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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Eckewart die Burgunden warnt, und ihnen sagt: man ist
u hie gehaz
. Der Verfasser las also oder beachtete we-
nigstens nicht, daß späterhin angenommen wird, es sei ih-
nen davon noch nichts bekannt. Dietrichen, heißt es (Z.
6911 ff.), war ihre Reise leid;
Er wand' ez wiste Rüdger, daz erz in hete geseit.
Er fragt:
ist u daz niht bekant?
Kriemhilt noch sere weinet den helt von Nibelunge-
lant.

worauf Günther antwortet:
Wie sol ich mich behüten? sprach der kunic her.
Etzel uns boten sande, (wes sol ich fragen mer?)
Daz wir zuz' im solden riten her inz lant;
Ouch hat uns menigu moere min swester Kriemhilt ge-
sant.

Darauf erst sagt Dieterich Günthern und Gernoten heimlich
die Sache genauer.

10.

An die zuletzt bemerkten Widersprüche mögen sich nun
noch ein Paar andere anschließen, und zwar zuerst die
Stelle, wo Kriemhild den Boten besonders aufträgt ihre
Brüder und Hagen von ihr zu grüßen und einzuladen
(Z. 5652. 5666 -- 5696). Damit übereinstimmend heißt es
in einer eben angeführten Zeile:
Ouch hat uns menigu moere min swester Kriemhilt ge-
sant.

Hingegen in dem nächstfolgenden Liede (denn als verschie-

Eckewart die Burgunden warnt, und ihnen ſagt: man iſt
u̓ hie gehaz
. Der Verfaſſer las alſo oder beachtete we-
nigſtens nicht, daß ſpäterhin angenommen wird, es ſei ih-
nen davon noch nichts bekannt. Dietrichen, heißt es (Z.
6911 ff.), war ihre Reiſe leid;
Er wand’ ez wiſte Rüdger, daz erz in hete geſeit.
Er fragt:
iſt u̓ daz niht bekant?
Kriemhilt noch ſere weinet den helt von Nibelunge-
lant.

worauf Günther antwortet:
Wie ſol ich mich behüten? ſprach der ku̓nic her.
Etzel uns boten ſande, (wes ſol ich fragen mer?)
Daz wir zůz’ im ſolden riten her inz lant;
Oͧch hat uns menigu̓ mœre min ſweſter Kriemhilt ge-
ſant.

Darauf erſt ſagt Dieterich Günthern und Gernoten heimlich
die Sache genauer.

10.

An die zuletzt bemerkten Widerſprüche mögen ſich nun
noch ein Paar andere anſchließen, und zwar zuerſt die
Stelle, wo Kriemhild den Boten beſonders aufträgt ihre
Brüder und Hagen von ihr zu grüßen und einzuladen
(Z. 5652. 5666 — 5696). Damit übereinſtimmend heißt es
in einer eben angeführten Zeile:
Oͧch hat uns menigu̓ mœre min ſweſter Kriemhilt ge-
ſant.

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[27/0035] Eckewart die Burgunden warnt, und ihnen ſagt: man iſt u̓ hie gehaz. Der Verfaſſer las alſo oder beachtete we- nigſtens nicht, daß ſpäterhin angenommen wird, es ſei ih- nen davon noch nichts bekannt. Dietrichen, heißt es (Z. 6911 ff.), war ihre Reiſe leid; Er wand’ ez wiſte Rüdger, daz erz in hete geſeit. Er fragt: iſt u̓ daz niht bekant? Kriemhilt noch ſere weinet den helt von Nibelunge- lant. worauf Günther antwortet: Wie ſol ich mich behüten? ſprach der ku̓nic her. Etzel uns boten ſande, (wes ſol ich fragen mer?) Daz wir zůz’ im ſolden riten her inz lant; Oͧch hat uns menigu̓ mœre min ſweſter Kriemhilt ge- ſant. Darauf erſt ſagt Dieterich Günthern und Gernoten heimlich die Sache genauer. 10. An die zuletzt bemerkten Widerſprüche mögen ſich nun noch ein Paar andere anſchließen, und zwar zuerſt die Stelle, wo Kriemhild den Boten beſonders aufträgt ihre Brüder und Hagen von ihr zu grüßen und einzuladen (Z. 5652. 5666 — 5696). Damit übereinſtimmend heißt es in einer eben angeführten Zeile: Oͧch hat uns menigu̓ mœre min ſweſter Kriemhilt ge- ſant. Hingegen in dem nächſtfolgenden Liede (denn als verſchie-

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/35>, abgerufen am 29.03.2024.