Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens.
führung der Gewerbe-Ordnung und der andern den Gewerbebetrieb
betreffenden Reichsgesetze steht, soweit derselbe nicht ausdrücklich
den Einzelstaaten vorbehalten ist, nach Art. 7 Z. 2 der R.-V.
dem Bundesrathe zu.

II. Der Patentschutz*).

1. Rechtliche Natur des Patentschutzes. Die allgemeine
Gewerbefreiheit ist in sehr eingreifender Weise dadurch beschränkt,
daß die gewerbemäßige Verwerthung von Produkten geistiger Ar-
beit nicht freigegeben, sondern innerhalb gewisser Gränzen zu
Gunsten des Autors monopolisirt ist. Das hieraus sich ergebende
Gewerbe-Privilegium nennt man mit einem bildlichen Ausdruck
das geistige Eigenthum und auch die Reichsverfassung bedient sich
desselben, indem sie in Art. 4 Z. 6 der Kompetenz des Reiches
"den Schutz des geistigen Eigenthums" zuweist. Diese Bezeichnung
ist aber eine juristisch unrichtige, denn das Wesen des Eigenthums
im Rechtssinne besteht in der physischen Herrschaft über eine Sache,
so daß geistiges Eigenthum eine contradictio in adjecto ist 1). Das
Recht, welches man damit bezeichnen will, hat auch mit dem Eigen-
thum durchaus Nichts gemein, ausgenommen daß es einen Ver-

*)
Patentgesetz v. 25. Mai 1877. (R.-G.-Bl. S. 501); ist am 1. Juli 1877
in Kraft getreten. Motive dazu in den Drucksachen des Deutschen
Reichstages 1877 Bd. I. Nro. 8. Kommissionsbericht ebendas.
Bd. II. Nro. 144. Verhandlungen in den Stenogr. Berichten
S. 25 ff. 915 bis 1011 ff.
Literatur. Aus der Zeit vor Erlaß des Patentgesetzes ist das Haupt-
werk: Klostermann. Die Patentgesetzgebung aller Länder. 2. Aufl.
Berlin 1876. Daselbst sind S. 108 ff. zahlreiche Literatur-Angaben.
Ueber die Vorarbeiten des Reichspatentgesetzes und die Schicksale desselben
handelt Gensel im Jahrbuch von v. Holtzendorff und Brentano Bd. I.
Heft 3 S. 503 ff. und besonders ausführlich Grothe Das Patentgesetz
Berlin 1877. Die Schrift enthält zugleich einen Kommentar des Patent-
gesetzes. Kommentare zum Patentgesetz sind außerdem ver-
öffentlicht worden von Dambach, Berlin 1877. J. Landgraf,
Stuttgart 1877. Gareis, Berlin 1877 und Klostermann, Berlin
1877.
1) Daß der erwähnte Ausdruck der Reichsverf. nicht die Tendenz hat,
die juristische Construktion des Schutzes gegen Nachdruck etc. zu fixiren, wird
auch von Dambach das Urheberrecht. (Berlin 1871) mit Recht hervorge-
hoben.

§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
führung der Gewerbe-Ordnung und der andern den Gewerbebetrieb
betreffenden Reichsgeſetze ſteht, ſoweit derſelbe nicht ausdrücklich
den Einzelſtaaten vorbehalten iſt, nach Art. 7 Z. 2 der R.-V.
dem Bundesrathe zu.

II. Der Patentſchutz*).

1. Rechtliche Natur des Patentſchutzes. Die allgemeine
Gewerbefreiheit iſt in ſehr eingreifender Weiſe dadurch beſchränkt,
daß die gewerbemäßige Verwerthung von Produkten geiſtiger Ar-
beit nicht freigegeben, ſondern innerhalb gewiſſer Gränzen zu
Gunſten des Autors monopoliſirt iſt. Das hieraus ſich ergebende
Gewerbe-Privilegium nennt man mit einem bildlichen Ausdruck
das geiſtige Eigenthum und auch die Reichsverfaſſung bedient ſich
deſſelben, indem ſie in Art. 4 Z. 6 der Kompetenz des Reiches
„den Schutz des geiſtigen Eigenthums“ zuweiſt. Dieſe Bezeichnung
iſt aber eine juriſtiſch unrichtige, denn das Weſen des Eigenthums
im Rechtsſinne beſteht in der phyſiſchen Herrſchaft über eine Sache,
ſo daß geiſtiges Eigenthum eine contradictio in adjecto iſt 1). Das
Recht, welches man damit bezeichnen will, hat auch mit dem Eigen-
thum durchaus Nichts gemein, ausgenommen daß es einen Ver-

