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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 108. Das active Reichsvermögen.
darauf, daß man die Form der Deklaration vermeiden wollte und
doch ein Gesetz mit rückwirkender Kraft erlassen mußte. Das Ge-
setz erklärt in Wirklichkeit nichts Anderes, als daß diejenigen Dis-
positions- und Nutzungsrechte, welche das Reich an dem Inventar
der auf Reichskosten übernommenen Verwaltungen erlangt hat,
als "Eigenthum" zu bezeichnen seien 1). Dies gilt auch von den-
jenigen, unter die Bestimmungen des Gesetzes fallenden Grund-
stücken, an welchen nach der lex rei sitae nur durch Umschreibung
im Grundbuch Eigenthum übergehen kann, gleichviel ob diese Um-
schreibung wirklich erfolgt ist oder nicht. Denn einerseits hat die
Bestimmung des Reichsgesetzes den Vorrang vor allen Landes-
gesetzen, andererseits betrifft das Reichsgesetz vom 25. Mai 1873
nicht die Rechtswirkungen privatrechtlicher Rechtsgeschäfte, sondern
diejenigen eines staatsrechtlichen Vorgangs. Aber wenngleich der
Eigenthumsübergang auf Grund des Reichsgesetzes von der er-
folgten Umschreibung im Grundbuch nicht abhängig ist, so giebt
doch dieses Gesetz dem Reichsfiskus einen Rechtstitel, um die Um-
schreibung der einzelnen Grundstücke bei den Grundbuchsämtern
zu beantragen.

3. Das Gesetz v. 25. Mai 1873 spricht nicht blos von den-
jenigen
Verwaltungen, welche thatsächlich zur Zeit seines Er-
lasses aus Reichsmitteln unterhalten worden sind, sondern es spricht
einen allgemeinen Rechtsgrundsatz aus, welcher in allen Fällen
Geltung hat, in denen die Kosten einer Verwaltung auf die Reichs-
kasse übernommen werden. Würden z. B. die Kosten der Zoll-
verwaltung, sei es im ganzen Reichsgebiet, sei es in einzelnen
Theilen (Elsaß-Lothr.) auf den Reichsetat übernommen, so würde
das Ges. v. 25. Mai 1873 auch auf das Inventar dieser Ver-
waltung in Anwendung kommen.

4. Der Eigenthums-Uebergang betrifft alle dem dienstlichen
Gebrauche der erwähnten Verwaltungen gewidmeten Gegenstände,
ohne Unterschied ob sie beweglich oder unbeweglich sind. Da aber
hinsichtlich der Grundstücke und ihrer Zubehörden mancherlei Zweifel
möglich sind, ob sie unter die Kategorie des Verwaltungsinventars

1) In Wirklichkeit hat das Gesetz dem Reichsfiskus kein neues Recht
gewährt, sondern nur die juristische Qualität der dem Reichsfiskus zustehenden
Rechte declarirt. Vgl. auch die Erklärung des Berichterstatters des Reichs-
tages, Becker (Oldenburg), Stenogr. Ber. 1873 S. 378.
Laband, Reichsstaatsrecht. III. 2. 15

§. 108. Das active Reichsvermögen.
darauf, daß man die Form der Deklaration vermeiden wollte und
doch ein Geſetz mit rückwirkender Kraft erlaſſen mußte. Das Ge-
ſetz erklärt in Wirklichkeit nichts Anderes, als daß diejenigen Dis-
poſitions- und Nutzungsrechte, welche das Reich an dem Inventar
der auf Reichskoſten übernommenen Verwaltungen erlangt hat,
als „Eigenthum“ zu bezeichnen ſeien 1). Dies gilt auch von den-
jenigen, unter die Beſtimmungen des Geſetzes fallenden Grund-
ſtücken, an welchen nach der lex rei sitae nur durch Umſchreibung
im Grundbuch Eigenthum übergehen kann, gleichviel ob dieſe Um-
ſchreibung wirklich erfolgt iſt oder nicht. Denn einerſeits hat die
Beſtimmung des Reichsgeſetzes den Vorrang vor allen Landes-
geſetzen, andererſeits betrifft das Reichsgeſetz vom 25. Mai 1873
nicht die Rechtswirkungen privatrechtlicher Rechtsgeſchäfte, ſondern
diejenigen eines ſtaatsrechtlichen Vorgangs. Aber wenngleich der
Eigenthumsübergang auf Grund des Reichsgeſetzes von der er-
folgten Umſchreibung im Grundbuch nicht abhängig iſt, ſo giebt
doch dieſes Geſetz dem Reichsfiskus einen Rechtstitel, um die Um-
ſchreibung der einzelnen Grundſtücke bei den Grundbuchsämtern
zu beantragen.

