[Spaltenumbruch]die aber geistlich sind (oi kata pneuma, die durch den Heiligen Geist, der den Tod und die Auferstehung Christi in ihnen verkläret, aufer- wecket und zum geistlichen Leben gelanget sind, nach c. 6, 4. 8, 2.) die sind geistlich gesinnet (die beweisen solches ihr geistliches Leben damit, daß sie sich von dem Heiligen Geiste beherrschen und regieren, auch ihr Tichten und Trachten geistlich seyn lassen, dieses auch mit ihrem Wan- del an den Früchten des Geistes darthun; die sinds, die in der Ordnung stehen, in welcher sie des in der Busse und Rechtfertigung empfange- nen Guts theilhaftig bleiben.)
Anmerckung.
Das Verbum phronein gehet zugleich auf den Verstand und Willen, wie auch das No- men phronema: daher es auch Lutherus gar recht übersetzet hat durch gesinnet seyn, durch den Sinn, nemlich des Fleisches und des Geistes. Man erkennet daraus, wie beyde Seelen-Kräf- te, Verstand und Wille, zusammen entweder verderbt und verkehrt, oder rectificiret sind: wie denn eine ohne die andere weder verkehret, noch bekehret wird.
V. 6.
Aber (Gr. denn) fleischlich gesinnet seyn ist der Tod) ist ein Zeichen des geistlichen Todes und führet durch den zeitlichen zum ewi- gen Tode: und können also fleischlich gesinnete, so lange sie solche bleiben, sich des Versöhnungs- Todes Christi zum ewigen Leben nicht getrösten Röm. 6, 21. Gal. 6, 8. Jac. 1, 15.) und geist- lich gesinnet seyn ist Leben (ein Erweis des geistlichen Lebens, und die Ordnung, in welcher man das Gnaden-Geschenck der Gerechtigkeit, und das Geheimniß des Glau- bens zum ewigen Leben besitzet und bewah- ret) und Friede (ist mit der Empfindung des Friedens mit und in GOtt, dabey sich auch die geistliche Freude zu finden pfleget, verknüpfet; unterhält auch solche vergnügliche Seelen-Ruhe; da sie hingegen bey dem fleischlichen Sinne sich nicht findet, oder, wo dieser aufsteiget, und zur Herrschaft kömmt, wieder zerstöret und in lauter Unruhe verwandelt wird.
Anmerckung.
Jst der Sinn des Geistes, oder geistlich gesinnet seyn, Leben und Friede, so ist hinge- gen fleischlich gesinnet seyn nicht allein der Tod, sondern auch lauter Unfriede, und zwar schon in diesem Leben. Jst aber dieses, so hat es ein Gottseliger nicht allein in jenem, sondern auch bereits in diesem Leben, viel besser, als ein Gottloser, und wird es diesem schwerer und sau- rer verdammt, als jenem, selig zu werden. Wer wolte nun nicht auch dieser wegen den Dienst GOttes vor dem Dienst der Sünde erwehlen?
V. 7. 8.
Denn (damit ihr desto mehr erkennen mö- get, daß ein fleischlicher Sinn unmöglich bey der Heils-Ordnung unter der Gnade GOttes beste- hen könne, so sage ich euch, daß (fleischlich ge- [Spaltenumbruch]
sinnet seyn ist eine Feindschaft wider GOtt (und also nicht allein ein Abfall von GOtt, son- dern auch eine Rebellion wider GOTT, damit man die schwere Sünde der beleidigten göttli- chen Majestät begehet) sintemal es dem Ge- setze GOttes nicht unterthan ist (ja, so gar dem Gesetz zum Gehorsam sich nicht unterwirft, daß er sich demselben noch dazu feindselig wider- setzet: wie denn die Sünde überhaupt eine sol- che von Johanne 1. Ep. 3, 4. benennete a[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]nomia, Abweichung vom Gesetze ist, welche auch eine rechte antinomian, Widersetzung gegen dasselbe in sich hält) und es vermag es auch nicht (es fehlet nicht allein an dem actu, an dem wirckli- chen Gehorsam, sondern auch an der potentia, an dem Vermögen: Hingegen das Vermögen zur Widerspenstigkeit ist da. Siehe auch 1 Cor. 2, 4. alwo dem natürlichen oder unbekehrten Men- schen nicht allein der actus, sondern auch die po- tentia oder das Vermögen geistliche Dinge recht zu erkennen, abgesprochen wird. Welches ih- nen aber so viel weniger zur Entschuldigung die- net, so viel nachdrücklicher ihnen das göttliche Geschencke der Gnaden-Kräfte angepriesen wird.) V. 8. Die aber fleischlich sind, mö- gen GOtt nicht gefallen (wenn sie sichs schon einbilden; sonderlich wenn sie bey ihrem fleischli- chen Sinne im Heydenthum auf ihre Welt- Weisheit und Schein-Tugenden, im Juden- thum auf das Gesetz und andere Vorrechte, im Christenthum auf die kirchliche Ubungen und Be- käntniß reiner Lehre sich verlassen: ja sie mögen GOtt so gar nicht gefallen, daß sie ihm vielmehr ein Greuel sind. Tit. 1, 16.
