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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
zur Einstellung in das aktive Heer gelangen, ausgenommen die-
jenigen, welche gänzlich untauglich oder dauernd unfähig zum
Dienst im Heere oder in der Flotte sind 1), und daß die Ersatz-
reservepflicht ebensolange dauert wie die Dienstverpflichtung im
Heere oder in der Flotte, nämlich bis zum vollendeten 31. Lebens-
jahre 2).

Die Ersatzreserve wird in zwei Klassen getheilt. Die erste
besteht aus denjenigen Militairpflichtigen, aus welchen bei Mobil-
machungen die regelmäßige Ergänzung des Heeres und nament-
lich die Mannschaft zur Bildung von Ersatz-Truppentheilen ent-
nommen wird; die zweite Klasse dagegen bildet eine Art von
Reservefonds an wehrpflichtiger Mannschaft, auf welchen nur bei
ausbrechendem Kriege und auch alsdann nur im Falle eines außer-
ordentlichen
Bedarfes zurückgegriffen werden darf 3). Nach
diesem Princip bestimmt sich die Entscheidung der Ersatzbehörden,
welche Personen der ersten Klasse der Ersatzreserve und welche der
zweiten Klasse zu überweisen sind 4); aus demselben Grundsatz er-
giebt sich aber auch eine erhebliche Verschiedenheit der Dienstver-
pflichtungen der beiden Ersatzreserve-Klassen.

Bei der zum Dienst in der Flotte verpflichteten seemännischen
Bevölkerung findet diese Eintheilung nicht statt; die Seewehr erster
Klasse entspricht der Landwehr, die Seewehr zweiter Klasse der
Ersatzreserve 5).

2. Die Dienstpflichtinder Ersatzreserve I. Klasse.

a) Der wesentliche Inhalt des Rechtsverhältnisses besteht in
der Verpflichtung, der Einberufung zum aktiven Dienst Folge
zu leisten. Voraussetzung der Einberufung ist die Anordnung der
Mobilmachung oder der Bildung von Ersatztruppen 6). Für die
Reihenfolge der Einberufung gilt das Prinzip der Jahres-
klassen; dringende häusliche und gewerbliche Verhältnisse können
jedoch in derselben Art wie bei den Personen des Beurlaubten-

1) Siehe oben S. 161 fg.
2) Mil.Ges. §. 23 Abs. 3.
3) Mil.Ges. §. 27 Abs. 1.
4) Vgl. oben S. 163 fg.
5) W.O. I §. 40. Vgl. Wehrges. §. 13 Z. 7.
6) Mil.Ges. §. 24.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
zur Einſtellung in das aktive Heer gelangen, ausgenommen die-
jenigen, welche gänzlich untauglich oder dauernd unfähig zum
Dienſt im Heere oder in der Flotte ſind 1), und daß die Erſatz-
reſervepflicht ebenſolange dauert wie die Dienſtverpflichtung im
Heere oder in der Flotte, nämlich bis zum vollendeten 31. Lebens-
jahre 2).

Die Erſatzreſerve wird in zwei Klaſſen getheilt. Die erſte
beſteht aus denjenigen Militairpflichtigen, aus welchen bei Mobil-
machungen die regelmäßige Ergänzung des Heeres und nament-
lich die Mannſchaft zur Bildung von Erſatz-Truppentheilen ent-
nommen wird; die zweite Klaſſe dagegen bildet eine Art von
Reſervefonds an wehrpflichtiger Mannſchaft, auf welchen nur bei
ausbrechendem Kriege und auch alsdann nur im Falle eines außer-
ordentlichen
Bedarfes zurückgegriffen werden darf 3). Nach
dieſem Princip beſtimmt ſich die Entſcheidung der Erſatzbehörden,
welche Perſonen der erſten Klaſſe der Erſatzreſerve und welche der
zweiten Klaſſe zu überweiſen ſind 4); aus demſelben Grundſatz er-
giebt ſich aber auch eine erhebliche Verſchiedenheit der Dienſtver-
pflichtungen der beiden Erſatzreſerve-Klaſſen.

