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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
die von fremden Behörden ausgestellten Pässe zum Eintritt in das
Bundesgebiet zu visiren 1). Den Reichsangehörigen dürfen Pässe
oder sonstige Reisepapiere, wenn sie die Ertheilung derselben be-
antragen, nicht verweigert werden, sofern ihrer Befugniß zur Reise
gesetzliche Hindernisse nicht entgegenstehen 2).

d) Vormundschaftliche Befugnisse. Cura absentis.

In einer Reihe von Fällen liegt den Konsuln eine Fürsorge
für Vermögens-Interessen von Reichsangehörigen ob und sie haben
dem entsprechend die Befugniß, in diese Vermögens-Angelegenheiten
einzugreifen. Diese Thätigkeit fällt durchweg unter den juristischen
Begriff der cura absentis 3); es ergeben sich hieraus die rechtlichen
Voraussetzungen und Schranken. Der Konsul kann nur eingreifen,
wenn die Betheiligten weder selbst zur Stelle sind noch für eine
anderweitige Vertretung ihrer Interessen Sorge tragen. Sobald
die Betheiligten in der Lage sind, ihre Rechte selbst wahrzunehmen,
steht es dem Konsul nicht zu, sie in der Verfügung über ihre
Vermögensstücke zu bevormunden resp. zu beschränken. Eine fernere
Voraussetzung ist, daß nicht die territoriale Staatsgewalt die Für-
sorge für die unvertretenen Vermögensinteressen Abwesender sich selbst
und ihren eigenen Behörden ausschließlich beilegt. Die Konsular-
Verträge haben jedoch gerade in dieser Beziehung die Befugnisse der
Deutschen Konsuln gesichert 4) und in vielen Staaten wird allgemein

1) Konsulatsges. §. 25. Vgl. das Gesetz über das Paßwesen v. 12. Okt.
1867 (B.-G.-Bl. S. 33) §. 6. 8. König, Handb. S. 163 fg.
2) Gesetz v. 12. Okt. 1867 §. 1 Abs. 2. Als gesetzliche Hindernisse sind
namentlich zu erachten die Militairpflicht, Polizeiaufsicht, gerichtliche Unter-
suchung, berechtigte Einsprache der Landesbehörden. Vgl. Instruction zu
§. 25 des Konsulatsgesetzes.
3) Vgl. de Cussy, Reglements consulaires S. 19. Unrichtig würde
es sein, den Konsul als einen negotiorum gestor im gewöhnlichen Sinne des
Privatrechts anzusehen, welcher sich aus eigener Initiative in fremde Ver-
mögens-Angelegenheiten einmengt. Der Konsul hat vielmehr einen staat-
lichen Auftrag
. Er ist dazu berufen, die dem Staate gestellte Aufgabe
zum Schutz und zur Wohlfahrtspflege seiner Angehörigen, außerhalb des
Staatsgebiets in dem Umfange zu erfüllen, als das Völkerrecht es zuläßt.
Dieser Gesichtspunkt ist hinsichtlich der civilrechtlichen Verantwort-
lichkeit
des Konsuls gegenüber denjenigen Personen, deren Vermögensinte-
ressen er wahrzunehmen hat, von Wichtigkeit.
4) Der Konsular-Vertrag mit den Vereinigten Staaten Art. 8
(R.-G.-Bl. 1872 S. 99) erklärt ausdrücklich, daß die Konsuln "als die gesetz-

§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.
die von fremden Behörden ausgeſtellten Päſſe zum Eintritt in das
Bundesgebiet zu viſiren 1). Den Reichsangehörigen dürfen Päſſe
oder ſonſtige Reiſepapiere, wenn ſie die Ertheilung derſelben be-
antragen, nicht verweigert werden, ſofern ihrer Befugniß zur Reiſe
geſetzliche Hinderniſſe nicht entgegenſtehen 2).

d) Vormundſchaftliche Befugniſſe. Cura absentis.

In einer Reihe von Fällen liegt den Konſuln eine Fürſorge
für Vermögens-Intereſſen von Reichsangehörigen ob und ſie haben
dem entſprechend die Befugniß, in dieſe Vermögens-Angelegenheiten
einzugreifen. Dieſe Thätigkeit fällt durchweg unter den juriſtiſchen
Begriff der cura absentis 3); es ergeben ſich hieraus die rechtlichen
Vorausſetzungen und Schranken. Der Konſul kann nur eingreifen,
wenn die Betheiligten weder ſelbſt zur Stelle ſind noch für eine
anderweitige Vertretung ihrer Intereſſen Sorge tragen. Sobald
die Betheiligten in der Lage ſind, ihre Rechte ſelbſt wahrzunehmen,
ſteht es dem Konſul nicht zu, ſie in der Verfügung über ihre
Vermögensſtücke zu bevormunden reſp. zu beſchränken. Eine fernere
Vorausſetzung iſt, daß nicht die territoriale Staatsgewalt die Für-
ſorge für die unvertretenen Vermögensintereſſen Abweſender ſich ſelbſt
und ihren eigenen Behörden ausſchließlich beilegt. Die Konſular-
Verträge haben jedoch gerade in dieſer Beziehung die Befugniſſe der
Deutſchen Konſuln geſichert 4) und in vielen Staaten wird allgemein