Anmerckung.
Mercke, geliebter Leser, was die Sünde für ein greuliches Ding in den Augen GOttes ist. Und was alhier von der Sünde des fleisch- lichen Sinnes überhaupt gesaget wird, das ap- plicire auf deinen eignen Sinn. Denn lässest du ihn herrschen, so setzest du dich damit wider GOtt, ja über GOtt hinweg. Spricht GOtt so, so sprichst oder thust du anders, und ziehest dei- nen Sinn und Willen dem göttlichen vor. Darum wundere dich nicht, daß der fleischliche Sinn des gantzen menschlichen Geschlechts, um die Schuld davon im Gerichte GOttes hinweg zu thun, die Menschwerdung und Erlösung des Sohnes GOttes verursachet und erfodert hat. Aber lasse dir die Grösse der Sünde des eignen Sinnes zur Verleugnung desselben dienen.
V. 9.
Jhr aber (ihr aus Juden und Heiden be- kehrten Römer) seyd nicht fleischlich (kata sarka v. 5. en sark), im Fleische, als in eu- rem herrschenden principio und Element: denn da wir im Fleische waren, da waren die sündli- chen Lüste, welche durchs Gesetz sich erregten, kräftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen c. 7, 5.) sondern geistlich (kata pneu- ma v. 5. en pneumati, im Geiste, im Evangeli- schen principio der Gnade, lebet und wandelt im Geiste, en kainotet' tou pneumatos, im neuen Wesen des Geistes v. 6.) so anders (welches
sich
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 8, v. 6-9.
[Spaltenumbruch]die aber geiſtlich ſind (οἱ κατὰ πνεῦμα, die durch den Heiligen Geiſt, der den Tod und die Auferſtehung Chriſti in ihnen verklaͤret, aufer- wecket und zum geiſtlichen Leben gelanget ſind, nach c. 6, 4. 8, 2.) die ſind geiſtlich geſinnet (die beweiſen ſolches ihr geiſtliches Leben damit, daß ſie ſich von dem Heiligen Geiſte beherrſchen und regieren, auch ihr Tichten und Trachten geiſtlich ſeyn laſſen, dieſes auch mit ihrem Wan- del an den Fruͤchten des Geiſtes darthun; die ſinds, die in der Ordnung ſtehen, in welcher ſie des in der Buſſe und Rechtfertigung empfange- nen Guts theilhaftig bleiben.)
Anmerckung.
Das Verbum φρονεῖν gehet zugleich auf den Verſtand und Willen, wie auch das No- men φρόνημα: daher es auch Lutherus gar recht uͤberſetzet hat durch geſinnet ſeyn, durch den Sinn, nemlich des Fleiſches und des Geiſtes. Man erkennet daraus, wie beyde Seelen-Kraͤf- te, Verſtand und Wille, zuſammen entweder verderbt und verkehrt, oder rectificiret ſind: wie denn eine ohne die andere weder verkehret, noch bekehret wird.
V. 6.
Aber (Gr. denn) fleiſchlich geſinnet ſeyn iſt der Tod) iſt ein Zeichen des geiſtlichen Todes und fuͤhret durch den zeitlichen zum ewi- gen Tode: und koͤnnen alſo fleiſchlich geſinnete, ſo lange ſie ſolche bleiben, ſich des Verſoͤhnungs- Todes Chriſti zum ewigen Leben nicht getroͤſten Roͤm. 6, 21. Gal. 6, 8. Jac. 1, 15.) und geiſt- lich geſinnet ſeyn iſt Leben (ein Erweis des geiſtlichen Lebens, und die Ordnung, in welcher man das Gnaden-Geſchenck der Gerechtigkeit, und das Geheimniß des Glau- bens zum ewigen Leben beſitzet und bewah- ret) und Friede (iſt mit der Empfindung des Friedens mit und in GOtt, dabey ſich auch die geiſtliche Freude zu finden pfleget, verknuͤpfet; unterhaͤlt auch ſolche vergnuͤgliche Seelen-Ruhe; da ſie hingegen bey dem fleiſchlichen Sinne ſich nicht findet, oder, wo dieſer aufſteiget, und zur Herrſchaft koͤmmt, wieder zerſtoͤret und in lauter Unruhe verwandelt wird.
