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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ster neben dem liebreichsten Manne, dessen
feste Ruhe des Geistes meinen empörten
Empfindungen ärgerlich war, so, daß ich
der Geduld nicht achtete, mit welcher er
meine Unart ertrug. Aber, mein Freund,
stellen Sie sich, wenn es möglich ist, die
Bewegung vor, in die ich gerieth, als
wir den zweyten Tag Abends bey sehr
schlimmen Wetter, durch Versehen des
Postillions, auf ein Dorf kamen, wo
wir übernachten mußten, am Wirths-
hause anfuhren, und eben aussteigen
wollten, als die Wirthinn auf einmal
anfieng: "was, Sie sind Engländer?
"fahren Sie fort, ich lasse Sie nicht in
"mein Haus; Sie können meinetwegen
"im Walde bleiben, aber meine Schwelle
"soll kein Engländer mehr betreten --
Während dem letztern Worte, zog sie ihren
Sohn, der wie ein wackerer Mensch aus-
sah, und ihr immer zuredete, beym Arme
gegen die Thüre des Hauses, so sie zu-
schließen wollte. Der schreyende Unwille
dieser Frau war seltsam genug, um mich
aufmerksam zu machen; unsere Kerls

schrien


ſter neben dem liebreichſten Manne, deſſen
feſte Ruhe des Geiſtes meinen empoͤrten
Empfindungen aͤrgerlich war, ſo, daß ich
der Geduld nicht achtete, mit welcher er
meine Unart ertrug. Aber, mein Freund,
ſtellen Sie ſich, wenn es moͤglich iſt, die
Bewegung vor, in die ich gerieth, als
wir den zweyten Tag Abends bey ſehr
ſchlimmen Wetter, durch Verſehen des
Poſtillions, auf ein Dorf kamen, wo
wir uͤbernachten mußten, am Wirths-
hauſe anfuhren, und eben ausſteigen
wollten, als die Wirthinn auf einmal
anfieng: „was, Sie ſind Englaͤnder?
„fahren Sie fort, ich laſſe Sie nicht in
„mein Haus; Sie koͤnnen meinetwegen
„im Walde bleiben, aber meine Schwelle
„ſoll kein Englaͤnder mehr betreten —
Waͤhrend dem letztern Worte, zog ſie ihren
Sohn, der wie ein wackerer Menſch aus-
ſah, und ihr immer zuredete, beym Arme
gegen die Thuͤre des Hauſes, ſo ſie zu-
ſchließen wollte. Der ſchreyende Unwille
dieſer Frau war ſeltſam genug, um mich
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[118/0124] ſter neben dem liebreichſten Manne, deſſen feſte Ruhe des Geiſtes meinen empoͤrten Empfindungen aͤrgerlich war, ſo, daß ich der Geduld nicht achtete, mit welcher er meine Unart ertrug. Aber, mein Freund, ſtellen Sie ſich, wenn es moͤglich iſt, die Bewegung vor, in die ich gerieth, als wir den zweyten Tag Abends bey ſehr ſchlimmen Wetter, durch Verſehen des Poſtillions, auf ein Dorf kamen, wo wir uͤbernachten mußten, am Wirths- hauſe anfuhren, und eben ausſteigen wollten, als die Wirthinn auf einmal anfieng: „was, Sie ſind Englaͤnder? „fahren Sie fort, ich laſſe Sie nicht in „mein Haus; Sie koͤnnen meinetwegen „im Walde bleiben, aber meine Schwelle „ſoll kein Englaͤnder mehr betreten — Waͤhrend dem letztern Worte, zog ſie ihren Sohn, der wie ein wackerer Menſch aus- ſah, und ihr immer zuredete, beym Arme gegen die Thuͤre des Hauſes, ſo ſie zu- ſchließen wollte. Der ſchreyende Unwille dieſer Frau war ſeltſam genug, um mich aufmerkſam zu machen; unſere Kerls ſchrien

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/124>, abgerufen am 16.04.2024.