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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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Berücksichtigen Sie nun, daß Berlin die Haupt- und Resi-
denzstadt des Landes ist, eine Stadt von 550,000 Einwohnern.
Was wird hier nicht Champagner getrunken! Bei Hofe und bei
den Ministern und bei den fremden Gesandten und von der
ganzen Aristokratie, und von unsern Dandy's bei Evest und
Gerold und Mäder und in den andern Restaurationen und auf
allen Bällen und Festen und Hochzeiten! Und wahrhaftig es
wird kaum eine Gesellschaft, kaum ein Diner selbst in den Mittel-
klassen gegeben, wo nicht Ehren- oder Schandenhalber diesem
gleichsam ceremoniell und obligatorisch gewordnen Luxus des
Champagners gehuldigt wird.

Was muß also nicht der Champagner hier in Strömen fließen!

Und trotz alledem, und trotzdem auch noch die Provinz und
Schlesien ihren Champagner meist über Berlin beziehen, sind
im ganzen Jahre 1855 hier eingeführt worden -- wieviel
meinen Sie wohl? Nun, -- 148,900 Flaschen, wie Geheime-
rath Dieterici aus den Listen des Hauptsteuer-Amts in den
statistischen Mittheilungen Bd. X. p. 134 bezeugt! Die Flasche
Champagner zahlt circa 71/2 Sgr. Steuer und das gäbe also
37,220 Thlr. Steuer.

Sie sehen, meine Herren, daß wir aus den homöopathischen
Dosen nicht heraus kommen.

Aber nehmen wir, um endlich eine beträchtliche Zahl zu
gewinnen und da die Champagnereinfuhr für das ganze Land
nicht vorliegt, nehmen wir den stärksten Artikel des ausschließ-
lichen Consums der besitzenden Klassen. Es ist das in Preußen
der fremde Wein aller Art, den Champagner inbegriffen. Zu-
gleich wird von diesem Artikel eine so starke Eingangssteuer er-
hoben, daß der Statistiker Hübner in dem Jahrbuch für Volks-
wirthschaft und Statistik, Jahrgang 1852, p. 120, sie im
Durchschnitt auf 56 Procent des Verbrauchswerthes schätzt.

Der Staatshaushaltsetat pro 1855 und seine Anlagen
geben die Zolleinnahme für Wein nicht besonders an, sondern
dieser Artikel ist daselbst in der allgemeinen Rubrik Ein-, Aus-
und Durchgangs-Abgaben einbegriffen.

Es ist inzwischen leicht, die betreffenden speciellen Zahlen
anderweitig her zu ergänzen.

Jn dem vierten Jahrgang des so eben erwähnten statisti-
schen Jahrbuchs von Hübner, 1856, p. 78--81 sind die Tabellen
über die Einfuhr des Zollvereins pro 1854 mitgetheilt. Sie

Berückſichtigen Sie nun, daß Berlin die Haupt- und Reſi-
denzſtadt des Landes iſt, eine Stadt von 550,000 Einwohnern.
Was wird hier nicht Champagner getrunken! Bei Hofe und bei
den Miniſtern und bei den fremden Geſandten und von der
ganzen Ariſtokratie, und von unſern Dandy’s bei Eveſt und
Gerold und Mäder und in den andern Reſtaurationen und auf
allen Bällen und Feſten und Hochzeiten! Und wahrhaftig es
wird kaum eine Geſellſchaft, kaum ein Diner ſelbſt in den Mittel-
klaſſen gegeben, wo nicht Ehren- oder Schandenhalber dieſem
gleichſam ceremoniell und obligatoriſch gewordnen Luxus des
Champagners gehuldigt wird.

Was muß alſo nicht der Champagner hier in Strömen fließen!

Und trotz alledem, und trotzdem auch noch die Provinz und
Schleſien ihren Champagner meiſt über Berlin beziehen, ſind
im ganzen Jahre 1855 hier eingeführt worden — wieviel
meinen Sie wohl? Nun, — 148,900 Flaſchen, wie Geheime-
rath Dieterici aus den Liſten des Hauptſteuer-Amts in den
ſtatiſtiſchen Mittheilungen Bd. X. p. 134 bezeugt! Die Flaſche
Champagner zahlt circa 7½ Sgr. Steuer und das gäbe alſo
37,220 Thlr. Steuer.

Sie ſehen, meine Herren, daß wir aus den homöopathiſchen
Doſen nicht heraus kommen.

