Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfundzwanzigstes Kapitel.
such näher auszulassen. Keswick konnte sich nicht recht
vorstellen, wie diese beiden Männer, die sich offenbar
nur mit Mühe aufrecht zu erhalten vermochten, ohne
Waffen die harten Köpfe seiner Matrosen hätten zer-
schlagen können. Noch mehr freilich wunderte ihn die
Lähmung der Hände seines Leutnants. Eine nähere
Untersuchung erforderte aber vor allem, daß mit den
beiden Fremdlingen ein Verhör angestellt wurde. Diese
indessen sprachen kein Wort.

Keswick trat zu ihnen und betrachtete sie näher.
Er redete sie auf englisch und französisch an und auch
in der einzigen Sprache, von der er noch etwas wußte,
auf chinesisch. Sie verstanden ihn offenbar nicht. Aber
sie öffneten jetzt zum erstenmal ihre bisher halb ge-
schlossen gehaltenen Augen. Finster blickten sie auf
ihre Fesseln und richteten dann ihre Augen voll auf
den Kapitän. Es lag nichts Feindseliges in diesem
Blick, aber ein tiefer Vorwurf und zugleich ein mächtiger
Stolz. Unwillkürlich wich Keswick zurück. Auch die
herumstehenden Offiziere und Matrosen fühlten sich
seltsam betroffen.

"Nehmen Sie den Leuten die Fesseln ab", sagte
der Kapitän. "Das ist hier nicht nötig. Und be-
handeln Sie sie anständig."

Sobald die Stricke entfernt waren, begann der
ältere der Martier zu sprechen. Obgleich der Kapitän
kein Wort verstand, machte die Rede doch den Ein-
druck, daß er hier etwas noch nie Vorgekommenes
und Unerklärliches erfahre. Er wußte nichts zu thun,
als die Achseln zu zucken.

Fünfundzwanzigſtes Kapitel.
ſuch näher auszulaſſen. Keswick konnte ſich nicht recht
vorſtellen, wie dieſe beiden Männer, die ſich offenbar
nur mit Mühe aufrecht zu erhalten vermochten, ohne
Waffen die harten Köpfe ſeiner Matroſen hätten zer-
ſchlagen können. Noch mehr freilich wunderte ihn die
Lähmung der Hände ſeines Leutnants. Eine nähere
Unterſuchung erforderte aber vor allem, daß mit den
beiden Fremdlingen ein Verhör angeſtellt wurde. Dieſe
indeſſen ſprachen kein Wort.

Keswick trat zu ihnen und betrachtete ſie näher.
Er redete ſie auf engliſch und franzöſiſch an und auch
in der einzigen Sprache, von der er noch etwas wußte,
auf chineſiſch. Sie verſtanden ihn offenbar nicht. Aber
ſie öffneten jetzt zum erſtenmal ihre bisher halb ge-
ſchloſſen gehaltenen Augen. Finſter blickten ſie auf
ihre Feſſeln und richteten dann ihre Augen voll auf
den Kapitän. Es lag nichts Feindſeliges in dieſem
Blick, aber ein tiefer Vorwurf und zugleich ein mächtiger
Stolz. Unwillkürlich wich Keswick zurück. Auch die
herumſtehenden Offiziere und Matroſen fühlten ſich
ſeltſam betroffen.

„Nehmen Sie den Leuten die Feſſeln ab‟, ſagte
der Kapitän. „Das iſt hier nicht nötig. Und be-
handeln Sie ſie anſtändig.‟

