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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 74. Die Verwaltung des Münzwesens.
nisse beruht 1). Dagegen hat das Reich die mit dem ordnungs-
mäßigen Gebrauch der Reichsmünzen verbundene Gefahr der
Abnutzung übernommen und eine Einlösungspflicht derselben aner-
kannt. Dabei besteht aber zwischen Goldmünzen und Scheidemün-
zen eine rechtliche Verschiedenheit, die auf der Verschiedenheit des
Materialwerthes beruht.

a) Bei Goldmünzen besteht ein sogenanntes Passir-
gewicht
. Wenn das Gewicht der Kronen und Doppelkronen
um nicht mehr als 5 Tausendtheile und das Gewicht der halben
Kronen nicht mehr als 8 Tausendtheile hinter dem gesetzlichen
Normalgewicht zurückbleibt und die Verringerung des Gewichtes
nicht durch gewaltsame oder gesetzwidrige Beschädigung hervorge-
bracht ist, so sollen sie bei allen Zahlungen als vollwichtig
gelten 2). Sie dürfen daher weder von öffentlichen Kassen noch von
Privatpersonen, denen sie in Zahlung angeboten werden, zurückge-
wiesen werden und sie können von Neuem in Cirkulation gesetzt
werden 3).


1) "Wer echte, zum Umlauf bestimmte Metall-Geldstücke durch Beschneiden,
Abfeilen oder auf andere Art verringert und als vollgültig in Verkehr bringt,
oder wer solche verringerte Münzen gewohnheitsmäßig oder im Einverständnisse
mit dem, welcher sie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit
Gefängniß bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu 3000 Mark, sowie
auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Der Versuch
ist strafbar". Reichs-Strafgestzb. §. 150. Nach einer auf Grund des Art.
7 der R.-V. erlassenen Verordnung des Bundesrathes v. 24. März
1876 sind gewaltsam beschädigte Reichsmünzen von allen Reichs- und Landes-
kassen anzuhalten und entweder den zuständigen Behörden behufs Einleitung
des Strafverfahrens einzusenden oder -- falls der Verdacht eines Münzvergehens
gegen eine bestimmte Person nicht vorliegt -- durch Zerschlagen oder Einschnei-
den für den Umlauf unbrauchbar zu machen und dem Einzahler zurückzugeben.
Centralblatt 1876 S. 260.
2) Ges. v. 4. Dezemb. 1871 §. 9 Abs. 1. Münzgesetz Art. 2. Um das
Normalgewicht und das Passirgewicht der Reichsgoldmünzen leicht feststellen zu
können, sollen Gewichtsstücke zur Eichung und Stempelung zugelassen werden,
welche diesen Gewichten oder einem Vielfachen derselben entsprechen. Ges. vom
4. Dezemb. 1871 §. 12 und dazu die Bekanntmachung der Normal-Eichungs-
Kommission vom 31. Januar 1872. (Beilage zu Nr. 12 des R.-G.-Bl. 1872
S. III.)
3) Das Gesetz sagt: sie gelten als vollwichtig; es schafft also eine Rechts-
fiction; der Beweis, daß die Münze das Normalgewicht nicht habe, ist uner-
heblich und befreit nicht von der Verpflichtung, sie anzunehmen.

§. 74. Die Verwaltung des Münzweſens.
niſſe beruht 1). Dagegen hat das Reich die mit dem ordnungs-
mäßigen Gebrauch der Reichsmünzen verbundene Gefahr der
Abnutzung übernommen und eine Einlöſungspflicht derſelben aner-
kannt. Dabei beſteht aber zwiſchen Goldmünzen und Scheidemün-
zen eine rechtliche Verſchiedenheit, die auf der Verſchiedenheit des
Materialwerthes beruht.

a) Bei Goldmünzen beſteht ein ſogenanntes Paſſir-
gewicht
. Wenn das Gewicht der Kronen und Doppelkronen
um nicht mehr als 5 Tauſendtheile und das Gewicht der halben
Kronen nicht mehr als 8 Tauſendtheile hinter dem geſetzlichen
Normalgewicht zurückbleibt und die Verringerung des Gewichtes
nicht durch gewaltſame oder geſetzwidrige Beſchädigung hervorge-
bracht iſt, ſo ſollen ſie bei allen Zahlungen als vollwichtig
gelten 2). Sie dürfen daher weder von öffentlichen Kaſſen noch von
Privatperſonen, denen ſie in Zahlung angeboten werden, zurückge-
wieſen werden und ſie können von Neuem in Cirkulation geſetzt
werden 3).


