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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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rufen lassen wollen. Er theilte ihm den Inhalt des oberamtlichen
Schreibens mit und forderte ihn auf, sich zuvörderst darüber auszu¬
sprechen, ob die Hirschbäuerin wohl dazu zu bringen wäre, einen Ver¬
rath an ihrem Schwiegersohne zu begehen.

Die ist eine Schmotzampel an Leib und Seel', antwortete der
Sonnenwirth, die verkauft ihren Herrgott, wenn sie nur Geld sieht.
Das ist auch ein Grund gewesen, warum ich meinen Sohn nicht hab'
in die Familie heirathen lassen wollen.

Mir kommt da ein guter Einfall, sagte der Amtmann. Ich hatte
neulich in alten Acten und Urkunden zu stöbern und machte dabei zu¬
fällig die Entdeckung, wie es mit dem Leibeigenschaftsverhältniß der
Hirschbauernfamilie bewandt ist. Der Erste des Namens hat das
Haus als eine Art Wildhüter zu Lehen erhalten, mit der ausdrück¬
lichen Bedingung, Jagd auf die Wilderer zu machen. Da nun gar
kein Zweifel sein kann, daß Sein Sohn neben andern ähnlichen Be¬
schäftigungen auch diesem ehrsamen Gewerbe obliegt, so könnte man
es ihr als eine Servitut auferlegen, daß sie die Hand zu seiner Beifahung
zu bieten habe, widrigenfalls die Herrschaft berechtigt wäre, sie von
Haus und Hof zu jagen.

Für den Nothfall, erwiderte der Sonnenwirth, kann diese Drohung
nichts schaden, aber sie wird kaum vonnöthen sein. Auf den Abend
will ich das alt' Weib zu mir kommen lassen und hoff' in Kurzem
dem Herrn Amtmann erwünschte Antwort zu bringen.

Er wünschte einen glückseligen Tag und ging, ohne sich zu fragen, ob
das Vorhaben, das er der Hirschbäuerin gegen ihren Schwiegersohn zu¬
traute und um dessen willen er sie verurtheilte, ein anderes sei, als das
Vorhaben, das er gegen seinen eigenen Sohn bereits auszuführen im
Begriffe war.

Auch der Amtmann und seine Frau dachten an eine solche Ver¬
gleichung nicht. Wenn der Sonnenwirth die Sonne dem Chirurgus
zuwendet, sagte der Erstere lachend, so stirbt die Sonnenwirthin, so¬
bald sie etwas vom Testament erfährt, am Gallenfieber.

Das wäre dem Mann je eher je lieber zu gönnen, versetzte die
Amtmännin. Er hat nicht zum besten mit ihr gelebt, und sie ist auch
in der That, so wie man sie näher kennen lernt, eine herzlose, neidi¬
sche, malitiöse Creatur.

rufen laſſen wollen. Er theilte ihm den Inhalt des oberamtlichen
Schreibens mit und forderte ihn auf, ſich zuvörderſt darüber auszu¬
ſprechen, ob die Hirſchbäuerin wohl dazu zu bringen wäre, einen Ver¬
rath an ihrem Schwiegerſohne zu begehen.

Die iſt eine Schmotzampel an Leib und Seel', antwortete der
Sonnenwirth, die verkauft ihren Herrgott, wenn ſie nur Geld ſieht.
Das iſt auch ein Grund geweſen, warum ich meinen Sohn nicht hab'
in die Familie heirathen laſſen wollen.

Mir kommt da ein guter Einfall, ſagte der Amtmann. Ich hatte
neulich in alten Acten und Urkunden zu ſtöbern und machte dabei zu¬
fällig die Entdeckung, wie es mit dem Leibeigenſchaftsverhältniß der
Hirſchbauernfamilie bewandt iſt. Der Erſte des Namens hat das
Haus als eine Art Wildhüter zu Lehen erhalten, mit der ausdrück¬
lichen Bedingung, Jagd auf die Wilderer zu machen. Da nun gar
kein Zweifel ſein kann, daß Sein Sohn neben andern ähnlichen Be¬
ſchäftigungen auch dieſem ehrſamen Gewerbe obliegt, ſo könnte man
es ihr als eine Servitut auferlegen, daß ſie die Hand zu ſeiner Beifahung
zu bieten habe, widrigenfalls die Herrſchaft berechtigt wäre, ſie von
Haus und Hof zu jagen.

Für den Nothfall, erwiderte der Sonnenwirth, kann dieſe Drohung
nichts ſchaden, aber ſie wird kaum vonnöthen ſein. Auf den Abend
will ich das alt' Weib zu mir kommen laſſen und hoff' in Kurzem
dem Herrn Amtmann erwünſchte Antwort zu bringen.

Er wünſchte einen glückſeligen Tag und ging, ohne ſich zu fragen, ob
das Vorhaben, das er der Hirſchbäuerin gegen ihren Schwiegerſohn zu¬
traute und um deſſen willen er ſie verurtheilte, ein anderes ſei, als das
Vorhaben, das er gegen ſeinen eigenen Sohn bereits auszuführen im
Begriffe war.

Auch der Amtmann und ſeine Frau dachten an eine ſolche Ver¬
gleichung nicht. Wenn der Sonnenwirth die Sonne dem Chirurgus
zuwendet, ſagte der Erſtere lachend, ſo ſtirbt die Sonnenwirthin, ſo¬
bald ſie etwas vom Teſtament erfährt, am Gallenfieber.

Das wäre dem Mann je eher je lieber zu gönnen, verſetzte die
Amtmännin. Er hat nicht zum beſten mit ihr gelebt, und ſie iſt auch
in der That, ſo wie man ſie näher kennen lernt, eine herzloſe, neidi¬
ſche, malitiöſe Creatur.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/348>, abgerufen am 19.04.2024.