Sobald die Stricke entfernt waren, begann der
ältere der Martier zu ſprechen. Obgleich der Kapitän
kein Wort verſtand, machte die Rede doch den Ein-
druck, daß er hier etwas noch nie Vorgekommenes
und Unerklärliches erfahre. Er wußte nichts zu thun,
als die Achſeln zu zucken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0402" n="394"/><fw place="top" type="header">Fünfundzwanzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
&#x017F;uch näher auszula&#x017F;&#x017F;en. Keswick konnte &#x017F;ich nicht recht<lb/>
vor&#x017F;tellen, wie die&#x017F;e beiden Männer, die &#x017F;ich offenbar<lb/>
nur mit Mühe aufrecht zu erhalten vermochten, ohne<lb/>
Waffen die harten Köpfe &#x017F;einer Matro&#x017F;en hätten zer-<lb/>
&#x017F;chlagen können. Noch mehr freilich wunderte ihn die<lb/>
Lähmung der Hände &#x017F;eines Leutnants. Eine nähere<lb/>
Unter&#x017F;uchung erforderte aber vor allem, daß mit den<lb/>
beiden Fremdlingen ein Verhör ange&#x017F;tellt wurde. Die&#x017F;e<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;prachen kein Wort.</p><lb/>
          <p>Keswick trat zu ihnen und betrachtete &#x017F;ie näher.<lb/>
Er redete &#x017F;ie auf engli&#x017F;ch und franzö&#x017F;i&#x017F;ch an und auch<lb/>
in der einzigen Sprache, von der er noch etwas wußte,<lb/>
auf chine&#x017F;i&#x017F;ch. Sie ver&#x017F;tanden ihn offenbar nicht. Aber<lb/>
&#x017F;ie öffneten jetzt zum er&#x017F;tenmal ihre bisher halb ge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en gehaltenen Augen. Fin&#x017F;ter blickten &#x017F;ie auf<lb/>
ihre Fe&#x017F;&#x017F;eln und richteten dann ihre Augen voll auf<lb/>
den Kapitän. Es lag nichts Feind&#x017F;eliges in die&#x017F;em<lb/>
Blick, aber ein tiefer Vorwurf und zugleich ein mächtiger<lb/>
Stolz. Unwillkürlich wich Keswick zurück. Auch die<lb/>
herum&#x017F;tehenden Offiziere und Matro&#x017F;en fühlten &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;am betroffen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nehmen Sie den Leuten die Fe&#x017F;&#x017F;eln ab&#x201F;, &#x017F;agte<lb/>
der Kapitän. &#x201E;Das i&#x017F;t hier nicht nötig. Und be-<lb/>
handeln Sie &#x017F;ie an&#x017F;tändig.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Sobald die Stricke entfernt waren, begann der<lb/>
ältere der Martier zu &#x017F;prechen. Obgleich der Kapitän<lb/>
kein Wort ver&#x017F;tand, machte die Rede doch den Ein-<lb/>
druck, daß er hier etwas noch nie Vorgekommenes<lb/>
und Unerklärliches erfahre. Er wußte nichts zu thun,<lb/>
als die Ach&#x017F;eln zu zucken.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0402] Fünfundzwanzigſtes Kapitel. ſuch näher auszulaſſen. Keswick konnte ſich nicht recht vorſtellen, wie dieſe beiden Männer, die ſich offenbar nur mit Mühe aufrecht zu erhalten vermochten, ohne Waffen die harten Köpfe ſeiner Matroſen hätten zer- ſchlagen können. Noch mehr freilich wunderte ihn die Lähmung der Hände ſeines Leutnants. Eine nähere Unterſuchung erforderte aber vor allem, daß mit den beiden Fremdlingen ein Verhör angeſtellt wurde. Dieſe indeſſen ſprachen kein Wort. Keswick trat zu ihnen und betrachtete ſie näher. Er redete ſie auf engliſch und franzöſiſch an und auch in der einzigen Sprache, von der er noch etwas wußte, auf chineſiſch. Sie verſtanden ihn offenbar nicht. Aber ſie öffneten jetzt zum erſtenmal ihre bisher halb ge- ſchloſſen gehaltenen Augen. Finſter blickten ſie auf ihre Feſſeln und richteten dann ihre Augen voll auf den Kapitän. Es lag nichts Feindſeliges in dieſem Blick, aber ein tiefer Vorwurf und zugleich ein mächtiger Stolz. Unwillkürlich wich Keswick zurück. Auch die herumſtehenden Offiziere und Matroſen fühlten ſich ſeltſam betroffen. „Nehmen Sie den Leuten die Feſſeln ab‟, ſagte der Kapitän. „Das iſt hier nicht nötig. Und be- handeln Sie ſie anſtändig.‟ Sobald die Stricke entfernt waren, begann der ältere der Martier zu ſprechen. Obgleich der Kapitän kein Wort verſtand, machte die Rede doch den Ein- druck, daß er hier etwas noch nie Vorgekommenes und Unerklärliches erfahre. Er wußte nichts zu thun, als die Achſeln zu zucken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/402
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/402>, abgerufen am 28.03.2024.