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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

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Die Aussicht nach der Heimat.
Verlangen nach dem Besitz. Und aus diesem Wider-
streit bist Du traurig. O, was seid ihr für Wilde!"

"So würdest Du Dich nie nach mir sehnen?"

"Nach Dir? Das ist doch ganz etwas andres.
Jch hab Dich doch nicht lieb, weil es Pflicht ist, weil
es gut ist, sondern lieb hab' ich Dich, weil es schön
ist zu lieben und geliebt zu werden. Deine Nähe
wünsche ich, wie ich den Ton des Liedes wünsche,
um mich an seiner Schönheit zu erfreuen -- aber
nein, das ist auch noch nicht richtig, Du könntest den-
ken, das sei nur ein Mittel zur ästhetischen Lust --
nein, so brauch' ich Deine Liebe und Nähe, wie der
Künstler die eigne Seele braucht, um das Schöne zu
schaffen -- -- Ach, ich komme mit Eurer Sprache
nicht zurecht. Jhr sprecht von Liebe in hundertfachem
Sinne. Jhr liebt Gott und das Vaterland und die
Eltern und die Kinder und die Gattin und die Ge-
liebte und den Freund, Jhr liebt das Gute und das
Schöne und das Angenehme, Jhr liebt Euch selbst, und
das sind doch absolut verschiedene Zustände des Gemüts,
und immer habt Jhr nur das eine Wort."

"Jch will Dich ja ohne alle Worte lieben, Du
kluge La --"

Sie blickte tief in seine Augen und sprach:

"Wie nennt Jhr das, was niemals wirklich ist, was
man nur in der Phantasie sich vorstellt, und indem man
es sich vorstellt, ist das Glück wirklich in uns? Wie
nennt Jhr das?"

Saltner zauderte mit der Antwort und La fuhr
fort: "Und das, was man wollen muß, ob es auch nicht

Die Ausſicht nach der Heimat.
Verlangen nach dem Beſitz. Und aus dieſem Wider-
ſtreit biſt Du traurig. O, was ſeid ihr für Wilde!‟

„So würdeſt Du Dich nie nach mir ſehnen?‟

„Nach Dir? Das iſt doch ganz etwas andres.
Jch hab Dich doch nicht lieb, weil es Pflicht iſt, weil
es gut iſt, ſondern lieb hab’ ich Dich, weil es ſchön
iſt zu lieben und geliebt zu werden. Deine Nähe
wünſche ich, wie ich den Ton des Liedes wünſche,
um mich an ſeiner Schönheit zu erfreuen — aber
nein, das iſt auch noch nicht richtig, Du könnteſt den-
ken, das ſei nur ein Mittel zur äſthetiſchen Luſt —
nein, ſo brauch’ ich Deine Liebe und Nähe, wie der
Künſtler die eigne Seele braucht, um das Schöne zu
ſchaffen — — Ach, ich komme mit Eurer Sprache
nicht zurecht. Jhr ſprecht von Liebe in hundertfachem
Sinne. Jhr liebt Gott und das Vaterland und die
Eltern und die Kinder und die Gattin und die Ge-
liebte und den Freund, Jhr liebt das Gute und das
Schöne und das Angenehme, Jhr liebt Euch ſelbſt, und
das ſind doch abſolut verſchiedene Zuſtände des Gemüts,
und immer habt Jhr nur das eine Wort.‟

„Jch will Dich ja ohne alle Worte lieben, Du
kluge La —‟

Sie blickte tief in ſeine Augen und ſprach:

„Wie nennt Jhr das, was niemals wirklich iſt, was
man nur in der Phantaſie ſich vorſtellt, und indem man
es ſich vorſtellt, iſt das Glück wirklich in uns? Wie
nennt Jhr das?‟

Saltner zauderte mit der Antwort und La fuhr
fort: „Und das, was man wollen muß, ob es auch nicht

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[251/0259] Die Ausſicht nach der Heimat. Verlangen nach dem Beſitz. Und aus dieſem Wider- ſtreit biſt Du traurig. O, was ſeid ihr für Wilde!‟ „So würdeſt Du Dich nie nach mir ſehnen?‟ „Nach Dir? Das iſt doch ganz etwas andres. Jch hab Dich doch nicht lieb, weil es Pflicht iſt, weil es gut iſt, ſondern lieb hab’ ich Dich, weil es ſchön iſt zu lieben und geliebt zu werden. Deine Nähe wünſche ich, wie ich den Ton des Liedes wünſche, um mich an ſeiner Schönheit zu erfreuen — aber nein, das iſt auch noch nicht richtig, Du könnteſt den- ken, das ſei nur ein Mittel zur äſthetiſchen Luſt — nein, ſo brauch’ ich Deine Liebe und Nähe, wie der Künſtler die eigne Seele braucht, um das Schöne zu ſchaffen — — Ach, ich komme mit Eurer Sprache nicht zurecht. Jhr ſprecht von Liebe in hundertfachem Sinne. Jhr liebt Gott und das Vaterland und die Eltern und die Kinder und die Gattin und die Ge- liebte und den Freund, Jhr liebt das Gute und das Schöne und das Angenehme, Jhr liebt Euch ſelbſt, und das ſind doch abſolut verſchiedene Zuſtände des Gemüts, und immer habt Jhr nur das eine Wort.‟ „Jch will Dich ja ohne alle Worte lieben, Du kluge La —‟ Sie blickte tief in ſeine Augen und ſprach: „Wie nennt Jhr das, was niemals wirklich iſt, was man nur in der Phantaſie ſich vorſtellt, und indem man es ſich vorſtellt, iſt das Glück wirklich in uns? Wie nennt Jhr das?‟ Saltner zauderte mit der Antwort und La fuhr fort: „Und das, was man wollen muß, ob es auch nicht

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/259>, abgerufen am 19.04.2024.