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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Kritiker nur wenig zuzusetzen 58) und zu ändern nöthig
hielt, sehr vieles wird müssen zugeschrieben werden.

Die bedeutendste Änderung war denn wohl die, daß
er höchstwahrscheinlich aus zwei Liedern eins machte, und,
wie man eben daraus, daß wir es noch zu erkennen im
Stande sind, schließen kann, bei der Verbindung ein we-
nig ungeschickt verfuhr. Wir erkennen es aber daran, daß
man nach der jetzigen. Darstellung zu der Meinung ver-
führt wird, daß Siegfrieds Reise nach Burgund seine erste
Ausfahrt gewesen, einer Meinung, die mit dem ganzen
Mythus unvereinbar streiten würde. Das eine Lied, mit
dem Anfange (Z. 93):
In sinen besten ziten, bi sinen jungen tagen
Man mohte michel wunder von Siveride sagen etc.

enthielt die Beschreibung der Feierlichkeiten bei Siegfrieds
Schwertnahme, bis auf den Punkt, wo er sich weigert, bei
seines Vaters Leben die Krone zu tragen (bis Z. 180). In
diesem Liede erstrecken sich die Andeutungen der Zukunft
nur bis auf sein reiferes Alter, wo ihn die Weiber liebten
und seines Vaters Lande mit seinen Tugenden geziert wur-
den (Z. 96. 98). Die oben angezeigten weiteren Bezie-
hungen finden sich dagegen in dem anderen Liede, worin
nach einer kurzen Erzählung von Siegfrieds Ältern und
Wohnort vorbedeutend gesagt wird (Z. 88):
Durch sines libes sterke er reit in menigu lant;
Hei, waz er sneller degene sit zen Burgonden vant!

An diese Einleitung schließt sich der Bericht von seiner
Fahrt nach Burgund (Z. 185):
Den herren müten selten deheinu herzenleit,
Er horte sagen moere, wie ein schönu meit

Kritiker nur wenig zuzuſetzen 58) und zu ändern nöthig
hielt, ſehr vieles wird müſſen zugeſchrieben werden.

Die bedeutendſte Änderung war denn wohl die, daß
er höchſtwahrſcheinlich aus zwei Liedern eins machte, und,
wie man eben daraus, daß wir es noch zu erkennen im
Stande ſind, ſchließen kann, bei der Verbindung ein we-
nig ungeſchickt verfuhr. Wir erkennen es aber daran, daß
man nach der jetzigen. Darſtellung zu der Meinung ver-
führt wird, daß Siegfrieds Reiſe nach Burgund ſeine erſte
Ausfahrt geweſen, einer Meinung, die mit dem ganzen
Mythus unvereinbar ſtreiten würde. Das eine Lied, mit
dem Anfange (Z. 93):
In ſinen beſten ziten, bi ſinen jungen tagen
Man mohte michel wunder von Siveride ſagen ꝛc.

enthielt die Beſchreibung der Feierlichkeiten bei Siegfrieds
Schwertnahme, bis auf den Punkt, wo er ſich weigert, bei
ſeines Vaters Leben die Krone zu tragen (bis Z. 180). In
dieſem Liede erſtrecken ſich die Andeutungen der Zukunft
nur bis auf ſein reiferes Alter, wo ihn die Weiber liebten
und ſeines Vaters Lande mit ſeinen Tugenden geziert wur-
den (Z. 96. 98). Die oben angezeigten weiteren Bezie-
hungen finden ſich dagegen in dem anderen Liede, worin
nach einer kurzen Erzählung von Siegfrieds Ältern und
Wohnort vorbedeutend geſagt wird (Z. 88):
Durch ſines libes ſterke er reit in menigu̓ lant;
Hei, waz er ſneller degene ſit zen Burgonden vant!

An dieſe Einleitung ſchließt ſich der Bericht von ſeiner
Fahrt nach Burgund (Z. 185):
Den herren müten ſelten deheinu̓ herzenleit,
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[72/0080] Kritiker nur wenig zuzuſetzen ⁵⁸⁾ und zu ändern nöthig hielt, ſehr vieles wird müſſen zugeſchrieben werden. Die bedeutendſte Änderung war denn wohl die, daß er höchſtwahrſcheinlich aus zwei Liedern eins machte, und, wie man eben daraus, daß wir es noch zu erkennen im Stande ſind, ſchließen kann, bei der Verbindung ein we- nig ungeſchickt verfuhr. Wir erkennen es aber daran, daß man nach der jetzigen. Darſtellung zu der Meinung ver- führt wird, daß Siegfrieds Reiſe nach Burgund ſeine erſte Ausfahrt geweſen, einer Meinung, die mit dem ganzen Mythus unvereinbar ſtreiten würde. Das eine Lied, mit dem Anfange (Z. 93): In ſinen beſten ziten, bi ſinen jungen tagen Man mohte michel wunder von Siveride ſagen ꝛc. enthielt die Beſchreibung der Feierlichkeiten bei Siegfrieds Schwertnahme, bis auf den Punkt, wo er ſich weigert, bei ſeines Vaters Leben die Krone zu tragen (bis Z. 180). In dieſem Liede erſtrecken ſich die Andeutungen der Zukunft nur bis auf ſein reiferes Alter, wo ihn die Weiber liebten und ſeines Vaters Lande mit ſeinen Tugenden geziert wur- den (Z. 96. 98). Die oben angezeigten weiteren Bezie- hungen finden ſich dagegen in dem anderen Liede, worin nach einer kurzen Erzählung von Siegfrieds Ältern und Wohnort vorbedeutend geſagt wird (Z. 88): Durch ſines libes ſterke er reit in menigu̓ lant; Hei, waz er ſneller degene ſit zen Burgonden vant! An dieſe Einleitung ſchließt ſich der Bericht von ſeiner Fahrt nach Burgund (Z. 185): Den herren müten ſelten deheinu̓ herzenleit, Er horte ſagen mœre, wie ein ſchönu̓ meit

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/80>, abgerufen am 24.04.2024.