alsbald ſorgfältig verband. Dann ritzte ſie ſich gleicherweiſe an ihrem linken Arm, gab ihm das Meſſer und ſagte: Gib mir auch Blut von deinem Goldfinger — mach's aber nicht ſo arg, ſei doch nicht ſo grob

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/167>, abgerufen am 28.03.2024.