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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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dem ersten Tage da er mich sah. Der
Stolz seines Oheims, seine Abhänglichkeit
von ihm, und eine übertriebne feine Em-
pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß
er schwieg, bis ich die Versuchungen des
Fürsten überwunden hätte. Sie wissen,
was dieses Schweigen mir zuzog; aber
Sie wissen nicht, was Lord Seymour
darunter gelitten hatte. Hier, lesen Sie
seine Briefe, mit denen vom Lord Derby,
und senden Sie sie mir mit allen den meinen
an Sie zurück. Sie werden bey Derbys
Briefen über den Misbrauch von Witz,
Tugend und Liebe schaudern. Hätte ich
nicht selbst böse seyn müssen, wenn ich
seine Ränke hätte argwöhnen sollen? Was
ist Seymours Herz dagegen? Jhren Rath
hätte ich gewünscht, durch einen gemein-
samen Geist erhalten zu können. Die
Gräfinn Douglaß ist eingenommen; Lord
Rich, der edle, unschätzbare Lord Rich,
bittet mich seine Schwester zu werden;
Der liebenswürdige Seymour ist täglich
zu meinen Füssen! alle Einwendungen
meiner Dilicatesse werden bestritten; und
o Freundinn meines Herzens, du, die

du

dem erſten Tage da er mich ſah. Der
Stolz ſeines Oheims, ſeine Abhaͤnglichkeit
von ihm, und eine uͤbertriebne feine Em-
pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß
er ſchwieg, bis ich die Verſuchungen des
Fuͤrſten uͤberwunden haͤtte. Sie wiſſen,
was dieſes Schweigen mir zuzog; aber
Sie wiſſen nicht, was Lord Seymour
darunter gelitten hatte. Hier, leſen Sie
ſeine Briefe, mit denen vom Lord Derby,
und ſenden Sie ſie mir mit allen den meinen
an Sie zuruͤck. Sie werden bey Derbys
Briefen uͤber den Misbrauch von Witz,
Tugend und Liebe ſchaudern. Haͤtte ich
nicht ſelbſt boͤſe ſeyn muͤſſen, wenn ich
ſeine Raͤnke haͤtte argwoͤhnen ſollen? Was
iſt Seymours Herz dagegen? Jhren Rath
haͤtte ich gewuͤnſcht, durch einen gemein-
ſamen Geiſt erhalten zu koͤnnen. Die
Graͤfinn Douglaß iſt eingenommen; Lord
Rich, der edle, unſchaͤtzbare Lord Rich,
bittet mich ſeine Schweſter zu werden;
Der liebenswuͤrdige Seymour iſt taͤglich
zu meinen Fuͤſſen! alle Einwendungen
meiner Dilicateſſe werden beſtritten; und
o Freundinn meines Herzens, du, die

du
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[284/0290] dem erſten Tage da er mich ſah. Der Stolz ſeines Oheims, ſeine Abhaͤnglichkeit von ihm, und eine uͤbertriebne feine Em- pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß er ſchwieg, bis ich die Verſuchungen des Fuͤrſten uͤberwunden haͤtte. Sie wiſſen, was dieſes Schweigen mir zuzog; aber Sie wiſſen nicht, was Lord Seymour darunter gelitten hatte. Hier, leſen Sie ſeine Briefe, mit denen vom Lord Derby, und ſenden Sie ſie mir mit allen den meinen an Sie zuruͤck. Sie werden bey Derbys Briefen uͤber den Misbrauch von Witz, Tugend und Liebe ſchaudern. Haͤtte ich nicht ſelbſt boͤſe ſeyn muͤſſen, wenn ich ſeine Raͤnke haͤtte argwoͤhnen ſollen? Was iſt Seymours Herz dagegen? Jhren Rath haͤtte ich gewuͤnſcht, durch einen gemein- ſamen Geiſt erhalten zu koͤnnen. Die Graͤfinn Douglaß iſt eingenommen; Lord Rich, der edle, unſchaͤtzbare Lord Rich, bittet mich ſeine Schweſter zu werden; Der liebenswuͤrdige Seymour iſt taͤglich zu meinen Fuͤſſen! alle Einwendungen meiner Dilicateſſe werden beſtritten; und o Freundinn meines Herzens, du, die du

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/290>, abgerufen am 23.04.2024.