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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.

Die Abgränzung derjenigen Bestimmungen, welche in der Form
des Gesetzes zu erlassen sind, von denjenigen, die durch Verwal-
tungsakte getroffen werden können, ist nicht prinzipiell zu gewinnen,
sondern nach finanziellen, politischen, technischen und anderen Er-
wägungen. Die Verf. des Nordd. Bundes Art. 48 Abs. 2 be-
stimmte, daß für diese Abgränzung diejenigen Grundsätze maaßge-
bend sein sollten, die damals in der Preußischen Post- und Tele-
graphen-Verwaltung galten. Das Postges. v. 2. Nov. 1867 hat
diese Gränzen etwas anders gezogen. In der Reichsverf. Art. 48
Abs. 2 sind die im Norddeutschen Bunde maßgebend gewesenen
Grundsätze auf das Reich übertragen worden; das Postgesetz v.
28. Oktob. 1871 hat aber wieder die Anordnungen des Postges. v.
2. Nov. 1867 theils ergänzt theils abgeändert.

Nach Art. 50 Abs. 2 der R.-V. steht dem Kaiser der Erlaß
der reglementarischen Festsetzungen zu; das Postgesetz v. 28. Oktob.
1871 §. 50 überträgt aber den Erlaß des Reglements dem Reichs-
kanzler
und erfordert für die unter Z. 2. 4. u. 6. bezeichneten
Gegenstände die Beschlußfassung des Bundesrathes.

Insoweit weder die Spezial-Postgesetze noch die auf Grund
der vorstehenden Bestimmungen erlassenen Reglements Vorschriften
über die Geschäfte der Postanstalt enthalten, kommen die Anord-
nungen des Handelsgesetzbuchs in Anwendung 1), und zwar


sind, ihre Anwendung ausschließen durch Vertragsfestsetzungen. Die
Telegraphenordnung gilt nicht als Gesetz, sondern als Vertragsberedung. Es
bedarf für Sachverständige keiner Ausführung, daß dies nicht einerlei ist, son-
dern sehr erhebliche praktische Consequenzen hat.
1) Daß die Geschäfte der Post, welche die Packet- und Geldsendungen be-
treffen, Handelsgeschäfte sind, ist unstreitig; sehr bestritten ist dagegen
die Frage, ob die Postanstalt mit Rücksicht auf diese Geschäfte als Kauf-
mann
anzusehen ist. Dagegen erklären sich unter Anderen: Gold-
schmidt
, Handelsr. I. S. 490 (2. Aufl.). Dambach S. 4. Volkmann
im Postarchiv 1874 Nro. 11 S. 321 ff. Urth. des O.-A.-G. zu München
v. 28. Dez. 1869 (Zeitschr. f. Handelsr. XX. S. 604). Für die bejahende
Meinung sind anzuführen: Kompe, Zeitschrift f. Handelsr. Bd. XI. S. 63.
v. Hahn, Kommentar zum H.-G.-B. I. S. 26 (2. Aufl.) Endemann,
Handelsr. S. 745. Thöl, Handelsr. I. S. 111 (5. Aufl.) und namentlich
der Plenar-Beschluß des R.-O.-H.-G. v. 2. Januar 1874 (Entscheid.
Bd. XII. S. 311).
§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.

Die Abgränzung derjenigen Beſtimmungen, welche in der Form
des Geſetzes zu erlaſſen ſind, von denjenigen, die durch Verwal-
tungsakte getroffen werden können, iſt nicht prinzipiell zu gewinnen,
ſondern nach finanziellen, politiſchen, techniſchen und anderen Er-
wägungen. Die Verf. des Nordd. Bundes Art. 48 Abſ. 2 be-
ſtimmte, daß für dieſe Abgränzung diejenigen Grundſätze maaßge-
bend ſein ſollten, die damals in der Preußiſchen Poſt- und Tele-
graphen-Verwaltung galten. Das Poſtgeſ. v. 2. Nov. 1867 hat
dieſe Gränzen etwas anders gezogen. In der Reichsverf. Art. 48
Abſ. 2 ſind die im Norddeutſchen Bunde maßgebend geweſenen
Grundſätze auf das Reich übertragen worden; das Poſtgeſetz v.
28. Oktob. 1871 hat aber wieder die Anordnungen des Poſtgeſ. v.
2. Nov. 1867 theils ergänzt theils abgeändert.

Nach Art. 50 Abſ. 2 der R.-V. ſteht dem Kaiſer der Erlaß
der reglementariſchen Feſtſetzungen zu; das Poſtgeſetz v. 28. Oktob.
1871 §. 50 überträgt aber den Erlaß des Reglements dem Reichs-
kanzler
und erfordert für die unter Z. 2. 4. u. 6. bezeichneten
Gegenſtände die Beſchlußfaſſung des Bundesrathes.

