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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
folgenden Jahre in dem Maße zu erwarten ist, daß sie voraus-
sichtlich zum Kriegsdienste werden eingezogen werden können 1).
Der ersten Klasse sind alljährlich so viele Mannschaften zu über-
weisen, daß mit fünf Jahrgängen der Bedarf für die Mobil-
machung des Heeres gedeckt wird 2). Wenn ein Ueberschuß vor-
handen ist, so entscheidet unter den Freigeloosten die Reihenfolge
der Loosnummer, unter den übrigen Mannschaften das Lebensalter,
die bessere Dienstbrauchbarkeit und Abkömmlichkeit 3). Der zwei-
ten
Klasse werden alle diejenigen, der Ersatzreserve zugetheilten
Militairpflichtigen überwiesen, welche als weniger geeignet oder
überschüssig nicht der ersten Klasse zugetheilt werden 4).

In allen Fällen, in welchen Militairpflichtige der Landbe-
völkerung der Ersatzreserve I oder II zu überweisen sind, werden
Militairpflichtige der seemännischen Bevölkerung der Seewehr zweiter
Klasse überwiesen 5).

d) Aushebung für das stehende Heer oder die
Flotte
. Dieselbe ist zu unterscheiden von der Einstellung; sie
ist lediglich das Urtheil, daß der Militairpflichtige den Dienst
im aktiven Heer oder in der Flotte zu leisten habe. Sie kann
wieder einen vierfach verschiedenen Inhalt haben, nämlich

a) zum Dienst mit der Waffe. Die hierzu tauglich Be-
fundenen werden auf die einzelnen Waffengattungen nach ihrer
Körpergröße und ihren besonderen Eigenschaften vertheilt 6). Die
seemännische Bevölkerung des Reiches ist nur der Aushebung für
die Flotte unterworfen, vom Dienste im Landheer befreit 7).

b) zum Dienste ohne Waffe und zwar als Krankenwärter
Leute, welche Lust und Befähigung zur Krankenpflege haben, als
Oekonomiehandwerker Militairpflichtige, welche als Schneider, Schuh-
macher oder Sattler zu verwenden sind, und als Pharmazeuten
solche zum einjährig-freiwilligen Dienst berechtigte Personen, welche
die Approbation als Apotheker erlangt haben 8).


1) Mil.Ges. §. 25.
2) Mil.Ges. §. 24.
3) Mil.Ges. §. 25 Abs. 3.
4) Mil.Ges. §. 26.
5) W.O. I §. 40.
6) Die näheren Vorschriften sind in der H.O. I §. 5 enthalten.
7) Reichsverfassung Art. 53 Abs. 4.
8) Wehr-Ges. §. 1 Abs. 2. H.O. I §. 6.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
folgenden Jahre in dem Maße zu erwarten iſt, daß ſie voraus-
ſichtlich zum Kriegsdienſte werden eingezogen werden können 1).
Der erſten Klaſſe ſind alljährlich ſo viele Mannſchaften zu über-
weiſen, daß mit fünf Jahrgängen der Bedarf für die Mobil-
machung des Heeres gedeckt wird 2). Wenn ein Ueberſchuß vor-
handen iſt, ſo entſcheidet unter den Freigeloosten die Reihenfolge
der Loosnummer, unter den übrigen Mannſchaften das Lebensalter,
die beſſere Dienſtbrauchbarkeit und Abkömmlichkeit 3). Der zwei-
ten
Klaſſe werden alle diejenigen, der Erſatzreſerve zugetheilten
Militairpflichtigen überwieſen, welche als weniger geeignet oder
überſchüſſig nicht der erſten Klaſſe zugetheilt werden 4).

In allen Fällen, in welchen Militairpflichtige der Landbe-
völkerung der Erſatzreſerve I oder II zu überweiſen ſind, werden
Militairpflichtige der ſeemänniſchen Bevölkerung der Seewehr zweiter
Klaſſe überwieſen 5).

d) Aushebung für das ſtehende Heer oder die
Flotte
. Dieſelbe iſt zu unterſcheiden von der Einſtellung; ſie
iſt lediglich das Urtheil, daß der Militairpflichtige den Dienſt
im aktiven Heer oder in der Flotte zu leiſten habe. Sie kann
wieder einen vierfach verſchiedenen Inhalt haben, nämlich

α) zum Dienſt mit der Waffe. Die hierzu tauglich Be-
fundenen werden auf die einzelnen Waffengattungen nach ihrer
Körpergröße und ihren beſonderen Eigenſchaften vertheilt 6). Die
ſeemänniſche Bevölkerung des Reiches iſt nur der Aushebung für
die Flotte unterworfen, vom Dienſte im Landheer befreit 7).