1) Konſulatsgeſ. §. 25. Vgl. das Geſetz über das Paßweſen v. 12. Okt.
1867 (B.-G.-Bl. S. 33) §. 6. 8. König, Handb. S. 163 fg.
2) Geſetz v. 12. Okt. 1867 §. 1 Abſ. 2. Als geſetzliche Hinderniſſe ſind
namentlich zu erachten die Militairpflicht, Polizeiaufſicht, gerichtliche Unter-
ſuchung, berechtigte Einſprache der Landesbehörden. Vgl. Inſtruction zu
§. 25 des Konſulatsgeſetzes.
3) Vgl. de Cussy, Réglements consulaires S. 19. Unrichtig würde
es ſein, den Konſul als einen negotiorum gestor im gewöhnlichen Sinne des
Privatrechts anzuſehen, welcher ſich aus eigener Initiative in fremde Ver-
mögens-Angelegenheiten einmengt. Der Konſul hat vielmehr einen ſtaat-
lichen Auftrag
. Er iſt dazu berufen, die dem Staate geſtellte Aufgabe
zum Schutz und zur Wohlfahrtspflege ſeiner Angehörigen, außerhalb des
Staatsgebiets in dem Umfange zu erfüllen, als das Völkerrecht es zuläßt.
Dieſer Geſichtspunkt iſt hinſichtlich der civilrechtlichen Verantwort-
lichkeit
des Konſuls gegenüber denjenigen Perſonen, deren Vermögensinte-
reſſen er wahrzunehmen hat, von Wichtigkeit.
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(R.-G.-Bl. 1872 S. 99) erklärt ausdrücklich, daß die Konſuln „als die geſetz-
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[263/0277] §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. die von fremden Behörden ausgeſtellten Päſſe zum Eintritt in das Bundesgebiet zu viſiren 1). Den Reichsangehörigen dürfen Päſſe oder ſonſtige Reiſepapiere, wenn ſie die Ertheilung derſelben be- antragen, nicht verweigert werden, ſofern ihrer Befugniß zur Reiſe geſetzliche Hinderniſſe nicht entgegenſtehen 2). d) Vormundſchaftliche Befugniſſe. Cura absentis. In einer Reihe von Fällen liegt den Konſuln eine Fürſorge für Vermögens-Intereſſen von Reichsangehörigen ob und ſie haben dem entſprechend die Befugniß, in dieſe Vermögens-Angelegenheiten einzugreifen. Dieſe Thätigkeit fällt durchweg unter den juriſtiſchen Begriff der cura absentis 3); es ergeben ſich hieraus die rechtlichen Vorausſetzungen und Schranken. Der Konſul kann nur eingreifen, wenn die Betheiligten weder ſelbſt zur Stelle ſind noch für eine anderweitige Vertretung ihrer Intereſſen Sorge tragen. Sobald die Betheiligten in der Lage ſind, ihre Rechte ſelbſt wahrzunehmen, ſteht es dem Konſul nicht zu, ſie in der Verfügung über ihre Vermögensſtücke zu bevormunden reſp. zu beſchränken. Eine fernere Vorausſetzung iſt, daß nicht die territoriale Staatsgewalt die Für- ſorge für die unvertretenen Vermögensintereſſen Abweſender ſich ſelbſt und ihren eigenen Behörden ausſchließlich beilegt. Die Konſular- Verträge haben jedoch gerade in dieſer Beziehung die Befugniſſe der Deutſchen Konſuln geſichert 4) und in vielen Staaten wird allgemein 1) Konſulatsgeſ. §. 25. Vgl. das Geſetz über das Paßweſen v. 12. Okt. 1867 (B.-G.-Bl. S. 33) §. 6. 8. König, Handb. S. 163 fg. 2) Geſetz v. 12. Okt. 1867 §. 1 Abſ. 2. Als geſetzliche Hinderniſſe ſind namentlich zu erachten die Militairpflicht, Polizeiaufſicht, gerichtliche Unter- ſuchung, berechtigte Einſprache der Landesbehörden. Vgl. Inſtruction zu §. 25 des Konſulatsgeſetzes. 3) Vgl. de Cussy, Réglements consulaires S. 19. Unrichtig würde es ſein, den Konſul als einen negotiorum gestor im gewöhnlichen Sinne des Privatrechts anzuſehen, welcher ſich aus eigener Initiative in fremde Ver- mögens-Angelegenheiten einmengt. Der Konſul hat vielmehr einen ſtaat- lichen Auftrag. Er iſt dazu berufen, die dem Staate geſtellte Aufgabe zum Schutz und zur Wohlfahrtspflege ſeiner Angehörigen, außerhalb des Staatsgebiets in dem Umfange zu erfüllen, als das Völkerrecht es zuläßt. Dieſer Geſichtspunkt iſt hinſichtlich der civilrechtlichen Verantwort- lichkeit des Konſuls gegenüber denjenigen Perſonen, deren Vermögensinte- reſſen er wahrzunehmen hat, von Wichtigkeit. 4) Der Konſular-Vertrag mit den Vereinigten Staaten Art. 8 (R.-G.-Bl. 1872 S. 99) erklärt ausdrücklich, daß die Konſuln „als die geſetz-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/277>, abgerufen am 29.03.2024.