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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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schenke des Glücks mit aller Empfindung,
welche das Schicksal für diese Gaben for-
dern kann; aber es mangelt meinem Her-
zen der Busen einer vertrauten Freundinn,
in den es das Uebermaaß seiner Empfin-
dungen ausgießen könnte. Jch bin be-
liebt; meine hie und da mit Bescheiden-
heit erscheinende Grundsätze ziehen mir
Verehrung zu; das Gefühl der Schönhei-
ten Shakespears, Thomsons, Addisons
und Pope's haben meinem Geiste eine neue
lebendige Nahrung in den Unterhaltungen
unsers Pfarrers und eines sehr philoso-
phisch denkenden Edelmanns in der Nach-
barschaft erworben. Die älteste Tochter
des Pfarrers ist sanft, gesühlvoll, und
dabey mit wahrem Verstande begabt; ich
liebe sie; aber mitten in einer zärtlichen Um-
armung empfinde ich, wie viel mein Herz
noch zu wünschen hat, um den Ersatz für
meine Emilia zu erhalten. Schelten Sie
mich deswegen nicht undankbar; ich weiß,
daß ich Jhre Freundschaft noch besitze,
und die von der liebenswürdigen Emma
zugleich habe; Jhnen schreibe ich von dem

Theile


ſchenke des Gluͤcks mit aller Empfindung,
welche das Schickſal fuͤr dieſe Gaben for-
dern kann; aber es mangelt meinem Her-
zen der Buſen einer vertrauten Freundinn,
in den es das Uebermaaß ſeiner Empfin-
dungen ausgießen koͤnnte. Jch bin be-
liebt; meine hie und da mit Beſcheiden-
heit erſcheinende Grundſaͤtze ziehen mir
Verehrung zu; das Gefuͤhl der Schoͤnhei-
ten Shakeſpears, Thomſons, Addiſons
und Pope’s haben meinem Geiſte eine neue
lebendige Nahrung in den Unterhaltungen
unſers Pfarrers und eines ſehr philoſo-
phiſch denkenden Edelmanns in der Nach-
barſchaft erworben. Die aͤlteſte Tochter
des Pfarrers iſt ſanft, geſuͤhlvoll, und
dabey mit wahrem Verſtande begabt; ich
liebe ſie; aber mitten in einer zaͤrtlichen Um-
armung empfinde ich, wie viel mein Herz
noch zu wuͤnſchen hat, um den Erſatz fuͤr
meine Emilia zu erhalten. Schelten Sie
mich deswegen nicht undankbar; ich weiß,
daß ich Jhre Freundſchaft noch beſitze,
und die von der liebenswuͤrdigen Emma
zugleich habe; Jhnen ſchreibe ich von dem

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[162/0168] ſchenke des Gluͤcks mit aller Empfindung, welche das Schickſal fuͤr dieſe Gaben for- dern kann; aber es mangelt meinem Her- zen der Buſen einer vertrauten Freundinn, in den es das Uebermaaß ſeiner Empfin- dungen ausgießen koͤnnte. Jch bin be- liebt; meine hie und da mit Beſcheiden- heit erſcheinende Grundſaͤtze ziehen mir Verehrung zu; das Gefuͤhl der Schoͤnhei- ten Shakeſpears, Thomſons, Addiſons und Pope’s haben meinem Geiſte eine neue lebendige Nahrung in den Unterhaltungen unſers Pfarrers und eines ſehr philoſo- phiſch denkenden Edelmanns in der Nach- barſchaft erworben. Die aͤlteſte Tochter des Pfarrers iſt ſanft, geſuͤhlvoll, und dabey mit wahrem Verſtande begabt; ich liebe ſie; aber mitten in einer zaͤrtlichen Um- armung empfinde ich, wie viel mein Herz noch zu wuͤnſchen hat, um den Erſatz fuͤr meine Emilia zu erhalten. Schelten Sie mich deswegen nicht undankbar; ich weiß, daß ich Jhre Freundſchaft noch beſitze, und die von der liebenswuͤrdigen Emma zugleich habe; Jhnen ſchreibe ich von dem Theile

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/168>, abgerufen am 16.04.2024.