Anmerckung.
Jſt der Sinn des Geiſtes, oder geiſtlich geſinnet ſeyn, Leben und Friede, ſo iſt hinge- gen fleiſchlich geſinnet ſeyn nicht allein der Tod, ſondern auch lauter Unfriede, und zwar ſchon in dieſem Leben. Jſt aber dieſes, ſo hat es ein Gottſeliger nicht allein in jenem, ſondern auch bereits in dieſem Leben, viel beſſer, als ein Gottloſer, und wird es dieſem ſchwerer und ſau- rer verdammt, als jenem, ſelig zu werden. Wer wolte nun nicht auch dieſer wegen den Dienſt GOttes vor dem Dienſt der Suͤnde erwehlen?
V. 7. 8.
Denn (damit ihr deſto mehr erkennen moͤ- get, daß ein fleiſchlicher Sinn unmoͤglich bey der Heils-Ordnung unter der Gnade GOttes beſte- hen koͤnne, ſo ſage ich euch, daß (fleiſchlich ge- [Spaltenumbruch]
ſinnet ſeyn iſt eine Feindſchaft wider GOtt (und alſo nicht allein ein Abfall von GOtt, ſon- dern auch eine Rebellion wider GOTT, damit man die ſchwere Suͤnde der beleidigten goͤttli- chen Majeſtaͤt begehet) ſintemal es dem Ge- ſetze GOttes nicht unterthan iſt (ja, ſo gar dem Geſetz zum Gehorſam ſich nicht unterwirft, daß er ſich demſelben noch dazu feindſelig wider- ſetzet: wie denn die Suͤnde uͤberhaupt eine ſol- che von Johanne 1. Ep. 3, 4. benennete α[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]νομία, Abweichung vom Geſetze iſt, welche auch eine rechte ἀντινομίαν, Widerſetzung gegen daſſelbe in ſich haͤlt) und es vermag es auch nicht (es fehlet nicht allein an dem actu, an dem wirckli- chen Gehorſam, ſondern auch an der potentia, an dem Vermoͤgen: Hingegen das Vermoͤgen zur Widerſpenſtigkeit iſt da. Siehe auch 1 Cor. 2, 4. alwo dem natuͤrlichen oder unbekehrten Men- ſchen nicht allein der actus, ſondern auch die po- tentia oder das Vermoͤgen geiſtliche Dinge recht zu erkennen, abgeſprochen wird. Welches ih- nen aber ſo viel weniger zur Entſchuldigung die- net, ſo viel nachdruͤcklicher ihnen das goͤttliche Geſchencke der Gnaden-Kraͤfte angeprieſen wird.) V. 8. Die aber fleiſchlich ſind, moͤ- gen GOtt nicht gefallen (wenn ſie ſichs ſchon einbilden; ſonderlich wenn ſie bey ihrem fleiſchli- chen Sinne im Heydenthum auf ihre Welt- Weisheit und Schein-Tugenden, im Juden- thum auf das Geſetz und andere Vorrechte, im Chriſtenthum auf die kirchliche Ubungen und Be- kaͤntniß reiner Lehre ſich verlaſſen: ja ſie moͤgen GOtt ſo gar nicht gefallen, daß ſie ihm vielmehr ein Greuel ſind. Tit. 1, 16.
Anmerckung.
Mercke, geliebter Leſer, was die Suͤnde fuͤr ein greuliches Ding in den Augen GOttes iſt. Und was alhier von der Suͤnde des fleiſch- lichen Sinnes uͤberhaupt geſaget wird, das ap- plicire auf deinen eignen Sinn. Denn laͤſſeſt du ihn herrſchen, ſo ſetzeſt du dich damit wider GOtt, ja uͤber GOtt hinweg. Spricht GOtt ſo, ſo ſprichſt oder thuſt du anders, und zieheſt dei- nen Sinn und Willen dem goͤttlichen vor. Darum wundere dich nicht, daß der fleiſchliche Sinn des gantzen menſchlichen Geſchlechts, um die Schuld davon im Gerichte GOttes hinweg zu thun, die Menſchwerdung und Erloͤſung des Sohnes GOttes verurſachet und erfodert hat. Aber laſſe dir die Groͤſſe der Suͤnde des eignen Sinnes zur Verleugnung deſſelben dienen.
