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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 75. Die Verwaltung des Maß- und Gewichtswesens.
begründet rechtliche Verpflichtungen der Erbauer, Rheder und des
Führers eines Schiffes in Bezug auf die Vermessung desselben
(§. 27 ff.), sie regelt das Vermessungssystem und sie normirt
indirect die Berechnung gewisser Schifffahrts-Abgaben; sie charak-
terisirt sich überhaupt als ein Specialgesetz zur Ergänzung der
Maß- und Gewichts-Ordnung und hätte deshalb wie diese im
Wege der Gesetzgebung erlassen werden sollen 1).

Die Vorschriften der Schiffsvermessungs-Ordnung, soweit die-
selben von rechtlicher Erheblichkeit sind, bestehen in folgenden
Sätzen:

1. Alle Schiffe, Fahrzeuge und Boote, welche nach ihrer
Bauart ausschließlich oder vorzugsweise zum Verkehr auf See,
oder auf den Buchten, Haffen und Watten derselben bestimmt
sind, mit alleiniger Ausnahme derjenigen ausschließlich zur Fischerei
bestimmten Fahrzeuge, welche mit durchlöchertem Fischbehälter ver-
sehen sind, unterliegen der Vermessungspflicht 2). Die Vermessung
erfolgt nach metrischem Maße und ist darauf gerichtet, den
Raumgehalt des Schiffes zu ermitteln 3). Das Vermessungs-
Verfahren ist das von Moorsom angegebene, seit 1854 in England
eingeführte und seitdem von vielen Staaten angenommene 4).

Neue, im Bau begriffene Schiffe sind zu vermessen sobald das
Deck gelegt ist und bevor irgend eine Einrichtung im Innern des

Gesetzes oder die Form der Bundesrathsverordnung anzuwenden ist. Er wird
weder von Hiersemenzel I., 148, der sich für die erstere Ansicht ausspricht,
noch von Seydel, Komment. S. 208, der sich für die letztere erklärt, berück-
sichtigt.
1) Vgl. oben §. 59. Der Sch.-V.-O. mangelt daher die Rechtsverbindlich-
keit, soweit sie nicht bloße Verwaltungsvorschriften für die Schiffsvermessungs-
Behörden enthält.
2) Sch.-V.-O. §. 1.
3) ebendas. §. 2. Der gesammte Rauminhalt des Schiffes heißt der
Brutto-Raumgehalt und nach Abzug der Logisräume der Schiffsmannschaft
(§. 15), sowie der etwa vorhandenen Maschinen-, Dampfkessel- und Kohlen-
räume (§. 16), der Netto-Raumgehalt.
4) Es ist in der Sch.-V.-O. §§. 4--11 beschrieben. Vgl. über dasselbe
Romberg in v. Holtzendorff's Jahrbuch Bd. III. S. 313 ff. Ausnahmsweise
kann ein abgekürztes Verfahren nach Maßgabe der §§. 12 u. 13 stattfinden,
wenn das Schiff ganz oder theilweise beladen ist oder Umstände anderer Art
die Vermessung nach dem vollständigen Verfahren verhindern. Sch.-V.-O. §. 3
Abs. 2.
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§. 75. Die Verwaltung des Maß- und Gewichtsweſens.
begründet rechtliche Verpflichtungen der Erbauer, Rheder und des
Führers eines Schiffes in Bezug auf die Vermeſſung deſſelben
(§. 27 ff.), ſie regelt das Vermeſſungsſyſtem und ſie normirt
indirect die Berechnung gewiſſer Schifffahrts-Abgaben; ſie charak-
teriſirt ſich überhaupt als ein Specialgeſetz zur Ergänzung der
Maß- und Gewichts-Ordnung und hätte deshalb wie dieſe im
Wege der Geſetzgebung erlaſſen werden ſollen 1).

Die Vorſchriften der Schiffsvermeſſungs-Ordnung, ſoweit die-
ſelben von rechtlicher Erheblichkeit ſind, beſtehen in folgenden
Sätzen:

1. Alle Schiffe, Fahrzeuge und Boote, welche nach ihrer
Bauart ausſchließlich oder vorzugsweiſe zum Verkehr auf See,
oder auf den Buchten, Haffen und Watten derſelben beſtimmt
ſind, mit alleiniger Ausnahme derjenigen ausſchließlich zur Fiſcherei
beſtimmten Fahrzeuge, welche mit durchlöchertem Fiſchbehälter ver-
ſehen ſind, unterliegen der Vermeſſungspflicht 2). Die Vermeſſung
erfolgt nach metriſchem Maße und iſt darauf gerichtet, den
Raumgehalt des Schiffes zu ermitteln 3). Das Vermeſſungs-
Verfahren iſt das von Moorſom angegebene, ſeit 1854 in England
eingeführte und ſeitdem von vielen Staaten angenommene 4).

