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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht.
Heere gehören und die von ihnen zu leistenden Dienste zu den Mi-
litairdiensten gezählt werden können, so sind dieselben doch in einer
so losen Verbindung mit der Organisation des Heeres und der
Marine und bei ihren amtlichen Geschäften ist der spezifisch mili-
tairische Charakter so wenig ausgeprägt, daß die Anwendung der
für Militairpersonen gegebenen besonderen Rechtsvorschriften auf
sie nicht als angemessen, jedenfalls nicht als erforderlich erscheint.

Von den im Militairgesetz enthaltenen besonderen Rechtsregeln
für Militairpersonen findet allein die Bestimmung des § 41 über
die Uebernahme von Vormundschaften auch auf die Civilbeamten der
Mil.Verw. Anwendung. Die Disciplinar-Strafordnung f. das
Heer (resp. f. die Marine) ist auf diese Beamten in keinem Falle
anwendbar, selbst dann nicht, wenn sie einem Militair-Befehlshaber
dienstlich untergeordnet sind 1). Dagegen gilt die Verordnung
v. 6. März 1873 über den Dienstrang und die Behandlung von
Beschwerden (Armee-V.Bl. 1873 S. 63 ff.) auch für die Civilbe-
amten der Mil.- und Marine-Verwaltung. Der Militairgerichts-
barkeit sind diese Beamten nicht unterworfen, ebenso wenig dem
Militairstrafgesetzbuch und der Militairstrafgerichtsordnung. Eine
Ausnahme hiervon kann jedoch in Kriegszeiten eintreten, da wäh-
rend eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges alle
Personen, welche sich in irgend einem Dienst- oder Vertrags-Ver-
hältnisse bei dem kriegführenden Heere befinden, oder sonst sich
bei demselben aufhalten oder ihm folgen, den Vorschriften des
Militair-Strafgesetzb., insbesondere den Kriegsgesetzen unterworfen
sind 2). Sind diese Voraussetzungen vorhanden, so ist zugleich für
diese Personen der Militairgerichtsstand begründet 3). Werden sie

1) In diesem Falle hat zwar der Militair-Vorgesetzte eine Disciplinar-
gewalt, für Ausübung derselben sind aber die §§. 80--83 des Reichsbeamten-
Gesetzes maßgebend. Vgl. das Rescr. des Preuß. Kriegsminist. v. 3. Januar
1875 bei v. Helldorff Th. IV Abth. 6 S. 24 fg.
2) Mil.St.G.B. §. 155. Die Vorschrift ist also nur anwendbar, wenn
der Krieg bereits ausgebrochen ist -- die Mobilmachung des Heeres allein ge-
nügt nicht -- und wenn der Beamte sich bei dem kriegführenden Heere befindet.
Ueber die entsprechenden Voraussetzungen bei der Marine vgl. Mil.St.G.B.
§§. 164--166.
3) Mil.St.Gerichts-Ordn. §. 18 Ziff. 1. Bayer. Mil.Straf-Gerichts-Ordn.
Art. 6.

§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
Heere gehören und die von ihnen zu leiſtenden Dienſte zu den Mi-
litairdienſten gezählt werden können, ſo ſind dieſelben doch in einer
ſo loſen Verbindung mit der Organiſation des Heeres und der
Marine und bei ihren amtlichen Geſchäften iſt der ſpezifiſch mili-
tairiſche Charakter ſo wenig ausgeprägt, daß die Anwendung der
für Militairperſonen gegebenen beſonderen Rechtsvorſchriften auf
ſie nicht als angemeſſen, jedenfalls nicht als erforderlich erſcheint.

Von den im Militairgeſetz enthaltenen beſonderen Rechtsregeln
für Militairperſonen findet allein die Beſtimmung des § 41 über
die Uebernahme von Vormundſchaften auch auf die Civilbeamten der
Mil.Verw. Anwendung. Die Disciplinar-Strafordnung f. das
Heer (reſp. f. die Marine) iſt auf dieſe Beamten in keinem Falle
anwendbar, ſelbſt dann nicht, wenn ſie einem Militair-Befehlshaber
dienſtlich untergeordnet ſind 1). Dagegen gilt die Verordnung
v. 6. März 1873 über den Dienſtrang und die Behandlung von
Beſchwerden (Armee-V.Bl. 1873 S. 63 ff.) auch für die Civilbe-
amten der Mil.- und Marine-Verwaltung. Der Militairgerichts-
barkeit ſind dieſe Beamten nicht unterworfen, ebenſo wenig dem
Militairſtrafgeſetzbuch und der Militairſtrafgerichtsordnung. Eine
Ausnahme hiervon kann jedoch in Kriegszeiten eintreten, da wäh-
rend eines gegen das Deutſche Reich ausgebrochenen Krieges alle
Perſonen, welche ſich in irgend einem Dienſt- oder Vertrags-Ver-
hältniſſe bei dem kriegführenden Heere befinden, oder ſonſt ſich
bei demſelben aufhalten oder ihm folgen, den Vorſchriften des
Militair-Strafgeſetzb., insbeſondere den Kriegsgeſetzen unterworfen
ſind 2). Sind dieſe Vorausſetzungen vorhanden, ſo iſt zugleich für
dieſe Perſonen der Militairgerichtsſtand begründet 3). Werden ſie

