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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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wird, eingeschoben. Nach dieser eingeschalteten Erzählung
ritt Siegfried mit Günther und Hagen: hernach (Z. 3728)
kommt auch Siegfried auf den Wert, und das wird dem
Könige gemeldet. In dem ausgezeichneten Stücke wird er-
zählt, daß auf Brünhildens Rath Siegfrieden das Leben an
einem Brunnen genommen, Giselher und Gernot aber nicht
mit auf die Jagd gegangen seien. Von Kriemhilden heißt
es (Z. 3716):
Sine gesach in leider darnach nimmer mer gesunt.
Ferner folgen noch ein Paar Strophen, die in der Hohen-
emser Handschrift fehlen (Z. 3773 -- 3776. 3793 -- 3796),
dann noch einige (Z. 3817 -- 3840), die sich durch weitläuf-
tige Beschreibungen und dabei durch Anreden an die Zu-
hörer auszeichnen. So oft in dem Folgenden die Untreue
Hagens und Günthers getadelt wird, glaube ich einge-
fügte Strophen zu bemerken (Z. 3869 -- 3872. 3877 --
3884. 3893 -- 3900. 3937 -- 3940). Zweimahl (Z. 3869. 3885.)
stören sie den Zusammenhang; das drittemahl (Z. 3893 ff.)
enthalten sie fast nur müssige Wiederhohlungen; zuletzt ist
nach der 3936 Zeile, in der vermuthlich ursprünglich stand,
daß Hagen Siegfrieden schoß, nun in der folgenden Strophe
sehr unpassend die weitere Ausführung im Bezug auf eine
frühere Erzählung eingefügt, Hagen habe ihn durch ein
Kreuz am Gewande geschossen. Einmahl scheint es fast,
als wenn sie noch immer (wie Z. 3917) ohne Kleider in
weißen Hemden gewesen; und wenn sie sich auch etwa
wieder angekleidet hatten, wie denn nachher (Z. 4037)
Siegfrieds Kleid von Blut ganz naß war, und man end-
lich (Z. 4118) seinen schönen Leib aus den Kleidern ziehen
mußte: so hatte ja Kriemhild das verborgene Kreuz (Z.
3629) in das Kleid genäht, das er auf der Scheinheerfahrt
trug, auf welcher es sich auch Hagen (Z. 3644 f.) genau

wird, eingeſchoben. Nach dieſer eingeſchalteten Erzählung
ritt Siegfried mit Günther und Hagen: hernach (Z. 3728)
kommt auch Siegfried auf den Wert, und das wird dem
Könige gemeldet. In dem ausgezeichneten Stücke wird er-
zählt, daß auf Brünhildens Rath Siegfrieden das Leben an
einem Brunnen genommen, Giſelher und Gernot aber nicht
mit auf die Jagd gegangen ſeien. Von Kriemhilden heißt
es (Z. 3716):
Sine geſach in leider darnach nimmer mer geſunt.
Ferner folgen noch ein Paar Strophen, die in der Hohen-
emſer Handſchrift fehlen (Z. 3773 — 3776. 3793 — 3796),
dann noch einige (Z. 3817 — 3840), die ſich durch weitläuf-
tige Beſchreibungen und dabei durch Anreden an die Zu-
hörer auszeichnen. So oft in dem Folgenden die Untreue
Hagens und Günthers getadelt wird, glaube ich einge-
fügte Strophen zu bemerken (Z. 3869 — 3872. 3877 —
3884. 3893 — 3900. 3937 — 3940). Zweimahl (Z. 3869. 3885.)
ſtören ſie den Zuſammenhang; das drittemahl (Z. 3893 ff.)
enthalten ſie faſt nur müſſige Wiederhohlungen; zuletzt iſt
nach der 3936 Zeile, in der vermuthlich urſprünglich ſtand,
daß Hagen Siegfrieden ſchoß, nun in der folgenden Strophe
ſehr unpaſſend die weitere Ausführung im Bezug auf eine
frühere Erzählung eingefügt, Hagen habe ihn durch ein
Kreuz am Gewande geſchoſſen. Einmahl ſcheint es faſt,
als wenn ſie noch immer (wie Z. 3917) ohne Kleider in
weißen Hemden geweſen; und wenn ſie ſich auch etwa
wieder angekleidet hatten, wie denn nachher (Z. 4037)
Siegfrieds Kleid von Blut ganz naß war, und man end-
lich (Z. 4118) ſeinen ſchönen Leib aus den Kleidern ziehen
mußte: ſo hatte ja Kriemhild das verborgene Kreuz (Z.
3629) in das Kleid genäht, das er auf der Scheinheerfahrt
trug, auf welcher es ſich auch Hagen (Z. 3644 f.) genau

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[82/0090] wird, eingeſchoben. Nach dieſer eingeſchalteten Erzählung ritt Siegfried mit Günther und Hagen: hernach (Z. 3728) kommt auch Siegfried auf den Wert, und das wird dem Könige gemeldet. In dem ausgezeichneten Stücke wird er- zählt, daß auf Brünhildens Rath Siegfrieden das Leben an einem Brunnen genommen, Giſelher und Gernot aber nicht mit auf die Jagd gegangen ſeien. Von Kriemhilden heißt es (Z. 3716): Sine geſach in leider darnach nimmer mer geſunt. Ferner folgen noch ein Paar Strophen, die in der Hohen- emſer Handſchrift fehlen (Z. 3773 — 3776. 3793 — 3796), dann noch einige (Z. 3817 — 3840), die ſich durch weitläuf- tige Beſchreibungen und dabei durch Anreden an die Zu- hörer auszeichnen. So oft in dem Folgenden die Untreue Hagens und Günthers getadelt wird, glaube ich einge- fügte Strophen zu bemerken (Z. 3869 — 3872. 3877 — 3884. 3893 — 3900. 3937 — 3940). Zweimahl (Z. 3869. 3885.) ſtören ſie den Zuſammenhang; das drittemahl (Z. 3893 ff.) enthalten ſie faſt nur müſſige Wiederhohlungen; zuletzt iſt nach der 3936 Zeile, in der vermuthlich urſprünglich ſtand, daß Hagen Siegfrieden ſchoß, nun in der folgenden Strophe ſehr unpaſſend die weitere Ausführung im Bezug auf eine frühere Erzählung eingefügt, Hagen habe ihn durch ein Kreuz am Gewande geſchoſſen. Einmahl ſcheint es faſt, als wenn ſie noch immer (wie Z. 3917) ohne Kleider in weißen Hemden geweſen; und wenn ſie ſich auch etwa wieder angekleidet hatten, wie denn nachher (Z. 4037) Siegfrieds Kleid von Blut ganz naß war, und man end- lich (Z. 4118) ſeinen ſchönen Leib aus den Kleidern ziehen mußte: ſo hatte ja Kriemhild das verborgene Kreuz (Z. 3629) in das Kleid genäht, das er auf der Scheinheerfahrt trug, auf welcher es ſich auch Hagen (Z. 3644 f.) genau

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/90>, abgerufen am 29.03.2024.