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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Gesetzgebung etc.
mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtig
geregelt in folgenden Gesetzen:

1. Das Zollgesetz v. 1. Juli 1869 1). Dasselbe ist eine
umfassende Kodifikation des Zollverwaltungsrechts und des Zoll-
strafrechts, und ist an die Stelle der im ehemaligen Zollverein
im Jahre 1836 vereinbarten Satzungen, nämlich des Zollgesetzes,
der Zollordnung und der "Grundsätze, betreffend das Zollstraf-
gesetz", getreten. Das Zollgesetz ist streng genommen kein Reichs-
gesetz
. Es ist im Zollverein nach Maßgabe des Vertrages vom
8. Juli 1867 vereinbart worden und demgemäß zur Entstehung
gekommen als ein gleichlautendes Gesetz der fünf zum Zollverein
verbundenen Staaten d. h. des Norddeutschen Bundes, Bayerns,
Württemberg's, Badens und Hessen's; bei der Gründung des
deutschen Reiches ist es nicht unter den Gesetzen des
Norddeutschen Bundes, welche zu Reichsgesetzen
erklärt worden sind, mit aufgeführt worden
2); dem-
nach ist keine Veränderung hinsichtlich des Rechtsgrundes seiner
Geltung eingetreten. Allein praktisch ist dies in Betreff der Gesetz-
gebungs-Befugniß unerheblich; denn da den Einzelstaaten die Be-
fugniß zur Gesetzgebung in Zollsachen gänzlich entzogen ist, so
sind sie außer Stande, an dem Vereinszollgesetz irgend eine Ver-
änderung vorzunehmen, und es ist mithin die gleichmäßige Geltung
des Zollgesetzes im Reichsgebiete ebenso gesichert, als wäre es
ausdrücklich zum Reichsgesetz erklärt worden 3).


1) Bundes-Gesetzbl. 1869 S. 317--369. Denkschrift zu dem Entw. des
Gesetzes in den Aktenstücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu
Hirth's Annalen 1869 S. 511 ff. v. Aufseß ebendas. 1880 S. 650.
2) Vgl. Art. 80 der mit Baden und Hessen vereinbarten Verfassung
(B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfassungsvertrag III. §. 8 (R.G.Bl. 1871
S. 21). Reichsges. v. 16. April 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth-
lich empfand man kein praktisches Bedürfniß, ein Gesetz, welches im ganzen
Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung stand, als Reichsgesetz einzuführen.
3) Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der
Interpretation derjenigen Gesetzesvorschriften führen, welche sich auf "Reichs-
gesetze" beziehen. Es gilt dies besonders von der Bestimmung des Art. 5 des
Einführungs-Gesetzes zur Strafproz.Ordn.: "Die prozeßrechtlichen Vorschriften
der Reichsgesetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt." Man
wollte damit gerade auch gewisse Bestimmungen der Zoll- und Steuergesetze
aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war sich wol kaum be-
wußt, daß diese Gesetze gar keine "Reichsgesetze" sind.

§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc.
mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtig
geregelt in folgenden Geſetzen:

1. Das Zollgeſetz v. 1. Juli 1869 1). Daſſelbe iſt eine
umfaſſende Kodifikation des Zollverwaltungsrechts und des Zoll-
ſtrafrechts, und iſt an die Stelle der im ehemaligen Zollverein
im Jahre 1836 vereinbarten Satzungen, nämlich des Zollgeſetzes,
der Zollordnung und der „Grundſätze, betreffend das Zollſtraf-
geſetz“, getreten. Das Zollgeſetz iſt ſtreng genommen kein Reichs-
geſetz
. Es iſt im Zollverein nach Maßgabe des Vertrages vom
8. Juli 1867 vereinbart worden und demgemäß zur Entſtehung
gekommen als ein gleichlautendes Geſetz der fünf zum Zollverein
verbundenen Staaten d. h. des Norddeutſchen Bundes, Bayerns,
Württemberg’s, Badens und Heſſen’s; bei der Gründung des
deutſchen Reiches iſt es nicht unter den Geſetzen des
Norddeutſchen Bundes, welche zu Reichsgeſetzen
erklärt worden ſind, mit aufgeführt worden
2); dem-
nach iſt keine Veränderung hinſichtlich des Rechtsgrundes ſeiner
Geltung eingetreten. Allein praktiſch iſt dies in Betreff der Geſetz-
gebungs-Befugniß unerheblich; denn da den Einzelſtaaten die Be-
fugniß zur Geſetzgebung in Zollſachen gänzlich entzogen iſt, ſo
ſind ſie außer Stande, an dem Vereinszollgeſetz irgend eine Ver-
änderung vorzunehmen, und es iſt mithin die gleichmäßige Geltung
des Zollgeſetzes im Reichsgebiete ebenſo geſichert, als wäre es
ausdrücklich zum Reichsgeſetz erklärt worden 3).