V. 9.
Jhr aber (ihr aus Juden und Heiden be- kehrten Roͤmer) ſeyd nicht fleiſchlich (κατὰ σάρκα v. 5. ἐν σαρκ), im Fleiſche, als in eu- rem herrſchenden principio und Element: denn da wir im Fleiſche waren, da waren die ſuͤndli- chen Luͤſte, welche durchs Geſetz ſich erregten, kraͤftig in unſern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen c. 7, 5.) ſondern geiſtlich (κατὰ πνεῦ- μα v. 5. ἐν πνεύματι, im Geiſte, im Evangeli- ſchen principio der Gnade, lebet und wandelt im Geiſte, ἐν καινότητ᾽ τοῦ πνεύματος, im neuen Weſen des Geiſtes v. 6.) ſo anders (welches
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[96/0124]
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 8, v. 6-9.
die aber geiſtlich ſind (οἱ κατὰ πνεῦμα, die
durch den Heiligen Geiſt, der den Tod und die
Auferſtehung Chriſti in ihnen verklaͤret, aufer-
wecket und zum geiſtlichen Leben gelanget ſind,
nach c. 6, 4. 8, 2.) die ſind geiſtlich geſinnet
(die beweiſen ſolches ihr geiſtliches Leben damit,
daß ſie ſich von dem Heiligen Geiſte beherrſchen
und regieren, auch ihr Tichten und Trachten
geiſtlich ſeyn laſſen, dieſes auch mit ihrem Wan-
del an den Fruͤchten des Geiſtes darthun; die
ſinds, die in der Ordnung ſtehen, in welcher ſie
des in der Buſſe und Rechtfertigung empfange-
nen Guts theilhaftig bleiben.)
Anmerckung.
Das Verbum φρονεῖν gehet zugleich auf
den Verſtand und Willen, wie auch das No-
men φρόνημα: daher es auch Lutherus gar
recht uͤberſetzet hat durch geſinnet ſeyn, durch
den Sinn, nemlich des Fleiſches und des Geiſtes.
Man erkennet daraus, wie beyde Seelen-Kraͤf-
te, Verſtand und Wille, zuſammen entweder
verderbt und verkehrt, oder rectificiret ſind:
wie denn eine ohne die andere weder verkehret,
noch bekehret wird.
V. 6.
Aber (Gr. denn) fleiſchlich geſinnet
ſeyn iſt der Tod) iſt ein Zeichen des geiſtlichen
Todes und fuͤhret durch den zeitlichen zum ewi-
gen Tode: und koͤnnen alſo fleiſchlich geſinnete,
ſo lange ſie ſolche bleiben, ſich des Verſoͤhnungs-
Todes Chriſti zum ewigen Leben nicht getroͤſten
Roͤm. 6, 21. Gal. 6, 8. Jac. 1, 15.) und geiſt-
lich geſinnet ſeyn iſt Leben (ein Erweis des
geiſtlichen Lebens, und die Ordnung, in
welcher man das Gnaden-Geſchenck der
Gerechtigkeit, und das Geheimniß des Glau-
bens zum ewigen Leben beſitzet und bewah-
ret) und Friede (iſt mit der Empfindung des
Friedens mit und in GOtt, dabey ſich auch die
geiſtliche Freude zu finden pfleget, verknuͤpfet;
unterhaͤlt auch ſolche vergnuͤgliche Seelen-Ruhe;
da ſie hingegen bey dem fleiſchlichen Sinne ſich
nicht findet, oder, wo dieſer aufſteiget, und zur
Herrſchaft koͤmmt, wieder zerſtoͤret und in lauter
Unruhe verwandelt wird.
Anmerckung.
Jſt der Sinn des Geiſtes, oder geiſtlich
geſinnet ſeyn, Leben und Friede, ſo iſt hinge-
gen fleiſchlich geſinnet ſeyn nicht allein der
Tod, ſondern auch lauter Unfriede, und zwar
ſchon in dieſem Leben. Jſt aber dieſes, ſo hat
es ein Gottſeliger nicht allein in jenem, ſondern
auch bereits in dieſem Leben, viel beſſer, als ein
Gottloſer, und wird es dieſem ſchwerer und ſau-
rer verdammt, als jenem, ſelig zu werden. Wer
wolte nun nicht auch dieſer wegen den Dienſt
GOttes vor dem Dienſt der Suͤnde erwehlen?
