mein Verfolger wird meinen Tod erfah- ren, und er wird froh seyn die Zeugnisse seiner Unmenschlichkeit mit mir begraben zu wissen. O Schicksal, du siehst meine Unterwerfung, du siehst, daß ich nichts von dir bitte; du willst mich langsam zermalmen; thue es -- rette nur die Herzen meiner tugendhaften Freun- de von dem Kummer, der sie meinetwegen beängstiget!
Dritter Monat meines Elendes.
Noch einen Monat hab' ich durchge- lebt, und finde mein Gefühl wieder, um den ganzen Jnbegriff meines Jammers zu kennen. Selige Tage, wo seyd ihr, an denen ich bey dem ersten Anblick des Mor- genlichts meine Hände dankbar zu Gott erhob und mich meiner Erhaltung freute? Jtzt benetzen immer neue Thränen mein Auge und mit neuem Händeringen bezeich- ne ich die erste Stunde meines erneuerten Daseyns. O mein Schöpfer, solltest du wohl die bittere Zähre meines Jammers
lieber
mein Verfolger wird meinen Tod erfah- ren, und er wird froh ſeyn die Zeugniſſe ſeiner Unmenſchlichkeit mit mir begraben zu wiſſen. O Schickſal, du ſiehſt meine Unterwerfung, du ſiehſt, daß ich nichts von dir bitte; du willſt mich langſam zermalmen; thue es — rette nur die Herzen meiner tugendhaften Freun- de von dem Kummer, der ſie meinetwegen beaͤngſtiget!
Dritter Monat meines Elendes.
Noch einen Monat hab’ ich durchge- lebt, und finde mein Gefuͤhl wieder, um den ganzen Jnbegriff meines Jammers zu kennen. Selige Tage, wo ſeyd ihr, an denen ich bey dem erſten Anblick des Mor- genlichts meine Haͤnde dankbar zu Gott erhob und mich meiner Erhaltung freute? Jtzt benetzen immer neue Thraͤnen mein Auge und mit neuem Haͤnderingen bezeich- ne ich die erſte Stunde meines erneuerten Daſeyns. O mein Schoͤpfer, ſollteſt du wohl die bittere Zaͤhre meines Jammers
lieber
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mein Verfolger wird meinen Tod erfah-
ren, und er wird froh ſeyn die Zeugniſſe
ſeiner Unmenſchlichkeit mit mir begraben
zu wiſſen. O Schickſal, du ſiehſt
meine Unterwerfung, du ſiehſt, daß
ich nichts von dir bitte; du willſt mich
langſam zermalmen; thue es — rette
nur die Herzen meiner tugendhaften Freun-
de von dem Kummer, der ſie meinetwegen
beaͤngſtiget!
Dritter Monat meines Elendes.
Noch einen Monat hab’ ich durchge-
lebt, und finde mein Gefuͤhl wieder, um
den ganzen Jnbegriff meines Jammers zu
kennen. Selige Tage, wo ſeyd ihr, an
denen ich bey dem erſten Anblick des Mor-
genlichts meine Haͤnde dankbar zu Gott
erhob und mich meiner Erhaltung freute?
Jtzt benetzen immer neue Thraͤnen mein
Auge und mit neuem Haͤnderingen bezeich-
ne ich die erſte Stunde meines erneuerten
Daſeyns. O mein Schoͤpfer, ſollteſt du
wohl die bittere Zaͤhre meines Jammers
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/216>, abgerufen am 11.12.2023.
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