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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
hin als Standespflichten der Offiziere charakterisiren. Denn auch
derjenige, welcher seiner gesetzlichen Wehrpflicht als Offizier
genügen will, tritt ebenso wie der Berufsoffizier in diesen Stand
ein und unterwirft sich hiermit den Standespflichten. Die wichtigste
Consequenz dieses Satzes ist die, daß die Verordnung über
die Ehrengerichte der Offiziere
v. 2. Mai 1874 1) auf
die Offiziere des Beurlaubtenstandes volle Anwendung findet.

Endlich ist ein Rechtssatz zu erwähnen, welcher mit dem so
eben entwickelten Unterschied, der zwischen den Offizieren und den
Mannschaften des Beurlaubtenstandes hinsichtlich ihrer Dienstpflicht
besteht, in engem Zusammenhang steht. Reserve- und Landwehr-
Mannschaften treten nämlich beim Verziehen von einem Staate in
den anderen zur Reserve, beziehungsweise Landwehr des letzteren
über 2); Offiziere des Beurlaubtenstandes verbleiben dagegen stets
im Dienstverhältniß desjenigen Bundesstaates, von dessen Kon-
tingentsherrn sie zum Offizier ernannt worden sind 3). Dieser
Unterschied beruht darauf, daß Offiziere der Reserve und Land-
wehr nicht wie die Mannschaften lediglich ihre gesetzliche Wehr-
pflicht als einfache Unterthanenpflicht erfüllen, sondern daß sie zu-
gleich mit einem militairischen Range ausgestattet sind, der sie zur
Handhabung einer militairischen obrigkeitlichen Gewalt befähigt.
Die Quelle derselben ist aber der betreffende Bundes-Staat; die
den Offizieren zur Ausübung übertragene Militairgewalt steht dem-
jenigen Kontingentsherrn zu, von welchem sie ihre Ernennung er-
halten haben. Offiziere des Beurlaubtenstandes stehen in dieser
Hinsicht den Offizieren des activen Friedensstandes ganz gleich;
sie haben nicht nur eine Dienstpflicht, sondern sie bekleiden zu-
gleich auch eine bestimmte Dienststelle und führen das derselben
entsprechende Kommando; sie können daher nicht durch bloßen
Wechsel des Aufenthalts oder der Niederlassung ohne Weiteres in
ein anderes Kontingent eintreten, sondern sie müssen, wenn beson-
dere Verhältnisse einen solchen Uebertritt ausnahmsweise als zu-

1) Siehe darüber den folgenden Paragraphen unter II. 2. c).
2) W.G. §. 17 Abs. 3.
3) H.O. II §. 27 Z. 6. Ebenso bleiben sie beim Aufenthaltswechsel innerhalb
des Gebietes ihres Kontingentsherrn bei demjenigen Truppentheil, in dessen
Offizierkorps sie in Folge ihrer Beförderung eingetreten sind, solange sie nicht
zu einem andern Truppentheil versetzt werden.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
hin als Standespflichten der Offiziere charakteriſiren. Denn auch
derjenige, welcher ſeiner geſetzlichen Wehrpflicht als Offizier
genügen will, tritt ebenſo wie der Berufsoffizier in dieſen Stand
ein und unterwirft ſich hiermit den Standespflichten. Die wichtigſte
Conſequenz dieſes Satzes iſt die, daß die Verordnung über
die Ehrengerichte der Offiziere
v. 2. Mai 1874 1) auf
die Offiziere des Beurlaubtenſtandes volle Anwendung findet.

Endlich iſt ein Rechtsſatz zu erwähnen, welcher mit dem ſo
eben entwickelten Unterſchied, der zwiſchen den Offizieren und den
Mannſchaften des Beurlaubtenſtandes hinſichtlich ihrer Dienſtpflicht
beſteht, in engem Zuſammenhang ſteht. Reſerve- und Landwehr-
Mannſchaften treten nämlich beim Verziehen von einem Staate in
den anderen zur Reſerve, beziehungsweiſe Landwehr des letzteren
über 2); Offiziere des Beurlaubtenſtandes verbleiben dagegen ſtets
im Dienſtverhältniß desjenigen Bundesſtaates, von deſſen Kon-
tingentsherrn ſie zum Offizier ernannt worden ſind 3). Dieſer
Unterſchied beruht darauf, daß Offiziere der Reſerve und Land-
wehr nicht wie die Mannſchaften lediglich ihre geſetzliche Wehr-
pflicht als einfache Unterthanenpflicht erfüllen, ſondern daß ſie zu-
gleich mit einem militairiſchen Range ausgeſtattet ſind, der ſie zur
Handhabung einer militairiſchen obrigkeitlichen Gewalt befähigt.
Die Quelle derſelben iſt aber der betreffende Bundes-Staat; die
den Offizieren zur Ausübung übertragene Militairgewalt ſteht dem-
jenigen Kontingentsherrn zu, von welchem ſie ihre Ernennung er-
halten haben. Offiziere des Beurlaubtenſtandes ſtehen in dieſer
Hinſicht den Offizieren des activen Friedensſtandes ganz gleich;
ſie haben nicht nur eine Dienſtpflicht, ſondern ſie bekleiden zu-
gleich auch eine beſtimmte Dienſtſtelle und führen das derſelben
entſprechende Kommando; ſie können daher nicht durch bloßen
Wechſel des Aufenthalts oder der Niederlaſſung ohne Weiteres in
ein anderes Kontingent eintreten, ſondern ſie müſſen, wenn beſon-
dere Verhältniſſe einen ſolchen Uebertritt ausnahmsweiſe als zu-