1) „Wer echte, zum Umlauf beſtimmte Metall-Geldſtücke durch Beſchneiden,
Abfeilen oder auf andere Art verringert und als vollgültig in Verkehr bringt,
oder wer ſolche verringerte Münzen gewohnheitsmäßig oder im Einverſtändniſſe
mit dem, welcher ſie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit
Gefängniß beſtraft, neben welchem auf Geldſtrafe bis zu 3000 Mark, ſowie
auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Der Verſuch
iſt ſtrafbar“. Reichs-Strafgeſtzb. §. 150. Nach einer auf Grund des Art.
7 der R.-V. erlaſſenen Verordnung des Bundesrathes v. 24. März
1876 ſind gewaltſam beſchädigte Reichsmünzen von allen Reichs- und Landes-
kaſſen anzuhalten und entweder den zuſtändigen Behörden behufs Einleitung
des Strafverfahrens einzuſenden oder — falls der Verdacht eines Münzvergehens
gegen eine beſtimmte Perſon nicht vorliegt — durch Zerſchlagen oder Einſchnei-
den für den Umlauf unbrauchbar zu machen und dem Einzahler zurückzugeben.
Centralblatt 1876 S. 260.
2) Geſ. v. 4. Dezemb. 1871 §. 9 Abſ. 1. Münzgeſetz Art. 2. Um das
Normalgewicht und das Paſſirgewicht der Reichsgoldmünzen leicht feſtſtellen zu
können, ſollen Gewichtsſtücke zur Eichung und Stempelung zugelaſſen werden,
welche dieſen Gewichten oder einem Vielfachen derſelben entſprechen. Geſ. vom
4. Dezemb. 1871 §. 12 und dazu die Bekanntmachung der Normal-Eichungs-
Kommiſſion vom 31. Januar 1872. (Beilage zu Nr. 12 des R.-G.-Bl. 1872
S. III.)
3) Das Geſetz ſagt: ſie gelten als vollwichtig; es ſchafft alſo eine Rechts-
fiction; der Beweis, daß die Münze das Normalgewicht nicht habe, iſt uner-
heblich und befreit nicht von der Verpflichtung, ſie anzunehmen.
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[426/0440] §. 74. Die Verwaltung des Münzweſens. niſſe beruht 1). Dagegen hat das Reich die mit dem ordnungs- mäßigen Gebrauch der Reichsmünzen verbundene Gefahr der Abnutzung übernommen und eine Einlöſungspflicht derſelben aner- kannt. Dabei beſteht aber zwiſchen Goldmünzen und Scheidemün- zen eine rechtliche Verſchiedenheit, die auf der Verſchiedenheit des Materialwerthes beruht. a) Bei Goldmünzen beſteht ein ſogenanntes Paſſir- gewicht. Wenn das Gewicht der Kronen und Doppelkronen um nicht mehr als 5 Tauſendtheile und das Gewicht der halben Kronen nicht mehr als 8 Tauſendtheile hinter dem geſetzlichen Normalgewicht zurückbleibt und die Verringerung des Gewichtes nicht durch gewaltſame oder geſetzwidrige Beſchädigung hervorge- bracht iſt, ſo ſollen ſie bei allen Zahlungen als vollwichtig gelten 2). Sie dürfen daher weder von öffentlichen Kaſſen noch von Privatperſonen, denen ſie in Zahlung angeboten werden, zurückge- wieſen werden und ſie können von Neuem in Cirkulation geſetzt werden 3). 1) „Wer echte, zum Umlauf beſtimmte Metall-Geldſtücke durch Beſchneiden, Abfeilen oder auf andere Art verringert und als vollgültig in Verkehr bringt, oder wer ſolche verringerte Münzen gewohnheitsmäßig oder im Einverſtändniſſe mit dem, welcher ſie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit Gefängniß beſtraft, neben welchem auf Geldſtrafe bis zu 3000 Mark, ſowie auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Der Verſuch iſt ſtrafbar“. Reichs-Strafgeſtzb. §. 150. Nach einer auf Grund des Art. 7 der R.-V. erlaſſenen Verordnung des Bundesrathes v. 24. März 1876 ſind gewaltſam beſchädigte Reichsmünzen von allen Reichs- und Landes- kaſſen anzuhalten und entweder den zuſtändigen Behörden behufs Einleitung des Strafverfahrens einzuſenden oder — falls der Verdacht eines Münzvergehens gegen eine beſtimmte Perſon nicht vorliegt — durch Zerſchlagen oder Einſchnei- den für den Umlauf unbrauchbar zu machen und dem Einzahler zurückzugeben. Centralblatt 1876 S. 260. 2) Geſ. v. 4. Dezemb. 1871 §. 9 Abſ. 1. Münzgeſetz Art. 2. Um das Normalgewicht und das Paſſirgewicht der Reichsgoldmünzen leicht feſtſtellen zu können, ſollen Gewichtsſtücke zur Eichung und Stempelung zugelaſſen werden, welche dieſen Gewichten oder einem Vielfachen derſelben entſprechen. Geſ. vom 4. Dezemb. 1871 §. 12 und dazu die Bekanntmachung der Normal-Eichungs- Kommiſſion vom 31. Januar 1872. (Beilage zu Nr. 12 des R.-G.-Bl. 1872 S. III.) 3) Das Geſetz ſagt: ſie gelten als vollwichtig; es ſchafft alſo eine Rechts- fiction; der Beweis, daß die Münze das Normalgewicht nicht habe, iſt uner- heblich und befreit nicht von der Verpflichtung, ſie anzunehmen.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/440>, abgerufen am 25.04.2024.