1) In dieſem Falle hat zwar der Militair-Vorgeſetzte eine Disciplinar-
gewalt, für Ausübung derſelben ſind aber die §§. 80—83 des Reichsbeamten-
Geſetzes maßgebend. Vgl. das Reſcr. des Preuß. Kriegsminiſt. v. 3. Januar
1875 bei v. Helldorff Th. IV Abth. 6 S. 24 fg.
2) Mil.St.G.B. §. 155. Die Vorſchrift iſt alſo nur anwendbar, wenn
der Krieg bereits ausgebrochen iſt — die Mobilmachung des Heeres allein ge-
nügt nicht — und wenn der Beamte ſich bei dem kriegführenden Heere befindet.
Ueber die entſprechenden Vorausſetzungen bei der Marine vgl. Mil.St.G.B.
§§. 164—166.
3) Mil.St.Gerichts-Ordn. §. 18 Ziff. 1. Bayer. Mil.Straf-Gerichts-Ordn.
Art. 6.
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[251/0261] §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. Heere gehören und die von ihnen zu leiſtenden Dienſte zu den Mi- litairdienſten gezählt werden können, ſo ſind dieſelben doch in einer ſo loſen Verbindung mit der Organiſation des Heeres und der Marine und bei ihren amtlichen Geſchäften iſt der ſpezifiſch mili- tairiſche Charakter ſo wenig ausgeprägt, daß die Anwendung der für Militairperſonen gegebenen beſonderen Rechtsvorſchriften auf ſie nicht als angemeſſen, jedenfalls nicht als erforderlich erſcheint. Von den im Militairgeſetz enthaltenen beſonderen Rechtsregeln für Militairperſonen findet allein die Beſtimmung des § 41 über die Uebernahme von Vormundſchaften auch auf die Civilbeamten der Mil.Verw. Anwendung. Die Disciplinar-Strafordnung f. das Heer (reſp. f. die Marine) iſt auf dieſe Beamten in keinem Falle anwendbar, ſelbſt dann nicht, wenn ſie einem Militair-Befehlshaber dienſtlich untergeordnet ſind 1). Dagegen gilt die Verordnung v. 6. März 1873 über den Dienſtrang und die Behandlung von Beſchwerden (Armee-V.Bl. 1873 S. 63 ff.) auch für die Civilbe- amten der Mil.- und Marine-Verwaltung. Der Militairgerichts- barkeit ſind dieſe Beamten nicht unterworfen, ebenſo wenig dem Militairſtrafgeſetzbuch und der Militairſtrafgerichtsordnung. Eine Ausnahme hiervon kann jedoch in Kriegszeiten eintreten, da wäh- rend eines gegen das Deutſche Reich ausgebrochenen Krieges alle Perſonen, welche ſich in irgend einem Dienſt- oder Vertrags-Ver- hältniſſe bei dem kriegführenden Heere befinden, oder ſonſt ſich bei demſelben aufhalten oder ihm folgen, den Vorſchriften des Militair-Strafgeſetzb., insbeſondere den Kriegsgeſetzen unterworfen ſind 2). Sind dieſe Vorausſetzungen vorhanden, ſo iſt zugleich für dieſe Perſonen der Militairgerichtsſtand begründet 3). Werden ſie 1) In dieſem Falle hat zwar der Militair-Vorgeſetzte eine Disciplinar- gewalt, für Ausübung derſelben ſind aber die §§. 80—83 des Reichsbeamten- Geſetzes maßgebend. Vgl. das Reſcr. des Preuß. Kriegsminiſt. v. 3. Januar 1875 bei v. Helldorff Th. IV Abth. 6 S. 24 fg. 2) Mil.St.G.B. §. 155. Die Vorſchrift iſt alſo nur anwendbar, wenn der Krieg bereits ausgebrochen iſt — die Mobilmachung des Heeres allein ge- nügt nicht — und wenn der Beamte ſich bei dem kriegführenden Heere befindet. Ueber die entſprechenden Vorausſetzungen bei der Marine vgl. Mil.St.G.B. §§. 164—166. 3) Mil.St.Gerichts-Ordn. §. 18 Ziff. 1. Bayer. Mil.Straf-Gerichts-Ordn. Art. 6.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/261>, abgerufen am 28.04.2024.