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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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die Amtmännin einfließen ließ, die gutmüthigsten Menschen seien ge¬
meiniglich diejenigen, die sich nicht gern viel zu schaffen machen. Hier¬
auf hielt der Chirurg in rednerischer Unterstützung des Sonnenwirths
eine lange und wohlgesetzte Danksagung für die große Mühewaltung,
welche der Herr Amtmann auf sich zu nehmen die Güte gehabt. Die
Amtmännin ermahnte den Sonnenwirth, künftig den Stab Wehe zu ge¬
brauchen, damit man von seinem Früchtlein nicht noch mehr Mühe habe.
Der Sonnenwirth versprach das Beste und die beiden Männer empfah¬
len sich in Unterwürfigkeit.

So, schon Alles im Reinen? sagte die Sonnenwirthin, als sie
Bericht über ihren Gang erstatteten. Nun ja, da kann man jetzt gleich
den Verspruch mit der Jungfer Hirschbäurin folgen lassen.

Das hat gute Weg', entgegnete der Sonnenwirth. Wie ich ge¬
sagt hab', dabei bleibt's. Wenn der Bub' wieder mein Haus betreten
will, so muß er zuerst heilig versprechen, daß er weder mündlich noch
schriftlich mehr etwas mit ihr zu schaffen haben will.

Soll ich nach Hattenhofen schreiben? fragte der Chirurg.

Wie wär's denn? sagte die Sonnenwirthin, die ihm zum Schaber¬
nack wenigstens eine kleine Ungemächlichkeit aufladen wollte. Der
Herr Sohn hat ja heut seinen Schabes nicht. Wie wär's, wenn Er
des Schuhmachers Rappen vorspannen thät' und thät' sich selber nach
Hattenhofen auf den Weg machen? Er kann's ja doch nicht erwarten,
bis Er Sein räudig's Schaf wieder in der Cur hat. Uebrigens den¬
ket an mich, ihr Beide: so lang man singt, ist die Kirch' nicht aus.
Ihr werdet's noch erleben, daß ich Recht behalt'.

Ich hab' ohnehin ein Geschäft draußen, erwiderte der Chirurg, der
ihr die Befriedigung nicht gönnte, daß er bloß auf ihre Veranlassung
einen Weg von ein paar Stunden machen sollte. Ich muß eine Weibs¬
person dort schneiden, die ein Geschwür im Munde hat. Für böse
Mäuler gibt's kein probateres Mittel, als unsre Instrumente.

Der Sonnenwirth lachte und nahm sein Erbieten an, persönlich
mit dem Flüchtling zu reden, ihm förmlich das von dem Vater aus¬
bedungene Versprechen abzunehmen und ihn dann gleich aus seinem
Zufluchtsorte mitzubringen.

Du bist doch recht brav, sagte seine Frau zu ihm, als er sich zu

die Amtmännin einfließen ließ, die gutmüthigſten Menſchen ſeien ge¬
meiniglich diejenigen, die ſich nicht gern viel zu ſchaffen machen. Hier¬
auf hielt der Chirurg in redneriſcher Unterſtützung des Sonnenwirths
eine lange und wohlgeſetzte Dankſagung für die große Mühewaltung,
welche der Herr Amtmann auf ſich zu nehmen die Güte gehabt. Die
Amtmännin ermahnte den Sonnenwirth, künftig den Stab Wehe zu ge¬
brauchen, damit man von ſeinem Früchtlein nicht noch mehr Mühe habe.
Der Sonnenwirth verſprach das Beſte und die beiden Männer empfah¬
len ſich in Unterwürfigkeit.

So, ſchon Alles im Reinen? ſagte die Sonnenwirthin, als ſie
Bericht über ihren Gang erſtatteten. Nun ja, da kann man jetzt gleich
den Verſpruch mit der Jungfer Hirſchbäurin folgen laſſen.

Das hat gute Weg', entgegnete der Sonnenwirth. Wie ich ge¬
ſagt hab', dabei bleibt's. Wenn der Bub' wieder mein Haus betreten
will, ſo muß er zuerſt heilig verſprechen, daß er weder mündlich noch
ſchriftlich mehr etwas mit ihr zu ſchaffen haben will.

Soll ich nach Hattenhofen ſchreiben? fragte der Chirurg.

