Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite


an ihnen verloren sey. Dieß machte mich
böse, und ich redte davon mit der Jung-
fer Lehne, der ich auch Hülfe gebe; Sie
arbeitet aber auch; Madam Leidens war
dabey, und fragte die Jungfer nach den
Leuten; und sie erzählte ihr den ganzen
Lebenslauf, weil sie von Kind auf bey-
sammen gewesen waren. Den andern
Tag besuchte Madam Leidens die Frau
G., und kam sehr gerührt nach Hause.
Beym Nachtessen sagte sie mir von den
Leuten so viel bewegliches, daß ich über sie
weinte, und ihnen so gut wurde, daß ich
gleich sagte: ich wollte Aeltern und Kinder
versorgen. Aber dieß wollte sie nicht haben.
Den folgenden Morgen aber brachte sie
mir dieß Papier. Sie müssen mirs wie-
der geben, es soll bey meinem Testamente
liegen mit meiner Unterschrift, und ein
Lob auf Madam Leidens von meiner eige-
nen Hand, und noch etwas über Madam
Leidens, das ich itzt nicht sage. Sie
gieng zu ihren Mädchen, und ließ mir
das Papier. Jch habe mein Tage nichts
klüger ausgedacht gesehen. Zween Fische

mit


an ihnen verloren ſey. Dieß machte mich
boͤſe, und ich redte davon mit der Jung-
fer Lehne, der ich auch Huͤlfe gebe; Sie
arbeitet aber auch; Madam Leidens war
dabey, und fragte die Jungfer nach den
Leuten; und ſie erzaͤhlte ihr den ganzen
Lebenslauf, weil ſie von Kind auf bey-
ſammen geweſen waren. Den andern
Tag beſuchte Madam Leidens die Frau
G., und kam ſehr geruͤhrt nach Hauſe.
Beym Nachteſſen ſagte ſie mir von den
Leuten ſo viel bewegliches, daß ich uͤber ſie
weinte, und ihnen ſo gut wurde, daß ich
gleich ſagte: ich wollte Aeltern und Kinder
verſorgen. Aber dieß wollte ſie nicht haben.
Den folgenden Morgen aber brachte ſie
mir dieß Papier. Sie muͤſſen mirs wie-
der geben, es ſoll bey meinem Teſtamente
liegen mit meiner Unterſchrift, und ein
Lob auf Madam Leidens von meiner eige-
nen Hand, und noch etwas uͤber Madam
Leidens, das ich itzt nicht ſage. Sie
gieng zu ihren Maͤdchen, und ließ mir
das Papier. Jch habe mein Tage nichts
kluͤger ausgedacht geſehen. Zween Fiſche

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="86"/><fw place="top" type="header"><lb/></fw> an ihnen verloren &#x017F;ey. Dieß machte mich<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;e, und ich redte davon mit der Jung-<lb/>
fer Lehne, der ich auch Hu&#x0364;lfe gebe; Sie<lb/>
arbeitet aber auch; Madam Leidens war<lb/>
dabey, und fragte die Jungfer nach den<lb/>
Leuten; und &#x017F;ie erza&#x0364;hlte ihr den ganzen<lb/>
Lebenslauf, weil &#x017F;ie von Kind auf bey-<lb/>
&#x017F;ammen gewe&#x017F;en waren. Den andern<lb/>
Tag be&#x017F;uchte Madam Leidens die Frau<lb/>
G., und kam &#x017F;ehr geru&#x0364;hrt nach Hau&#x017F;e.<lb/>
Beym Nachte&#x017F;&#x017F;en &#x017F;agte &#x017F;ie mir von den<lb/>
Leuten &#x017F;o viel bewegliches, daß ich u&#x0364;ber &#x017F;ie<lb/>
weinte, und ihnen &#x017F;o gut wurde, daß ich<lb/>
gleich &#x017F;agte: ich wollte Aeltern und Kinder<lb/>
ver&#x017F;orgen. Aber dieß wollte &#x017F;ie nicht haben.<lb/>
Den folgenden Morgen aber brachte &#x017F;ie<lb/>
mir dieß Papier. Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mirs wie-<lb/>
der geben, es &#x017F;oll bey meinem Te&#x017F;tamente<lb/>
liegen mit meiner Unter&#x017F;chrift, und ein<lb/>
Lob auf Madam Leidens von meiner eige-<lb/>
nen Hand, und noch etwas u&#x0364;ber Madam<lb/>
Leidens, das ich itzt nicht &#x017F;age. Sie<lb/>
gieng zu ihren Ma&#x0364;dchen, und ließ mir<lb/>
das Papier. Jch habe mein Tage nichts<lb/>
klu&#x0364;ger ausgedacht ge&#x017F;ehen. Zween Fi&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0092] an ihnen verloren ſey. Dieß machte mich boͤſe, und ich redte davon mit der Jung- fer Lehne, der ich auch Huͤlfe gebe; Sie arbeitet aber auch; Madam Leidens war dabey, und fragte die Jungfer nach den Leuten; und ſie erzaͤhlte ihr den ganzen Lebenslauf, weil ſie von Kind auf bey- ſammen geweſen waren. Den andern Tag beſuchte Madam Leidens die Frau G., und kam ſehr geruͤhrt nach Hauſe. Beym Nachteſſen ſagte ſie mir von den Leuten ſo viel bewegliches, daß ich uͤber ſie weinte, und ihnen ſo gut wurde, daß ich gleich ſagte: ich wollte Aeltern und Kinder verſorgen. Aber dieß wollte ſie nicht haben. Den folgenden Morgen aber brachte ſie mir dieß Papier. Sie muͤſſen mirs wie- der geben, es ſoll bey meinem Teſtamente liegen mit meiner Unterſchrift, und ein Lob auf Madam Leidens von meiner eige- nen Hand, und noch etwas uͤber Madam Leidens, das ich itzt nicht ſage. Sie gieng zu ihren Maͤdchen, und ließ mir das Papier. Jch habe mein Tage nichts kluͤger ausgedacht geſehen. Zween Fiſche mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/92
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/92>, abgerufen am 20.04.2024.