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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 90. Einfluß d. Militairdienst-Verhältnisses auf and. Rechtsverhältnisse.
die Vollstreckung der gerichtlich erkannten Strafen gegen Militair-
personen. Die letztere ist für die Preußische Armee geregelt durch
das, mittelst Kabin.-Ordre genehmigte, sehr ausführliche Militair-
Strafvollstreckungs-Reglement v. 2. Juli 1873 1), welches eine sehr
bedeutsame und wichtige Ergänzung der Strafgerichts-Ordnung
bildet. Für die Marine ist ein Straf-Vollstreckungs-Reglement
durch Erl. vom 4. April 1876 genehmigt worden.

Die Militairgerichtsbarkeit erstreckt sich auf alle Militairper-
sonen des Friedensstandes und des Beurlaubtenstandes, so lange
dieselben dem aktiven Heere angehören. Insoweit jedoch Personen
des Beurlaubtenstandes auch während der Beurlaubung den Vor-
schriften des Militairstrafgesetzbuchs unterworfen sind 2), unterlie-
gen dieselben in dieser Zeit auch dem Militairgerichtsstand 3). Ist
die strafbare Handlung von der Militairperson vor dem Eintritt
in den Dienst verübt worden, so steht in dem Geltungsbereich der
Preußischen Milit.Strafger.Ordn. die Untersuchung und Abur-
theilung dem Militairgerichte zu, wenn die wahrscheinlich zu er-
wartende Strafe eine dreimonatliche (jetzt sechswöchentliche) Ge-
fängnißstrafe 4) nicht übersteigt, und zwar auch dann, wenn die
Untersuchung bei dem bürgerlichen Gericht bereits eingeleitet, das
Erkenntniß erster Instanz aber dem Angeschuldigten vor dem Ein-
tritt in den Dienststand noch nicht publizirt ist. Ist dagegen eine
längere Freiheitsstrafe zu erwarten oder das Erkenntniß erster In-
stanz vor dem Eintritt in den aktiven Dienst bereits verkündigt,
so ist die Kompetenz des bürgerlichen Gerichtes begründet 5).


1) Dasselbe ist weder durch die Gesetz-Sammlung noch durch das Armee-
Verordnungs-Blatt verkündigt worden, obgleich das zuletzt erwähnte Blatt
zahlreiche Veränderungen und Erläuterungen enthält (!). Auszugsweise abgedruckt
ist es bei v. Helldorff a. a. O. S. 249 ff.
2) Vgl. Mil.Strafgesetzb. §. 6.
3) Preuß. Mil.St.G.O. §. 6. Zur Competenz der Militairgerichte ge-
hören demnach Zuwiderhandlungen der zum Beurlaubtenstande gehörenden
Militairpersonen gegen die §§. 68, 69, 101, 113, 126 des Mil.Straf-Ges.Buchs,
sowie die im §. 42 Abs. 2 daselbst bezeichneten Fälle. Vgl. Verf. des Gener.-
Auditor. v. 25. Sept. 1872. (v. Helldorff a. a. O. S. 77.)
4) Siehe die folgende Note.
5) Preuß. Mil.Str.G.O. §. 9 bis 11. Diese Vorschriften sind
durch das Mil.Straf-Gesetz-B. nicht aufgehoben
. Es wird dies
übereinstimmend vom General-Auditor. in dem Rescr. v. 25. Sept. 1872 und
vom Kriegs-Ministerium im Rescr. v. 8. Januar 1876 anerkannt, dabei jedoch

§. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe.
die Vollſtreckung der gerichtlich erkannten Strafen gegen Militair-
perſonen. Die letztere iſt für die Preußiſche Armee geregelt durch
das, mittelſt Kabin.-Ordre genehmigte, ſehr ausführliche Militair-
Strafvollſtreckungs-Reglement v. 2. Juli 1873 1), welches eine ſehr
bedeutſame und wichtige Ergänzung der Strafgerichts-Ordnung
bildet. Für die Marine iſt ein Straf-Vollſtreckungs-Reglement
durch Erl. vom 4. April 1876 genehmigt worden.

Die Militairgerichtsbarkeit erſtreckt ſich auf alle Militairper-
ſonen des Friedensſtandes und des Beurlaubtenſtandes, ſo lange
dieſelben dem aktiven Heere angehören. Inſoweit jedoch Perſonen
des Beurlaubtenſtandes auch während der Beurlaubung den Vor-
ſchriften des Militairſtrafgeſetzbuchs unterworfen ſind 2), unterlie-
gen dieſelben in dieſer Zeit auch dem Militairgerichtsſtand 3). Iſt
die ſtrafbare Handlung von der Militairperſon vor dem Eintritt
in den Dienſt verübt worden, ſo ſteht in dem Geltungsbereich der
Preußiſchen Milit.Strafger.Ordn. die Unterſuchung und Abur-
theilung dem Militairgerichte zu, wenn die wahrſcheinlich zu er-
wartende Strafe eine dreimonatliche (jetzt ſechswöchentliche) Ge-
fängnißſtrafe 4) nicht überſteigt, und zwar auch dann, wenn die
Unterſuchung bei dem bürgerlichen Gericht bereits eingeleitet, das
Erkenntniß erſter Inſtanz aber dem Angeſchuldigten vor dem Ein-
tritt in den Dienſtſtand noch nicht publizirt iſt. Iſt dagegen eine
längere Freiheitsſtrafe zu erwarten oder das Erkenntniß erſter In-
ſtanz vor dem Eintritt in den aktiven Dienſt bereits verkündigt,
ſo iſt die Kompetenz des bürgerlichen Gerichtes begründet 5).