β) zum Dienſte ohne Waffe und zwar als Krankenwärter
Leute, welche Luſt und Befähigung zur Krankenpflege haben, als
Oekonomiehandwerker Militairpflichtige, welche als Schneider, Schuh-
macher oder Sattler zu verwenden ſind, und als Pharmazeuten
ſolche zum einjährig-freiwilligen Dienſt berechtigte Perſonen, welche
die Approbation als Apotheker erlangt haben 8).


1) Mil.Geſ. §. 25.
2) Mil.Geſ. §. 24.
3) Mil.Geſ. §. 25 Abſ. 3.
4) Mil.Geſ. §. 26.
5) W.O. I §. 40.
6) Die näheren Vorſchriften ſind in der H.O. I §. 5 enthalten.
7) Reichsverfaſſung Art. 53 Abſ. 4.
8) Wehr-Geſ. §. 1 Abſ. 2. H.O. I §. 6.
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[164/0174] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. folgenden Jahre in dem Maße zu erwarten iſt, daß ſie voraus- ſichtlich zum Kriegsdienſte werden eingezogen werden können 1). Der erſten Klaſſe ſind alljährlich ſo viele Mannſchaften zu über- weiſen, daß mit fünf Jahrgängen der Bedarf für die Mobil- machung des Heeres gedeckt wird 2). Wenn ein Ueberſchuß vor- handen iſt, ſo entſcheidet unter den Freigeloosten die Reihenfolge der Loosnummer, unter den übrigen Mannſchaften das Lebensalter, die beſſere Dienſtbrauchbarkeit und Abkömmlichkeit 3). Der zwei- ten Klaſſe werden alle diejenigen, der Erſatzreſerve zugetheilten Militairpflichtigen überwieſen, welche als weniger geeignet oder überſchüſſig nicht der erſten Klaſſe zugetheilt werden 4). In allen Fällen, in welchen Militairpflichtige der Landbe- völkerung der Erſatzreſerve I oder II zu überweiſen ſind, werden Militairpflichtige der ſeemänniſchen Bevölkerung der Seewehr zweiter Klaſſe überwieſen 5). d) Aushebung für das ſtehende Heer oder die Flotte. Dieſelbe iſt zu unterſcheiden von der Einſtellung; ſie iſt lediglich das Urtheil, daß der Militairpflichtige den Dienſt im aktiven Heer oder in der Flotte zu leiſten habe. Sie kann wieder einen vierfach verſchiedenen Inhalt haben, nämlich α) zum Dienſt mit der Waffe. Die hierzu tauglich Be- fundenen werden auf die einzelnen Waffengattungen nach ihrer Körpergröße und ihren beſonderen Eigenſchaften vertheilt 6). Die ſeemänniſche Bevölkerung des Reiches iſt nur der Aushebung für die Flotte unterworfen, vom Dienſte im Landheer befreit 7). β) zum Dienſte ohne Waffe und zwar als Krankenwärter Leute, welche Luſt und Befähigung zur Krankenpflege haben, als Oekonomiehandwerker Militairpflichtige, welche als Schneider, Schuh- macher oder Sattler zu verwenden ſind, und als Pharmazeuten ſolche zum einjährig-freiwilligen Dienſt berechtigte Perſonen, welche die Approbation als Apotheker erlangt haben 8). 1) Mil.Geſ. §. 25. 2) Mil.Geſ. §. 24. 3) Mil.Geſ. §. 25 Abſ. 3. 4) Mil.Geſ. §. 26. 5) W.O. I §. 40. 6) Die näheren Vorſchriften ſind in der H.O. I §. 5 enthalten. 7) Reichsverfaſſung Art. 53 Abſ. 4. 8) Wehr-Geſ. §. 1 Abſ. 2. H.O. I §. 6.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/174>, abgerufen am 01.05.2024.