*)
Patentgeſetz v. 25. Mai 1877. (R.-G.-Bl. S. 501); iſt am 1. Juli 1877
in Kraft getreten. Motive dazu in den Druckſachen des Deutſchen
Reichstages 1877 Bd. I. Nro. 8. Kommiſſionsbericht ebendaſ.
Bd. II. Nro. 144. Verhandlungen in den Stenogr. Berichten
S. 25 ff. 915 bis 1011 ff.
Literatur. Aus der Zeit vor Erlaß des Patentgeſetzes iſt das Haupt-
werk: Kloſtermann. Die Patentgeſetzgebung aller Länder. 2. Aufl.
Berlin 1876. Daſelbſt ſind S. 108 ff. zahlreiche Literatur-Angaben.
Ueber die Vorarbeiten des Reichspatentgeſetzes und die Schickſale deſſelben
handelt Genſel im Jahrbuch von v. Holtzendorff und Brentano Bd. I.
Heft 3 S. 503 ff. und beſonders ausführlich Grothe Das Patentgeſetz
Berlin 1877. Die Schrift enthält zugleich einen Kommentar des Patent-
geſetzes. Kommentare zum Patentgeſetz ſind außerdem ver-
öffentlicht worden von Dambach, Berlin 1877. J. Landgraf,
Stuttgart 1877. Gareis, Berlin 1877 und Kloſtermann, Berlin
1877.
1) Daß der erwähnte Ausdruck der Reichsverf. nicht die Tendenz hat,
die juriſtiſche Conſtruktion des Schutzes gegen Nachdruck ꝛc. zu fixiren, wird
auch von Dambach das Urheberrecht. (Berlin 1871) mit Recht hervorge-
hoben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0482" n="468"/><fw place="top" type="header">§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewe&#x017F;ens.</fw><lb/>
führung der Gewerbe-Ordnung und der andern den Gewerbebetrieb<lb/>
betreffenden Reichsge&#x017F;etze &#x017F;teht, &#x017F;oweit der&#x017F;elbe nicht ausdrücklich<lb/>
den Einzel&#x017F;taaten vorbehalten i&#x017F;t, nach Art. 7 Z. 2 der R.-V.<lb/>
dem <hi rendition="#g">Bundesrathe</hi> zu.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Der Patent&#x017F;chutz</hi><note place="foot" n="*)"><list><item><hi rendition="#g">Patentge&#x017F;etz</hi> v. 25. Mai 1877. (R.-G.-Bl. S. 501); i&#x017F;t am 1. Juli 1877<lb/>
in Kraft getreten. <hi rendition="#g">Motive</hi> dazu in den Druck&#x017F;achen des Deut&#x017F;chen<lb/>
Reichstages 1877 Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> Nro. 8. <hi rendition="#g">Kommi&#x017F;&#x017F;ionsbericht</hi> ebenda&#x017F;.<lb/>
Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi> Nro. 144. <hi rendition="#g">Verhandlungen</hi> in den Stenogr. Berichten<lb/>
S. 25 ff. 915 bis 1011 ff.</item><lb/><item><hi rendition="#g">Literatur</hi>. Aus der Zeit vor Erlaß des Patentge&#x017F;etzes i&#x017F;t das Haupt-<lb/>
werk: <hi rendition="#g">Klo&#x017F;termann</hi>. Die Patentge&#x017F;etzgebung aller Länder. 2. Aufl.<lb/>
Berlin 1876. Da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind S. 108 ff. zahlreiche Literatur-Angaben.<lb/>
Ueber die Vorarbeiten des Reichspatentge&#x017F;etzes und die Schick&#x017F;ale de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
handelt <hi rendition="#g">Gen&#x017F;el</hi> im Jahrbuch von v. Holtzendorff und Brentano Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
Heft 3 S. 503 ff. und be&#x017F;onders ausführlich <hi rendition="#g">Grothe</hi> Das Patentge&#x017F;etz<lb/>
Berlin 1877. Die Schrift enthält zugleich einen Kommentar des Patent-<lb/>
ge&#x017F;etzes. <hi rendition="#g">Kommentare zum Patentge&#x017F;etz</hi> &#x017F;ind außerdem ver-<lb/>
öffentlicht worden von <hi rendition="#g">Dambach</hi>, Berlin 1877. J. <hi rendition="#g">Landgraf</hi>,<lb/>
Stuttgart 1877. <hi rendition="#g">Gareis</hi>, Berlin 1877 und <hi rendition="#g">Klo&#x017F;termann</hi>, Berlin<lb/>
1877.</item></list></note>.</head><lb/>
              <p>1. <hi rendition="#g">Rechtliche Natur des Patent&#x017F;chutzes</hi>. Die allgemeine<lb/>
Gewerbefreiheit i&#x017F;t in &#x017F;ehr eingreifender Wei&#x017F;e dadurch be&#x017F;chränkt,<lb/>
daß die gewerbemäßige Verwerthung von Produkten gei&#x017F;tiger Ar-<lb/>
beit nicht freigegeben, &#x017F;ondern innerhalb gewi&#x017F;&#x017F;er Gränzen zu<lb/>