1) Daſſelbe iſt weder durch die Geſetz-Sammlung noch durch das Armee-
Verordnungs-Blatt verkündigt worden, obgleich das zuletzt erwähnte Blatt
zahlreiche Veränderungen und Erläuterungen enthält (!). Auszugsweiſe abgedruckt
iſt es bei v. Helldorff a. a. O. S. 249 ff.
2) Vgl. Mil.Strafgeſetzb. §. 6.
3) Preuß. Mil.St.G.O. §. 6. Zur Competenz der Militairgerichte ge-
hören demnach Zuwiderhandlungen der zum Beurlaubtenſtande gehörenden
Militairperſonen gegen die §§. 68, 69, 101, 113, 126 des Mil.Straf-Geſ.Buchs,
ſowie die im §. 42 Abſ. 2 daſelbſt bezeichneten Fälle. Vgl. Verf. des Gener.-
Auditor. v. 25. Sept. 1872. (v. Helldorff a. a. O. S. 77.)
4) Siehe die folgende Note.
5) Preuß. Mil.Str.G.O. §. 9 bis 11. Dieſe Vorſchriften ſind
durch das Mil.Straf-Geſetz-B. nicht aufgehoben
. Es wird dies
übereinſtimmend vom General-Auditor. in dem Reſcr. v. 25. Sept. 1872 und
vom Kriegs-Miniſterium im Reſcr. v. 8. Januar 1876 anerkannt, dabei jedoch
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[254/0264] §. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe. die Vollſtreckung der gerichtlich erkannten Strafen gegen Militair- perſonen. Die letztere iſt für die Preußiſche Armee geregelt durch das, mittelſt Kabin.-Ordre genehmigte, ſehr ausführliche Militair- Strafvollſtreckungs-Reglement v. 2. Juli 1873 1), welches eine ſehr bedeutſame und wichtige Ergänzung der Strafgerichts-Ordnung bildet. Für die Marine iſt ein Straf-Vollſtreckungs-Reglement durch Erl. vom 4. April 1876 genehmigt worden. Die Militairgerichtsbarkeit erſtreckt ſich auf alle Militairper- ſonen des Friedensſtandes und des Beurlaubtenſtandes, ſo lange dieſelben dem aktiven Heere angehören. Inſoweit jedoch Perſonen des Beurlaubtenſtandes auch während der Beurlaubung den Vor- ſchriften des Militairſtrafgeſetzbuchs unterworfen ſind 2), unterlie- gen dieſelben in dieſer Zeit auch dem Militairgerichtsſtand 3). Iſt die ſtrafbare Handlung von der Militairperſon vor dem Eintritt in den Dienſt verübt worden, ſo ſteht in dem Geltungsbereich der Preußiſchen Milit.Strafger.Ordn. die Unterſuchung und Abur- theilung dem Militairgerichte zu, wenn die wahrſcheinlich zu er- wartende Strafe eine dreimonatliche (jetzt ſechswöchentliche) Ge- fängnißſtrafe 4) nicht überſteigt, und zwar auch dann, wenn die Unterſuchung bei dem bürgerlichen Gericht bereits eingeleitet, das Erkenntniß erſter Inſtanz aber dem Angeſchuldigten vor dem Ein- tritt in den Dienſtſtand noch nicht publizirt iſt. Iſt dagegen eine längere Freiheitsſtrafe zu erwarten oder das Erkenntniß erſter In- ſtanz vor dem Eintritt in den aktiven Dienſt bereits verkündigt, ſo iſt die Kompetenz des bürgerlichen Gerichtes begründet 5). 1) Daſſelbe iſt weder durch die Geſetz-Sammlung noch durch das Armee- Verordnungs-Blatt verkündigt worden, obgleich das zuletzt erwähnte Blatt zahlreiche Veränderungen und Erläuterungen enthält (!). Auszugsweiſe abgedruckt iſt es bei v. Helldorff a. a. O. S. 249 ff. 2) Vgl. Mil.Strafgeſetzb. §. 6. 3) Preuß. Mil.St.G.O. §. 6. Zur Competenz der Militairgerichte ge- hören demnach Zuwiderhandlungen der zum Beurlaubtenſtande gehörenden Militairperſonen gegen die §§. 68, 69, 101, 113, 126 des Mil.Straf-Geſ.Buchs, ſowie die im §. 42 Abſ. 2 daſelbſt bezeichneten Fälle. Vgl. Verf. des Gener.- Auditor. v. 25. Sept. 1872. (v. Helldorff a. a. O. S. 77.) 4) Siehe die folgende Note. 5) Preuß. Mil.Str.G.O. §. 9 bis 11. Dieſe Vorſchriften ſind durch das Mil.Straf-Geſetz-B. nicht aufgehoben. Es wird dies übereinſtimmend vom General-Auditor. in dem Reſcr. v. 25. Sept. 1872 und vom Kriegs-Miniſterium im Reſcr. v. 8. Januar 1876 anerkannt, dabei jedoch

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/264>, abgerufen am 27.04.2024.