1) Bundes-Geſetzbl. 1869 S. 317—369. Denkſchrift zu dem Entw. des
Geſetzes in den Aktenſtücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu
Hirth’s Annalen 1869 S. 511 ff. v. Aufſeß ebendaſ. 1880 S. 650.
2) Vgl. Art. 80 der mit Baden und Heſſen vereinbarten Verfaſſung
(B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfaſſungsvertrag III. §. 8 (R.G.Bl. 1871
S. 21). Reichsgeſ. v. 16. April 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth-
lich empfand man kein praktiſches Bedürfniß, ein Geſetz, welches im ganzen
Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung ſtand, als Reichsgeſetz einzuführen.
3) Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der
Interpretation derjenigen Geſetzesvorſchriften führen, welche ſich auf „Reichs-
geſetze“ beziehen. Es gilt dies beſonders von der Beſtimmung des Art. 5 des
Einführungs-Geſetzes zur Strafproz.Ordn.: „Die prozeßrechtlichen Vorſchriften
der Reichsgeſetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt.“ Man
wollte damit gerade auch gewiſſe Beſtimmungen der Zoll- und Steuergeſetze
aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war ſich wol kaum be-
wußt, daß dieſe Geſetze gar keine „Reichsgeſetze“ ſind.
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[270/0280] §. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc. mungen des Zollvereins-Vertrages vom 8. Juli 1867, gegenwärtig geregelt in folgenden Geſetzen: 1. Das Zollgeſetz v. 1. Juli 1869 1). Daſſelbe iſt eine umfaſſende Kodifikation des Zollverwaltungsrechts und des Zoll- ſtrafrechts, und iſt an die Stelle der im ehemaligen Zollverein im Jahre 1836 vereinbarten Satzungen, nämlich des Zollgeſetzes, der Zollordnung und der „Grundſätze, betreffend das Zollſtraf- geſetz“, getreten. Das Zollgeſetz iſt ſtreng genommen kein Reichs- geſetz. Es iſt im Zollverein nach Maßgabe des Vertrages vom 8. Juli 1867 vereinbart worden und demgemäß zur Entſtehung gekommen als ein gleichlautendes Geſetz der fünf zum Zollverein verbundenen Staaten d. h. des Norddeutſchen Bundes, Bayerns, Württemberg’s, Badens und Heſſen’s; bei der Gründung des deutſchen Reiches iſt es nicht unter den Geſetzen des Norddeutſchen Bundes, welche zu Reichsgeſetzen erklärt worden ſind, mit aufgeführt worden 2); dem- nach iſt keine Veränderung hinſichtlich des Rechtsgrundes ſeiner Geltung eingetreten. Allein praktiſch iſt dies in Betreff der Geſetz- gebungs-Befugniß unerheblich; denn da den Einzelſtaaten die Be- fugniß zur Geſetzgebung in Zollſachen gänzlich entzogen iſt, ſo ſind ſie außer Stande, an dem Vereinszollgeſetz irgend eine Ver- änderung vorzunehmen, und es iſt mithin die gleichmäßige Geltung des Zollgeſetzes im Reichsgebiete ebenſo geſichert, als wäre es ausdrücklich zum Reichsgeſetz erklärt worden 3). 1) Bundes-Geſetzbl. 1869 S. 317—369. Denkſchrift zu dem Entw. des Geſetzes in den Aktenſtücken des Zollparlaments 1869 Nr. 4. Vgl. hierzu Hirth’s Annalen 1869 S. 511 ff. v. Aufſeß ebendaſ. 1880 S. 650. 2) Vgl. Art. 80 der mit Baden und Heſſen vereinbarten Verfaſſung (B.G.Bl. 1870 S. 647). Bayer. Verfaſſungsvertrag III. §. 8 (R.G.Bl. 1871 S. 21). Reichsgeſ. v. 16. April 1871 §. 2 (R.G.Bl. S. 63). Vermuth- lich empfand man kein praktiſches Bedürfniß, ein Geſetz, welches im ganzen Reichsgebiet gleichmäßig in Geltung ſtand, als Reichsgeſetz einzuführen. 3) Dagegen kann der angeregte Punkt zu großen Schwierigkeiten bei der Interpretation derjenigen Geſetzesvorſchriften führen, welche ſich auf „Reichs- geſetze“ beziehen. Es gilt dies beſonders von der Beſtimmung des Art. 5 des Einführungs-Geſetzes zur Strafproz.Ordn.: „Die prozeßrechtlichen Vorſchriften der Reichsgeſetze werden durch die Strafprozeßordnung nicht berührt.“ Man wollte damit gerade auch gewiſſe Beſtimmungen der Zoll- und Steuergeſetze aus der Zeit des Zollvereins in Geltung erhalten und war ſich wol kaum be- wußt, daß dieſe Geſetze gar keine „Reichsgeſetze“ ſind.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/280>, abgerufen am 18.04.2024.