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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 73. Die Verwaltung des Bankwesens.
sind. Ja die Reichsbank kann sogar vom Reiche besteuert werden,
was in der That geschieht. Die Constituirung der Reichsbank als
selbstständiger Person des Privatrechts hat die weitere Folge, daß
obrigkeitliche Rechte ihr ganz und gar fehlen und die Reichsbankbe-
hörden zur Ausübung von irgend welchen Hoheitsrechten durchaus
incompetent sind, während solche Rechte der Post- und Telegraphen-
behörde in gewissem Umfange zustehen. Endlich beruht auf diesem
Charakter der Reichsbank die Thatsache, daß die Reichsbank hin-
sichtlich ihrer Geschäfte dem allgemeinen Recht fast ganz und gar
unterworfen ist und daß nur in sehr wenigen Punkten Abweichungen
von demselben anerkannt sind, welche das singuläre Recht der Reichs-
bank bilden.

II. Juristische Natur und Verfassung der Reichsbank.

Die Reichsbank entspricht dem Begriff des Aktienvereins.
Sie hat ein Grundkapital von 120 Mill. Mark, welches in 40,000
auf Namen lautende Antheile von je 3000 Mark getheilt ist. Die
Antheilseigner sind von der persönlichen Haftung für die Verbind-
lichkeiten der Reichsbank frei, sie haben einen Anspruch auf eine
Dividende aus dem sich ergebenden Reingewinn, sie sind befugt,
an der Verwaltung durch die General-Versammlung und
den Centralausschuß sich zu betheiligen; sie erhalten bei der Auf-
lösung des Vereins das Vermögen desselben, wenigstens zum größ-
ten Theile. Alles, was für den Aktienverein wesentlich ist, findet
sich auch bei der Reichsbank wieder und ihre durch Gesetz und
Statut bestimmte Verfassung hat dieselben Grundformen, welche
den Aktienvereinen mit Namensaktien eigenthümlich sind. Dessen-
ungeachtet sind die Vorschriften des Handelsgesetzbuches und des
Ges. v. 11. Juni 1870 auf die Reichsbank im Allgemeinen unan-
wendbar und durch die ausschließenden Bestimmungen des
Bankgesetzes und des Status der Reichsbank ersetzt, und zwar des-
halb, weil das Reich sich bei der Reichsbank eine Stellung zuge-
wiesen hat, welche bei den nach den Vorschriften des H.-G.-B.'s
constituirten Aktienvereinen unmöglich ist. Diese Betheiligung des
Reiches begründet nach allen Richtungen hin für die Reichsbank
Abweichungen von dem gemeinen für Aktienvereine geltenden Rechte
und macht die Reichsbank zu einer anormalen Rechtsschöpfung, die
zwar dem allgemeinen Begriff der Aktienvereine sich subsumirt,

§. 73. Die Verwaltung des Bankweſens.
ſind. Ja die Reichsbank kann ſogar vom Reiche beſteuert werden,
was in der That geſchieht. Die Conſtituirung der Reichsbank als
ſelbſtſtändiger Perſon des Privatrechts hat die weitere Folge, daß
obrigkeitliche Rechte ihr ganz und gar fehlen und die Reichsbankbe-
hörden zur Ausübung von irgend welchen Hoheitsrechten durchaus
incompetent ſind, während ſolche Rechte der Poſt- und Telegraphen-
behörde in gewiſſem Umfange zuſtehen. Endlich beruht auf dieſem
Charakter der Reichsbank die Thatſache, daß die Reichsbank hin-
ſichtlich ihrer Geſchäfte dem allgemeinen Recht faſt ganz und gar
unterworfen iſt und daß nur in ſehr wenigen Punkten Abweichungen
von demſelben anerkannt ſind, welche das ſinguläre Recht der Reichs-
bank bilden.