Bei der zum Dienſt in der Flotte verpflichteten ſeemänniſchen
Bevölkerung findet dieſe Eintheilung nicht ſtatt; die Seewehr erſter
Klaſſe entſpricht der Landwehr, die Seewehr zweiter Klaſſe der
Erſatzreſerve 5).

2. Die Dienſtpflichtinder Erſatzreſerve I. Klaſſe.

a) Der weſentliche Inhalt des Rechtsverhältniſſes beſteht in
der Verpflichtung, der Einberufung zum aktiven Dienſt Folge
zu leiſten. Vorausſetzung der Einberufung iſt die Anordnung der
Mobilmachung oder der Bildung von Erſatztruppen 6). Für die
Reihenfolge der Einberufung gilt das Prinzip der Jahres-
klaſſen; dringende häusliche und gewerbliche Verhältniſſe können
jedoch in derſelben Art wie bei den Perſonen des Beurlaubten-

1) Siehe oben S. 161 fg.
2) Mil.Geſ. §. 23 Abſ. 3.
3) Mil.Geſ. §. 27 Abſ. 1.
4) Vgl. oben S. 163 fg.
5) W.O. I §. 40. Vgl. Wehrgeſ. §. 13 Z. 7.
6) Mil.Geſ. §. 24.
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[191/0201] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. zur Einſtellung in das aktive Heer gelangen, ausgenommen die- jenigen, welche gänzlich untauglich oder dauernd unfähig zum Dienſt im Heere oder in der Flotte ſind 1), und daß die Erſatz- reſervepflicht ebenſolange dauert wie die Dienſtverpflichtung im Heere oder in der Flotte, nämlich bis zum vollendeten 31. Lebens- jahre 2). Die Erſatzreſerve wird in zwei Klaſſen getheilt. Die erſte beſteht aus denjenigen Militairpflichtigen, aus welchen bei Mobil- machungen die regelmäßige Ergänzung des Heeres und nament- lich die Mannſchaft zur Bildung von Erſatz-Truppentheilen ent- nommen wird; die zweite Klaſſe dagegen bildet eine Art von Reſervefonds an wehrpflichtiger Mannſchaft, auf welchen nur bei ausbrechendem Kriege und auch alsdann nur im Falle eines außer- ordentlichen Bedarfes zurückgegriffen werden darf 3). Nach dieſem Princip beſtimmt ſich die Entſcheidung der Erſatzbehörden, welche Perſonen der erſten Klaſſe der Erſatzreſerve und welche der zweiten Klaſſe zu überweiſen ſind 4); aus demſelben Grundſatz er- giebt ſich aber auch eine erhebliche Verſchiedenheit der Dienſtver- pflichtungen der beiden Erſatzreſerve-Klaſſen. Bei der zum Dienſt in der Flotte verpflichteten ſeemänniſchen Bevölkerung findet dieſe Eintheilung nicht ſtatt; die Seewehr erſter Klaſſe entſpricht der Landwehr, die Seewehr zweiter Klaſſe der Erſatzreſerve 5). 2. Die Dienſtpflichtinder Erſatzreſerve I. Klaſſe. a) Der weſentliche Inhalt des Rechtsverhältniſſes beſteht in der Verpflichtung, der Einberufung zum aktiven Dienſt Folge zu leiſten. Vorausſetzung der Einberufung iſt die Anordnung der Mobilmachung oder der Bildung von Erſatztruppen 6). Für die Reihenfolge der Einberufung gilt das Prinzip der Jahres- klaſſen; dringende häusliche und gewerbliche Verhältniſſe können jedoch in derſelben Art wie bei den Perſonen des Beurlaubten- 1) Siehe oben S. 161 fg. 2) Mil.Geſ. §. 23 Abſ. 3. 3) Mil.Geſ. §. 27 Abſ. 1. 4) Vgl. oben S. 163 fg. 5) W.O. I §. 40. Vgl. Wehrgeſ. §. 13 Z. 7. 6) Mil.Geſ. §. 24.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/201>, abgerufen am 29.04.2024.