1) Siehe darüber den folgenden Paragraphen unter II. 2. c).
2) W.G. §. 17 Abſ. 3.
3) H.O. II §. 27 Z. 6. Ebenſo bleiben ſie beim Aufenthaltswechſel innerhalb
des Gebietes ihres Kontingentsherrn bei demjenigen Truppentheil, in deſſen
Offizierkorps ſie in Folge ihrer Beförderung eingetreten ſind, ſolange ſie nicht
zu einem andern Truppentheil verſetzt werden.
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[208/0218] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. hin als Standespflichten der Offiziere charakteriſiren. Denn auch derjenige, welcher ſeiner geſetzlichen Wehrpflicht als Offizier genügen will, tritt ebenſo wie der Berufsoffizier in dieſen Stand ein und unterwirft ſich hiermit den Standespflichten. Die wichtigſte Conſequenz dieſes Satzes iſt die, daß die Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere v. 2. Mai 1874 1) auf die Offiziere des Beurlaubtenſtandes volle Anwendung findet. Endlich iſt ein Rechtsſatz zu erwähnen, welcher mit dem ſo eben entwickelten Unterſchied, der zwiſchen den Offizieren und den Mannſchaften des Beurlaubtenſtandes hinſichtlich ihrer Dienſtpflicht beſteht, in engem Zuſammenhang ſteht. Reſerve- und Landwehr- Mannſchaften treten nämlich beim Verziehen von einem Staate in den anderen zur Reſerve, beziehungsweiſe Landwehr des letzteren über 2); Offiziere des Beurlaubtenſtandes verbleiben dagegen ſtets im Dienſtverhältniß desjenigen Bundesſtaates, von deſſen Kon- tingentsherrn ſie zum Offizier ernannt worden ſind 3). Dieſer Unterſchied beruht darauf, daß Offiziere der Reſerve und Land- wehr nicht wie die Mannſchaften lediglich ihre geſetzliche Wehr- pflicht als einfache Unterthanenpflicht erfüllen, ſondern daß ſie zu- gleich mit einem militairiſchen Range ausgeſtattet ſind, der ſie zur Handhabung einer militairiſchen obrigkeitlichen Gewalt befähigt. Die Quelle derſelben iſt aber der betreffende Bundes-Staat; die den Offizieren zur Ausübung übertragene Militairgewalt ſteht dem- jenigen Kontingentsherrn zu, von welchem ſie ihre Ernennung er- halten haben. Offiziere des Beurlaubtenſtandes ſtehen in dieſer Hinſicht den Offizieren des activen Friedensſtandes ganz gleich; ſie haben nicht nur eine Dienſtpflicht, ſondern ſie bekleiden zu- gleich auch eine beſtimmte Dienſtſtelle und führen das derſelben entſprechende Kommando; ſie können daher nicht durch bloßen Wechſel des Aufenthalts oder der Niederlaſſung ohne Weiteres in ein anderes Kontingent eintreten, ſondern ſie müſſen, wenn beſon- dere Verhältniſſe einen ſolchen Uebertritt ausnahmsweiſe als zu- 1) Siehe darüber den folgenden Paragraphen unter II. 2. c). 2) W.G. §. 17 Abſ. 3. 3) H.O. II §. 27 Z. 6. Ebenſo bleiben ſie beim Aufenthaltswechſel innerhalb des Gebietes ihres Kontingentsherrn bei demjenigen Truppentheil, in deſſen Offizierkorps ſie in Folge ihrer Beförderung eingetreten ſind, ſolange ſie nicht zu einem andern Truppentheil verſetzt werden.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/218>, abgerufen am 28.04.2024.