3. Das Geſetz v. 25. Mai 1873 ſpricht nicht blos von den-
jenigen
Verwaltungen, welche thatſächlich zur Zeit ſeines Er-
laſſes aus Reichsmitteln unterhalten worden ſind, ſondern es ſpricht
einen allgemeinen Rechtsgrundſatz aus, welcher in allen Fällen
Geltung hat, in denen die Koſten einer Verwaltung auf die Reichs-
kaſſe übernommen werden. Würden z. B. die Koſten der Zoll-
verwaltung, ſei es im ganzen Reichsgebiet, ſei es in einzelnen
Theilen (Elſaß-Lothr.) auf den Reichsetat übernommen, ſo würde
das Geſ. v. 25. Mai 1873 auch auf das Inventar dieſer Ver-
waltung in Anwendung kommen.

4. Der Eigenthums-Uebergang betrifft alle dem dienſtlichen
Gebrauche der erwähnten Verwaltungen gewidmeten Gegenſtände,
ohne Unterſchied ob ſie beweglich oder unbeweglich ſind. Da aber
hinſichtlich der Grundſtücke und ihrer Zubehörden mancherlei Zweifel
möglich ſind, ob ſie unter die Kategorie des Verwaltungsinventars

1) In Wirklichkeit hat das Geſetz dem Reichsfiskus kein neues Recht
gewährt, ſondern nur die juriſtiſche Qualität der dem Reichsfiskus zuſtehenden
Rechte declarirt. Vgl. auch die Erklärung des Berichterſtatters des Reichs-
tages, Becker (Oldenburg), Stenogr. Ber. 1873 S. 378.
Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 15
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[225/0235] §. 108. Das active Reichsvermögen. darauf, daß man die Form der Deklaration vermeiden wollte und doch ein Geſetz mit rückwirkender Kraft erlaſſen mußte. Das Ge- ſetz erklärt in Wirklichkeit nichts Anderes, als daß diejenigen Dis- poſitions- und Nutzungsrechte, welche das Reich an dem Inventar der auf Reichskoſten übernommenen Verwaltungen erlangt hat, als „Eigenthum“ zu bezeichnen ſeien 1). Dies gilt auch von den- jenigen, unter die Beſtimmungen des Geſetzes fallenden Grund- ſtücken, an welchen nach der lex rei sitae nur durch Umſchreibung im Grundbuch Eigenthum übergehen kann, gleichviel ob dieſe Um- ſchreibung wirklich erfolgt iſt oder nicht. Denn einerſeits hat die Beſtimmung des Reichsgeſetzes den Vorrang vor allen Landes- geſetzen, andererſeits betrifft das Reichsgeſetz vom 25. Mai 1873 nicht die Rechtswirkungen privatrechtlicher Rechtsgeſchäfte, ſondern diejenigen eines ſtaatsrechtlichen Vorgangs. Aber wenngleich der Eigenthumsübergang auf Grund des Reichsgeſetzes von der er- folgten Umſchreibung im Grundbuch nicht abhängig iſt, ſo giebt doch dieſes Geſetz dem Reichsfiskus einen Rechtstitel, um die Um- ſchreibung der einzelnen Grundſtücke bei den Grundbuchsämtern zu beantragen. 3. Das Geſetz v. 25. Mai 1873 ſpricht nicht blos von den- jenigen Verwaltungen, welche thatſächlich zur Zeit ſeines Er- laſſes aus Reichsmitteln unterhalten worden ſind, ſondern es ſpricht einen allgemeinen Rechtsgrundſatz aus, welcher in allen Fällen Geltung hat, in denen die Koſten einer Verwaltung auf die Reichs- kaſſe übernommen werden. Würden z. B. die Koſten der Zoll- verwaltung, ſei es im ganzen Reichsgebiet, ſei es in einzelnen Theilen (Elſaß-Lothr.) auf den Reichsetat übernommen, ſo würde das Geſ. v. 25. Mai 1873 auch auf das Inventar dieſer Ver- waltung in Anwendung kommen. 4. Der Eigenthums-Uebergang betrifft alle dem dienſtlichen Gebrauche der erwähnten Verwaltungen gewidmeten Gegenſtände, ohne Unterſchied ob ſie beweglich oder unbeweglich ſind. Da aber hinſichtlich der Grundſtücke und ihrer Zubehörden mancherlei Zweifel möglich ſind, ob ſie unter die Kategorie des Verwaltungsinventars 1) In Wirklichkeit hat das Geſetz dem Reichsfiskus kein neues Recht gewährt, ſondern nur die juriſtiſche Qualität der dem Reichsfiskus zuſtehenden Rechte declarirt. Vgl. auch die Erklärung des Berichterſtatters des Reichs- tages, Becker (Oldenburg), Stenogr. Ber. 1873 S. 378. Laband, Reichsſtaatsrecht. III. 2. 15

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/235>, abgerufen am 29.03.2024.