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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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haben." -- Hier rechnete er mir Tugen-
den und Kenntnisse zu, wovon ich sagen
mußte, daß ich sie für nichts anders als
schöne Gemählde liebenswürdiger Fremd-
linge betrachten könnte. "Und ich, (fuhr
er fort) muß Jhnen in erhöhetem Maaße
das feine Lob zurückgeben, welches die
Bescheidenheit meiner schönen Landsmän-
ninnen von einem Fremden erhielt, da
Jhnen die Vorzüge Jhres Geistes eben so
unbekannt sind, als jenen die Reize ihrer
Gestalt. Hierauf beschrieb er meine mir
eigenen Weiblichkeiten, wie er sie nannte,
als Früchte eines feurigen Genie, und
einer sanften empfindsamen Grazie, und
machte aus diesem allen den Schluß; daß
der Ton meines Kopfs und Herzens just
derjenige wäre, welcher mit dem seinigen
so genau zusammenstimmte, als nöthig
sey, die vollkommenste Harmonie ei-
ner moralischen Vereinigung
zu ma-
chen. -- -- Das Bild seiner Glück-
seligkeit folgte mit so rührenden Zügen,
daß ich überzeugt wurde, er kenne alle
Triebfedern meiner Seele, und wisse wo-

hin

haben.“ — Hier rechnete er mir Tugen-
den und Kenntniſſe zu, wovon ich ſagen
mußte, daß ich ſie fuͤr nichts anders als
ſchoͤne Gemaͤhlde liebenswuͤrdiger Fremd-
linge betrachten koͤnnte. „Und ich, (fuhr
er fort) muß Jhnen in erhoͤhetem Maaße
das feine Lob zuruͤckgeben, welches die
Beſcheidenheit meiner ſchoͤnen Landsmaͤn-
ninnen von einem Fremden erhielt, da
Jhnen die Vorzuͤge Jhres Geiſtes eben ſo
unbekannt ſind, als jenen die Reize ihrer
Geſtalt. Hierauf beſchrieb er meine mir
eigenen Weiblichkeiten, wie er ſie nannte,
als Fruͤchte eines feurigen Genie, und
einer ſanften empfindſamen Grazie, und
machte aus dieſem allen den Schluß; daß
der Ton meines Kopfs und Herzens juſt
derjenige waͤre, welcher mit dem ſeinigen
ſo genau zuſammenſtimmte, als noͤthig
ſey, die vollkommenſte Harmonie ei-
ner moraliſchen Vereinigung
zu ma-
chen. — — Das Bild ſeiner Gluͤck-
ſeligkeit folgte mit ſo ruͤhrenden Zuͤgen,
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[187/0193] haben.“ — Hier rechnete er mir Tugen- den und Kenntniſſe zu, wovon ich ſagen mußte, daß ich ſie fuͤr nichts anders als ſchoͤne Gemaͤhlde liebenswuͤrdiger Fremd- linge betrachten koͤnnte. „Und ich, (fuhr er fort) muß Jhnen in erhoͤhetem Maaße das feine Lob zuruͤckgeben, welches die Beſcheidenheit meiner ſchoͤnen Landsmaͤn- ninnen von einem Fremden erhielt, da Jhnen die Vorzuͤge Jhres Geiſtes eben ſo unbekannt ſind, als jenen die Reize ihrer Geſtalt. Hierauf beſchrieb er meine mir eigenen Weiblichkeiten, wie er ſie nannte, als Fruͤchte eines feurigen Genie, und einer ſanften empfindſamen Grazie, und machte aus dieſem allen den Schluß; daß der Ton meines Kopfs und Herzens juſt derjenige waͤre, welcher mit dem ſeinigen ſo genau zuſammenſtimmte, als noͤthig ſey, die vollkommenſte Harmonie ei- ner moraliſchen Vereinigung zu ma- chen. — — Das Bild ſeiner Gluͤck- ſeligkeit folgte mit ſo ruͤhrenden Zuͤgen, daß ich uͤberzeugt wurde, er kenne alle Triebfedern meiner Seele, und wiſſe wo- hin

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/193>, abgerufen am 19.04.2024.