V. 7. 8.
Denn (damit ihr deſto mehr erkennen moͤ-
get, daß ein fleiſchlicher Sinn unmoͤglich bey der
Heils-Ordnung unter der Gnade GOttes beſte-
hen koͤnne, ſo ſage ich euch, daß (fleiſchlich ge-
ſinnet ſeyn iſt eine Feindſchaft wider GOtt
(und alſo nicht allein ein Abfall von GOtt, ſon-
dern auch eine Rebellion wider GOTT, damit
man die ſchwere Suͤnde der beleidigten goͤttli-
chen Majeſtaͤt begehet) ſintemal es dem Ge-
ſetze GOttes nicht unterthan iſt (ja, ſo gar
dem Geſetz zum Gehorſam ſich nicht unterwirft,
daß er ſich demſelben noch dazu feindſelig wider-
ſetzet: wie denn die Suͤnde uͤberhaupt eine ſol-
che von Johanne 1. Ep. 3, 4. benennete α_ νομία,
Abweichung vom Geſetze iſt, welche auch eine
rechte ἀντινομίαν, Widerſetzung gegen daſſelbe
in ſich haͤlt) und es vermag es auch nicht (es
fehlet nicht allein an dem actu, an dem wirckli-
chen Gehorſam, ſondern auch an der potentia, an
dem Vermoͤgen: Hingegen das Vermoͤgen zur
Widerſpenſtigkeit iſt da. Siehe auch 1 Cor. 2,
4. alwo dem natuͤrlichen oder unbekehrten Men-
ſchen nicht allein der actus, ſondern auch die po-
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zu erkennen, abgeſprochen wird. Welches ih-
nen aber ſo viel weniger zur Entſchuldigung die-
net, ſo viel nachdruͤcklicher ihnen das goͤttliche
Geſchencke der Gnaden-Kraͤfte angeprieſen
wird.) V. 8. Die aber fleiſchlich ſind, moͤ-
gen GOtt nicht gefallen (wenn ſie ſichs ſchon
einbilden; ſonderlich wenn ſie bey ihrem fleiſchli-
chen Sinne im Heydenthum auf ihre Welt-
Weisheit und Schein-Tugenden, im Juden-
thum auf das Geſetz und andere Vorrechte, im
Chriſtenthum auf die kirchliche Ubungen und Be-
kaͤntniß reiner Lehre ſich verlaſſen: ja ſie moͤgen
GOtt ſo gar nicht gefallen, daß ſie ihm vielmehr
ein Greuel ſind. Tit. 1, 16.
Anmerckung.
Mercke, geliebter Leſer, was die Suͤnde
fuͤr ein greuliches Ding in den Augen GOttes
iſt. Und was alhier von der Suͤnde des fleiſch-
lichen Sinnes uͤberhaupt geſaget wird, das ap-
plicire auf deinen eignen Sinn. Denn laͤſſeſt du
ihn herrſchen, ſo ſetzeſt du dich damit wider
GOtt, ja uͤber GOtt hinweg. Spricht GOtt
ſo, ſo ſprichſt oder thuſt du anders, und zieheſt dei-
nen Sinn und Willen dem goͤttlichen vor.
Darum wundere dich nicht, daß der fleiſchliche
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Sohnes GOttes verurſachet und erfodert hat.
Aber laſſe dir die Groͤſſe der Suͤnde des eignen
Sinnes zur Verleugnung deſſelben dienen.
V. 9.
Jhr aber (ihr aus Juden und Heiden be-
kehrten Roͤmer) ſeyd nicht fleiſchlich (κατὰ
σάρκα v. 5. ἐν σαρκ), im Fleiſche, als in eu-
rem herrſchenden principio und Element: denn
da wir im Fleiſche waren, da waren die ſuͤndli-
chen Luͤſte, welche durchs Geſetz ſich erregten,
kraͤftig in unſern Gliedern, dem Tode Frucht zu
bringen c. 7, 5.) ſondern geiſtlich (κατὰ πνεῦ-
μα v. 5. ἐν πνεύματι, im Geiſte, im Evangeli-
ſchen principio der Gnade, lebet und wandelt im
Geiſte, ἐν καινότητ᾽ τοῦ πνεύματος, im neuen
Weſen des Geiſtes v. 6.) ſo anders (welches
ſich
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/124>, abgerufen am 06.12.2023.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2023. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.