Wie wär's denn? ſagte die Sonnenwirthin, die ihm zum Schaber¬
nack wenigſtens eine kleine Ungemächlichkeit aufladen wollte. Der
Herr Sohn hat ja heut ſeinen Schabes nicht. Wie wär's, wenn Er
des Schuhmachers Rappen vorſpannen thät' und thät' ſich ſelber nach
Hattenhofen auf den Weg machen? Er kann's ja doch nicht erwarten,
bis Er Sein räudig's Schaf wieder in der Cur hat. Uebrigens den¬
ket an mich, ihr Beide: ſo lang man ſingt, iſt die Kirch' nicht aus.
Ihr werdet's noch erleben, daß ich Recht behalt'.

Ich hab' ohnehin ein Geſchäft draußen, erwiderte der Chirurg, der
ihr die Befriedigung nicht gönnte, daß er bloß auf ihre Veranlaſſung
einen Weg von ein paar Stunden machen ſollte. Ich muß eine Weibs¬
perſon dort ſchneiden, die ein Geſchwür im Munde hat. Für böſe
Mäuler gibt's kein probateres Mittel, als unſre Inſtrumente.

Der Sonnenwirth lachte und nahm ſein Erbieten an, perſönlich
mit dem Flüchtling zu reden, ihm förmlich das von dem Vater aus¬
bedungene Verſprechen abzunehmen und ihn dann gleich aus ſeinem
Zufluchtsorte mitzubringen.

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[170/0186] die Amtmännin einfließen ließ, die gutmüthigſten Menſchen ſeien ge¬ meiniglich diejenigen, die ſich nicht gern viel zu ſchaffen machen. Hier¬ auf hielt der Chirurg in redneriſcher Unterſtützung des Sonnenwirths eine lange und wohlgeſetzte Dankſagung für die große Mühewaltung, welche der Herr Amtmann auf ſich zu nehmen die Güte gehabt. Die Amtmännin ermahnte den Sonnenwirth, künftig den Stab Wehe zu ge¬ brauchen, damit man von ſeinem Früchtlein nicht noch mehr Mühe habe. Der Sonnenwirth verſprach das Beſte und die beiden Männer empfah¬ len ſich in Unterwürfigkeit. So, ſchon Alles im Reinen? ſagte die Sonnenwirthin, als ſie Bericht über ihren Gang erſtatteten. Nun ja, da kann man jetzt gleich den Verſpruch mit der Jungfer Hirſchbäurin folgen laſſen. Das hat gute Weg', entgegnete der Sonnenwirth. Wie ich ge¬ ſagt hab', dabei bleibt's. Wenn der Bub' wieder mein Haus betreten will, ſo muß er zuerſt heilig verſprechen, daß er weder mündlich noch ſchriftlich mehr etwas mit ihr zu ſchaffen haben will. Soll ich nach Hattenhofen ſchreiben? fragte der Chirurg. Wie wär's denn? ſagte die Sonnenwirthin, die ihm zum Schaber¬ nack wenigſtens eine kleine Ungemächlichkeit aufladen wollte. Der Herr Sohn hat ja heut ſeinen Schabes nicht. Wie wär's, wenn Er des Schuhmachers Rappen vorſpannen thät' und thät' ſich ſelber nach Hattenhofen auf den Weg machen? Er kann's ja doch nicht erwarten, bis Er Sein räudig's Schaf wieder in der Cur hat. Uebrigens den¬ ket an mich, ihr Beide: ſo lang man ſingt, iſt die Kirch' nicht aus. Ihr werdet's noch erleben, daß ich Recht behalt'. Ich hab' ohnehin ein Geſchäft draußen, erwiderte der Chirurg, der ihr die Befriedigung nicht gönnte, daß er bloß auf ihre Veranlaſſung einen Weg von ein paar Stunden machen ſollte. Ich muß eine Weibs¬ perſon dort ſchneiden, die ein Geſchwür im Munde hat. Für böſe Mäuler gibt's kein probateres Mittel, als unſre Inſtrumente. Der Sonnenwirth lachte und nahm ſein Erbieten an, perſönlich mit dem Flüchtling zu reden, ihm förmlich das von dem Vater aus¬ bedungene Verſprechen abzunehmen und ihn dann gleich aus ſeinem Zufluchtsorte mitzubringen. Du biſt doch recht brav, ſagte ſeine Frau zu ihm, als er ſich zu

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/186>, abgerufen am 28.03.2024.