II. Juriſtiſche Natur und Verfaſſung der Reichsbank.

Die Reichsbank entſpricht dem Begriff des Aktienvereins.
Sie hat ein Grundkapital von 120 Mill. Mark, welches in 40,000
auf Namen lautende Antheile von je 3000 Mark getheilt iſt. Die
Antheilseigner ſind von der perſönlichen Haftung für die Verbind-
lichkeiten der Reichsbank frei, ſie haben einen Anſpruch auf eine
Dividende aus dem ſich ergebenden Reingewinn, ſie ſind befugt,
an der Verwaltung durch die General-Verſammlung und
den Centralausſchuß ſich zu betheiligen; ſie erhalten bei der Auf-
löſung des Vereins das Vermögen deſſelben, wenigſtens zum größ-
ten Theile. Alles, was für den Aktienverein weſentlich iſt, findet
ſich auch bei der Reichsbank wieder und ihre durch Geſetz und
Statut beſtimmte Verfaſſung hat dieſelben Grundformen, welche
den Aktienvereinen mit Namensaktien eigenthümlich ſind. Deſſen-
ungeachtet ſind die Vorſchriften des Handelsgeſetzbuches und des
Geſ. v. 11. Juni 1870 auf die Reichsbank im Allgemeinen unan-
wendbar und durch die ausſchließenden Beſtimmungen des
Bankgeſetzes und des Status der Reichsbank erſetzt, und zwar des-
halb, weil das Reich ſich bei der Reichsbank eine Stellung zuge-
wieſen hat, welche bei den nach den Vorſchriften des H.-G.-B.’s
conſtituirten Aktienvereinen unmöglich iſt. Dieſe Betheiligung des
Reiches begründet nach allen Richtungen hin für die Reichsbank
Abweichungen von dem gemeinen für Aktienvereine geltenden Rechte
und macht die Reichsbank zu einer anormalen Rechtsſchöpfung, die
zwar dem allgemeinen Begriff der Aktienvereine ſich ſubſumirt,

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[383/0397] §. 73. Die Verwaltung des Bankweſens. ſind. Ja die Reichsbank kann ſogar vom Reiche beſteuert werden, was in der That geſchieht. Die Conſtituirung der Reichsbank als ſelbſtſtändiger Perſon des Privatrechts hat die weitere Folge, daß obrigkeitliche Rechte ihr ganz und gar fehlen und die Reichsbankbe- hörden zur Ausübung von irgend welchen Hoheitsrechten durchaus incompetent ſind, während ſolche Rechte der Poſt- und Telegraphen- behörde in gewiſſem Umfange zuſtehen. Endlich beruht auf dieſem Charakter der Reichsbank die Thatſache, daß die Reichsbank hin- ſichtlich ihrer Geſchäfte dem allgemeinen Recht faſt ganz und gar unterworfen iſt und daß nur in ſehr wenigen Punkten Abweichungen von demſelben anerkannt ſind, welche das ſinguläre Recht der Reichs- bank bilden. II. Juriſtiſche Natur und Verfaſſung der Reichsbank. Die Reichsbank entſpricht dem Begriff des Aktienvereins. Sie hat ein Grundkapital von 120 Mill. Mark, welches in 40,000 auf Namen lautende Antheile von je 3000 Mark getheilt iſt. Die Antheilseigner ſind von der perſönlichen Haftung für die Verbind- lichkeiten der Reichsbank frei, ſie haben einen Anſpruch auf eine Dividende aus dem ſich ergebenden Reingewinn, ſie ſind befugt, an der Verwaltung durch die General-Verſammlung und den Centralausſchuß ſich zu betheiligen; ſie erhalten bei der Auf- löſung des Vereins das Vermögen deſſelben, wenigſtens zum größ- ten Theile. Alles, was für den Aktienverein weſentlich iſt, findet ſich auch bei der Reichsbank wieder und ihre durch Geſetz und Statut beſtimmte Verfaſſung hat dieſelben Grundformen, welche den Aktienvereinen mit Namensaktien eigenthümlich ſind. Deſſen- ungeachtet ſind die Vorſchriften des Handelsgeſetzbuches und des Geſ. v. 11. Juni 1870 auf die Reichsbank im Allgemeinen unan- wendbar und durch die ausſchließenden Beſtimmungen des Bankgeſetzes und des Status der Reichsbank erſetzt, und zwar des- halb, weil das Reich ſich bei der Reichsbank eine Stellung zuge- wieſen hat, welche bei den nach den Vorſchriften des H.-G.-B.’s conſtituirten Aktienvereinen unmöglich iſt. Dieſe Betheiligung des Reiches begründet nach allen Richtungen hin für die Reichsbank Abweichungen von dem gemeinen für Aktienvereine geltenden Rechte und macht die Reichsbank zu einer anormalen Rechtsſchöpfung, die zwar dem allgemeinen Begriff der Aktienvereine ſich ſubſumirt,

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/397>, abgerufen am 28.03.2024.