Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

"von sich entfernen? bin ich Jhnen unan-
"genehm geworden? sagte ich." Sie reich-
te mir die Hand, nein, mein Kind, Sie
sind mir unendlich werth, und ich werde
die zärtliche Besorgerinn meines Alters
gewiß vermissen; aber ich habe für den
Herbst meines Lebens Früchte genug ge-
sammlet, ohne nöthig zu haben, Jhren
Frühling seiner schönsten Blüthe zu be-
rauben. Sie sind jung, reizend, und
fremde, was wollen Sie nach meinem
Tode machen? -- "Wenn ich dieses
Unglück erlebe, so gehe ich zu meiner
Emilia zurück. --

Liebe Leidens, bedenken Sie sich! ein
Frauenzimmer von ihrer Geburt und Lie-
benswürdigkeit muß entweder bey nahen
Verwandten, oder unter dem Schutz eines
würdigen Mannes seyn. Lord Rich hat
Jhre ganze Hochachtung; der edle Mann
verdient sie auch; Sie wissen, daß Sie ihn
glücklich machen können; seine Freund-
schaft, sein Umgang ist Jhnen angenehm;
Jhr Wille, Jhre Person ist frey; die edel-
ste Beweggründe leiten Sie zu dieser

Ver-
M 4

„von ſich entfernen? bin ich Jhnen unan-
„genehm geworden? ſagte ich.“ Sie reich-
te mir die Hand, nein, mein Kind, Sie
ſind mir unendlich werth, und ich werde
die zaͤrtliche Beſorgerinn meines Alters
gewiß vermiſſen; aber ich habe fuͤr den
Herbſt meines Lebens Fruͤchte genug ge-
ſammlet, ohne noͤthig zu haben, Jhren
Fruͤhling ſeiner ſchoͤnſten Bluͤthe zu be-
rauben. Sie ſind jung, reizend, und
fremde, was wollen Sie nach meinem
Tode machen? — „Wenn ich dieſes
Ungluͤck erlebe, ſo gehe ich zu meiner
Emilia zuruͤck. —

Liebe Leidens, bedenken Sie ſich! ein
Frauenzimmer von ihrer Geburt und Lie-
benswuͤrdigkeit muß entweder bey nahen
Verwandten, oder unter dem Schutz eines
wuͤrdigen Mannes ſeyn. Lord Rich hat
Jhre ganze Hochachtung; der edle Mann
verdient ſie auch; Sie wiſſen, daß Sie ihn
gluͤcklich machen koͤnnen; ſeine Freund-
ſchaft, ſein Umgang iſt Jhnen angenehm;
Jhr Wille, Jhre Perſon iſt frey; die edel-
ſte Beweggruͤnde leiten Sie zu dieſer

Ver-
M 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0189" n="183"/>
&#x201E;von &#x017F;ich entfernen? bin ich Jhnen unan-<lb/>
&#x201E;genehm geworden? &#x017F;agte ich.&#x201C; Sie reich-<lb/>
te mir die Hand, nein, mein Kind, Sie<lb/>
&#x017F;ind mir unendlich werth, und ich werde<lb/>
die za&#x0364;rtliche Be&#x017F;orgerinn meines Alters<lb/>
gewiß vermi&#x017F;&#x017F;en; aber ich habe fu&#x0364;r den<lb/>
Herb&#x017F;t meines Lebens Fru&#x0364;chte genug ge-<lb/>
&#x017F;ammlet, ohne no&#x0364;thig zu haben, Jhren<lb/>
Fru&#x0364;hling &#x017F;einer &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Blu&#x0364;the zu be-<lb/>
rauben. Sie &#x017F;ind jung, reizend, und<lb/>
fremde, was wollen Sie nach meinem<lb/>
Tode machen? &#x2014; &#x201E;Wenn ich die&#x017F;es<lb/>
Unglu&#x0364;ck erlebe, &#x017F;o gehe ich zu meiner<lb/>
Emilia zuru&#x0364;ck. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Liebe Leidens, bedenken Sie &#x017F;ich! ein<lb/>
Frauenzimmer von ihrer Geburt und Lie-<lb/>
benswu&#x0364;rdigkeit muß entweder bey nahen<lb/>
Verwandten, oder unter dem Schutz eines<lb/>
wu&#x0364;rdigen Mannes &#x017F;eyn. Lord Rich hat<lb/>
Jhre ganze Hochachtung; der edle Mann<lb/>
verdient &#x017F;ie auch; Sie wi&#x017F;&#x017F;en, daß Sie ihn<lb/>
glu&#x0364;cklich machen ko&#x0364;nnen; &#x017F;eine Freund-<lb/>
&#x017F;chaft, &#x017F;ein Umgang i&#x017F;t Jhnen angenehm;<lb/>
Jhr Wille, Jhre Per&#x017F;on i&#x017F;t frey; die edel-<lb/>
&#x017F;te Beweggru&#x0364;nde leiten Sie zu die&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0189] „von ſich entfernen? bin ich Jhnen unan- „genehm geworden? ſagte ich.“ Sie reich- te mir die Hand, nein, mein Kind, Sie ſind mir unendlich werth, und ich werde die zaͤrtliche Beſorgerinn meines Alters gewiß vermiſſen; aber ich habe fuͤr den Herbſt meines Lebens Fruͤchte genug ge- ſammlet, ohne noͤthig zu haben, Jhren Fruͤhling ſeiner ſchoͤnſten Bluͤthe zu be- rauben. Sie ſind jung, reizend, und fremde, was wollen Sie nach meinem Tode machen? — „Wenn ich dieſes Ungluͤck erlebe, ſo gehe ich zu meiner Emilia zuruͤck. — Liebe Leidens, bedenken Sie ſich! ein Frauenzimmer von ihrer Geburt und Lie- benswuͤrdigkeit muß entweder bey nahen Verwandten, oder unter dem Schutz eines wuͤrdigen Mannes ſeyn. Lord Rich hat Jhre ganze Hochachtung; der edle Mann verdient ſie auch; Sie wiſſen, daß Sie ihn gluͤcklich machen koͤnnen; ſeine Freund- ſchaft, ſein Umgang iſt Jhnen angenehm; Jhr Wille, Jhre Perſon iſt frey; die edel- ſte Beweggruͤnde leiten Sie zu dieſer Ver- M 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/189
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/189>, abgerufen am 25.04.2024.