Gun&#x017F;ten des Autors monopoli&#x017F;irt i&#x017F;t. Das hieraus &#x017F;ich ergebende<lb/>
Gewerbe-Privilegium nennt man mit einem bildlichen Ausdruck<lb/>
das gei&#x017F;tige Eigenthum und auch die Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung bedient &#x017F;ich<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben, indem &#x017F;ie in Art. 4 Z. 6 der Kompetenz des Reiches<lb/>
&#x201E;den Schutz des gei&#x017F;tigen Eigenthums&#x201C; zuwei&#x017F;t. Die&#x017F;e Bezeichnung<lb/>
i&#x017F;t aber eine juri&#x017F;ti&#x017F;ch unrichtige, denn das We&#x017F;en des Eigenthums<lb/>
im Rechts&#x017F;inne be&#x017F;teht in der phy&#x017F;i&#x017F;chen Herr&#x017F;chaft über eine Sache,<lb/>
&#x017F;o daß gei&#x017F;tiges Eigenthum eine <hi rendition="#aq">contradictio in adjecto</hi> i&#x017F;t <note place="foot" n="1)">Daß der erwähnte Ausdruck der Reichsverf. nicht die Tendenz hat,<lb/>
die juri&#x017F;ti&#x017F;che Con&#x017F;truktion des Schutzes gegen Nachdruck &#xA75B;c. zu fixiren, wird<lb/>
auch von <hi rendition="#g">Dambach</hi> das Urheberrecht. (Berlin 1871) mit Recht hervorge-<lb/>
hoben.</note>. Das<lb/>
Recht, welches man damit bezeichnen will, hat auch mit dem Eigen-<lb/>
thum durchaus Nichts gemein, ausgenommen daß es einen <hi rendition="#g">Ver-</hi><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[468/0482] §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. führung der Gewerbe-Ordnung und der andern den Gewerbebetrieb betreffenden Reichsgeſetze ſteht, ſoweit derſelbe nicht ausdrücklich den Einzelſtaaten vorbehalten iſt, nach Art. 7 Z. 2 der R.-V. dem Bundesrathe zu. II. Der Patentſchutz *). 1. Rechtliche Natur des Patentſchutzes. Die allgemeine Gewerbefreiheit iſt in ſehr eingreifender Weiſe dadurch beſchränkt, daß die gewerbemäßige Verwerthung von Produkten geiſtiger Ar- beit nicht freigegeben, ſondern innerhalb gewiſſer Gränzen zu Gunſten des Autors monopoliſirt iſt. Das hieraus ſich ergebende Gewerbe-Privilegium nennt man mit einem bildlichen Ausdruck das geiſtige Eigenthum und auch die Reichsverfaſſung bedient ſich deſſelben, indem ſie in Art. 4 Z. 6 der Kompetenz des Reiches „den Schutz des geiſtigen Eigenthums“ zuweiſt. Dieſe Bezeichnung iſt aber eine juriſtiſch unrichtige, denn das Weſen des Eigenthums im Rechtsſinne beſteht in der phyſiſchen Herrſchaft über eine Sache, ſo daß geiſtiges Eigenthum eine contradictio in adjecto iſt 1). Das Recht, welches man damit bezeichnen will, hat auch mit dem Eigen- thum durchaus Nichts gemein, ausgenommen daß es einen Ver- *) Patentgeſetz v. 25. Mai 1877. (R.-G.-Bl. S. 501); iſt am 1. Juli 1877 in Kraft getreten. Motive dazu in den Druckſachen des Deutſchen Reichstages 1877 Bd. I. Nro. 8. Kommiſſionsbericht ebendaſ. Bd. II. Nro. 144. Verhandlungen in den Stenogr. Berichten S. 25 ff. 915 bis 1011 ff. Literatur. Aus der Zeit vor Erlaß des Patentgeſetzes iſt das Haupt- werk: Kloſtermann. Die Patentgeſetzgebung aller Länder. 2. Aufl. Berlin 1876. Daſelbſt ſind S. 108 ff. zahlreiche Literatur-Angaben. Ueber die Vorarbeiten des Reichspatentgeſetzes und die Schickſale deſſelben handelt Genſel im Jahrbuch von v. Holtzendorff und Brentano Bd. I. Heft 3 S. 503 ff. und beſonders ausführlich Grothe Das Patentgeſetz Berlin 1877. Die Schrift enthält zugleich einen Kommentar des Patent- geſetzes. Kommentare zum Patentgeſetz ſind außerdem ver- öffentlicht worden von Dambach, Berlin 1877. J. Landgraf, Stuttgart 1877. Gareis, Berlin 1877 und Kloſtermann, Berlin 1877. 1) Daß der erwähnte Ausdruck der Reichsverf. nicht die Tendenz hat, die juriſtiſche Conſtruktion des Schutzes gegen Nachdruck ꝛc. zu fixiren, wird auch von Dambach das Urheberrecht. (Berlin 1871) mit Recht hervorge- hoben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/482
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/482>, abgerufen am 24.04.2024.