Aber nehmen wir, um endlich eine beträchtliche Zahl zu
gewinnen und da die Champagnereinfuhr für das ganze Land
nicht vorliegt, nehmen wir den ſtärkſten Artikel des ausſchließ-
lichen Conſums der beſitzenden Klaſſen. Es iſt das in Preußen
der fremde Wein aller Art, den Champagner inbegriffen. Zu-
gleich wird von dieſem Artikel eine ſo ſtarke Eingangsſteuer er-
hoben, daß der Statiſtiker Hübner in dem Jahrbuch für Volks-
wirthſchaft und Statiſtik, Jahrgang 1852, p. 120, ſie im
Durchſchnitt auf 56 Procent des Verbrauchswerthes ſchätzt.

Der Staatshaushaltsetat pro 1855 und ſeine Anlagen
geben die Zolleinnahme für Wein nicht beſonders an, ſondern
dieſer Artikel iſt daſelbſt in der allgemeinen Rubrik Ein-, Aus-
und Durchgangs-Abgaben einbegriffen.

Es iſt inzwiſchen leicht, die betreffenden ſpeciellen Zahlen
anderweitig her zu ergänzen.

Jn dem vierten Jahrgang des ſo eben erwähnten ſtatiſti-
ſchen Jahrbuchs von Hübner, 1856, p. 78—81 ſind die Tabellen
über die Einfuhr des Zollvereins pro 1854 mitgetheilt. Sie

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[68/0074] Berückſichtigen Sie nun, daß Berlin die Haupt- und Reſi- denzſtadt des Landes iſt, eine Stadt von 550,000 Einwohnern. Was wird hier nicht Champagner getrunken! Bei Hofe und bei den Miniſtern und bei den fremden Geſandten und von der ganzen Ariſtokratie, und von unſern Dandy’s bei Eveſt und Gerold und Mäder und in den andern Reſtaurationen und auf allen Bällen und Feſten und Hochzeiten! Und wahrhaftig es wird kaum eine Geſellſchaft, kaum ein Diner ſelbſt in den Mittel- klaſſen gegeben, wo nicht Ehren- oder Schandenhalber dieſem gleichſam ceremoniell und obligatoriſch gewordnen Luxus des Champagners gehuldigt wird. Was muß alſo nicht der Champagner hier in Strömen fließen! Und trotz alledem, und trotzdem auch noch die Provinz und Schleſien ihren Champagner meiſt über Berlin beziehen, ſind im ganzen Jahre 1855 hier eingeführt worden — wieviel meinen Sie wohl? Nun, — 148,900 Flaſchen, wie Geheime- rath Dieterici aus den Liſten des Hauptſteuer-Amts in den ſtatiſtiſchen Mittheilungen Bd. X. p. 134 bezeugt! Die Flaſche Champagner zahlt circa 7½ Sgr. Steuer und das gäbe alſo 37,220 Thlr. Steuer. Sie ſehen, meine Herren, daß wir aus den homöopathiſchen Doſen nicht heraus kommen. Aber nehmen wir, um endlich eine beträchtliche Zahl zu gewinnen und da die Champagnereinfuhr für das ganze Land nicht vorliegt, nehmen wir den ſtärkſten Artikel des ausſchließ- lichen Conſums der beſitzenden Klaſſen. Es iſt das in Preußen der fremde Wein aller Art, den Champagner inbegriffen. Zu- gleich wird von dieſem Artikel eine ſo ſtarke Eingangsſteuer er- hoben, daß der Statiſtiker Hübner in dem Jahrbuch für Volks- wirthſchaft und Statiſtik, Jahrgang 1852, p. 120, ſie im Durchſchnitt auf 56 Procent des Verbrauchswerthes ſchätzt. Der Staatshaushaltsetat pro 1855 und ſeine Anlagen geben die Zolleinnahme für Wein nicht beſonders an, ſondern dieſer Artikel iſt daſelbſt in der allgemeinen Rubrik Ein-, Aus- und Durchgangs-Abgaben einbegriffen. Es iſt inzwiſchen leicht, die betreffenden ſpeciellen Zahlen anderweitig her zu ergänzen. Jn dem vierten Jahrgang des ſo eben erwähnten ſtatiſti- ſchen Jahrbuchs von Hübner, 1856, p. 78—81 ſind die Tabellen über die Einfuhr des Zollvereins pro 1854 mitgetheilt. Sie

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/74>, abgerufen am 25.04.2024.