Neue, im Bau begriffene Schiffe ſind zu vermeſſen ſobald das
Deck gelegt iſt und bevor irgend eine Einrichtung im Innern des

Geſetzes oder die Form der Bundesrathsverordnung anzuwenden iſt. Er wird
weder von Hierſemenzel I., 148, der ſich für die erſtere Anſicht ausſpricht,
noch von Seydel, Komment. S. 208, der ſich für die letztere erklärt, berück-
ſichtigt.
1) Vgl. oben §. 59. Der Sch.-V.-O. mangelt daher die Rechtsverbindlich-
keit, ſoweit ſie nicht bloße Verwaltungsvorſchriften für die Schiffsvermeſſungs-
Behörden enthält.
2) Sch.-V.-O. §. 1.
3) ebendaſ. §. 2. Der geſammte Rauminhalt des Schiffes heißt der
Brutto-Raumgehalt und nach Abzug der Logisräume der Schiffsmannſchaft
(§. 15), ſowie der etwa vorhandenen Maſchinen-, Dampfkeſſel- und Kohlen-
räume (§. 16), der Netto-Raumgehalt.
4) Es iſt in der Sch.-V.-O. §§. 4—11 beſchrieben. Vgl. über daſſelbe
Romberg in v. Holtzendorff’s Jahrbuch Bd. III. S. 313 ff. Ausnahmsweiſe
kann ein abgekürztes Verfahren nach Maßgabe der §§. 12 u. 13 ſtattfinden,
wenn das Schiff ganz oder theilweiſe beladen iſt oder Umſtände anderer Art
die Vermeſſung nach dem vollſtändigen Verfahren verhindern. Sch.-V.-O. §. 3
Abſ. 2.
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[451/0465] §. 75. Die Verwaltung des Maß- und Gewichtsweſens. begründet rechtliche Verpflichtungen der Erbauer, Rheder und des Führers eines Schiffes in Bezug auf die Vermeſſung deſſelben (§. 27 ff.), ſie regelt das Vermeſſungsſyſtem und ſie normirt indirect die Berechnung gewiſſer Schifffahrts-Abgaben; ſie charak- teriſirt ſich überhaupt als ein Specialgeſetz zur Ergänzung der Maß- und Gewichts-Ordnung und hätte deshalb wie dieſe im Wege der Geſetzgebung erlaſſen werden ſollen 1). Die Vorſchriften der Schiffsvermeſſungs-Ordnung, ſoweit die- ſelben von rechtlicher Erheblichkeit ſind, beſtehen in folgenden Sätzen: 1. Alle Schiffe, Fahrzeuge und Boote, welche nach ihrer Bauart ausſchließlich oder vorzugsweiſe zum Verkehr auf See, oder auf den Buchten, Haffen und Watten derſelben beſtimmt ſind, mit alleiniger Ausnahme derjenigen ausſchließlich zur Fiſcherei beſtimmten Fahrzeuge, welche mit durchlöchertem Fiſchbehälter ver- ſehen ſind, unterliegen der Vermeſſungspflicht 2). Die Vermeſſung erfolgt nach metriſchem Maße und iſt darauf gerichtet, den Raumgehalt des Schiffes zu ermitteln 3). Das Vermeſſungs- Verfahren iſt das von Moorſom angegebene, ſeit 1854 in England eingeführte und ſeitdem von vielen Staaten angenommene 4). Neue, im Bau begriffene Schiffe ſind zu vermeſſen ſobald das Deck gelegt iſt und bevor irgend eine Einrichtung im Innern des 3) 1) Vgl. oben §. 59. Der Sch.-V.-O. mangelt daher die Rechtsverbindlich- keit, ſoweit ſie nicht bloße Verwaltungsvorſchriften für die Schiffsvermeſſungs- Behörden enthält. 2) Sch.-V.-O. §. 1. 3) ebendaſ. §. 2. Der geſammte Rauminhalt des Schiffes heißt der Brutto-Raumgehalt und nach Abzug der Logisräume der Schiffsmannſchaft (§. 15), ſowie der etwa vorhandenen Maſchinen-, Dampfkeſſel- und Kohlen- räume (§. 16), der Netto-Raumgehalt. 4) Es iſt in der Sch.-V.-O. §§. 4—11 beſchrieben. Vgl. über daſſelbe Romberg in v. Holtzendorff’s Jahrbuch Bd. III. S. 313 ff. Ausnahmsweiſe kann ein abgekürztes Verfahren nach Maßgabe der §§. 12 u. 13 ſtattfinden, wenn das Schiff ganz oder theilweiſe beladen iſt oder Umſtände anderer Art die Vermeſſung nach dem vollſtändigen Verfahren verhindern. Sch.-V.-O. §. 3 Abſ. 2. 3) Geſetzes oder die Form der Bundesrathsverordnung anzuwenden iſt. Er wird weder von Hierſemenzel I., 148, der ſich für die erſtere Anſicht ausſpricht, noch von Seydel, Komment. S. 208, der ſich für die letztere erklärt, berück- ſichtigt. 29*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/465>, abgerufen am 24.04.2024.