Inſoweit weder die Spezial-Poſtgeſetze noch die auf Grund
der vorſtehenden Beſtimmungen erlaſſenen Reglements Vorſchriften
über die Geſchäfte der Poſtanſtalt enthalten, kommen die Anord-
nungen des Handelsgeſetzbuchs in Anwendung 1), und zwar


ſind, ihre Anwendung ausſchließen durch Vertragsfeſtſetzungen. Die
Telegraphenordnung gilt nicht als Geſetz, ſondern als Vertragsberedung. Es
bedarf für Sachverſtändige keiner Ausführung, daß dies nicht einerlei iſt, ſon-
dern ſehr erhebliche praktiſche Conſequenzen hat.
1) Daß die Geſchäfte der Poſt, welche die Packet- und Geldſendungen be-
treffen, Handelsgeſchäfte ſind, iſt unſtreitig; ſehr beſtritten iſt dagegen
die Frage, ob die Poſtanſtalt mit Rückſicht auf dieſe Geſchäfte als Kauf-
mann
anzuſehen iſt. Dagegen erklären ſich unter Anderen: Gold-
ſchmidt
, Handelsr. I. S. 490 (2. Aufl.). Dambach S. 4. Volkmann
im Poſtarchiv 1874 Nro. 11 S. 321 ff. Urth. des O.-A.-G. zu München
v. 28. Dez. 1869 (Zeitſchr. f. Handelsr. XX. S. 604). Für die bejahende
Meinung ſind anzuführen: Kompe, Zeitſchrift f. Handelsr. Bd. XI. S. 63.
v. Hahn, Kommentar zum H.-G.-B. I. S. 26 (2. Aufl.) Endemann,
Handelsr. S. 745. Thöl, Handelsr. I. S. 111 (5. Aufl.) und namentlich
der Plenar-Beſchluß des R.-O.-H.-G. v. 2. Januar 1874 (Entſcheid.
Bd. XII. S. 311).
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[331/0345] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. Die Abgränzung derjenigen Beſtimmungen, welche in der Form des Geſetzes zu erlaſſen ſind, von denjenigen, die durch Verwal- tungsakte getroffen werden können, iſt nicht prinzipiell zu gewinnen, ſondern nach finanziellen, politiſchen, techniſchen und anderen Er- wägungen. Die Verf. des Nordd. Bundes Art. 48 Abſ. 2 be- ſtimmte, daß für dieſe Abgränzung diejenigen Grundſätze maaßge- bend ſein ſollten, die damals in der Preußiſchen Poſt- und Tele- graphen-Verwaltung galten. Das Poſtgeſ. v. 2. Nov. 1867 hat dieſe Gränzen etwas anders gezogen. In der Reichsverf. Art. 48 Abſ. 2 ſind die im Norddeutſchen Bunde maßgebend geweſenen Grundſätze auf das Reich übertragen worden; das Poſtgeſetz v. 28. Oktob. 1871 hat aber wieder die Anordnungen des Poſtgeſ. v. 2. Nov. 1867 theils ergänzt theils abgeändert. Nach Art. 50 Abſ. 2 der R.-V. ſteht dem Kaiſer der Erlaß der reglementariſchen Feſtſetzungen zu; das Poſtgeſetz v. 28. Oktob. 1871 §. 50 überträgt aber den Erlaß des Reglements dem Reichs- kanzler und erfordert für die unter Z. 2. 4. u. 6. bezeichneten Gegenſtände die Beſchlußfaſſung des Bundesrathes. Inſoweit weder die Spezial-Poſtgeſetze noch die auf Grund der vorſtehenden Beſtimmungen erlaſſenen Reglements Vorſchriften über die Geſchäfte der Poſtanſtalt enthalten, kommen die Anord- nungen des Handelsgeſetzbuchs in Anwendung 1), und zwar 3) 1) Daß die Geſchäfte der Poſt, welche die Packet- und Geldſendungen be- treffen, Handelsgeſchäfte ſind, iſt unſtreitig; ſehr beſtritten iſt dagegen die Frage, ob die Poſtanſtalt mit Rückſicht auf dieſe Geſchäfte als Kauf- mann anzuſehen iſt. Dagegen erklären ſich unter Anderen: Gold- ſchmidt, Handelsr. I. S. 490 (2. Aufl.). Dambach S. 4. Volkmann im Poſtarchiv 1874 Nro. 11 S. 321 ff. Urth. des O.-A.-G. zu München v. 28. Dez. 1869 (Zeitſchr. f. Handelsr. XX. S. 604). Für die bejahende Meinung ſind anzuführen: Kompe, Zeitſchrift f. Handelsr. Bd. XI. S. 63. v. Hahn, Kommentar zum H.-G.-B. I. S. 26 (2. Aufl.) Endemann, Handelsr. S. 745. Thöl, Handelsr. I. S. 111 (5. Aufl.) und namentlich der Plenar-Beſchluß des R.-O.-H.-G. v. 2. Januar 1874 (Entſcheid. Bd. XII. S. 311). 3) ſind, ihre Anwendung ausſchließen durch Vertragsfeſtſetzungen. Die Telegraphenordnung gilt nicht als Geſetz, ſondern als Vertragsberedung. Es bedarf für Sachverſtändige keiner Ausführung, daß dies nicht einerlei iſt, ſon- dern ſehr erhebliche praktiſche Conſequenzen hat.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/345>, abgerufen am 16.04.2024.