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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

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Engländer und Martier.

"Unser Feind, leider", sagte Jll ernst, "wer es
auch sei."

Jll war längere Zeit schwankend gewesen, ob er
zuerst nach dem Pol fahren solle, um noch nähere
Erkundigungen einzuziehen, oder ob er besser thäte,
direkt das Kriegsschiff aufzusuchen. Er entschloß sich
für das Letztere. Denn jede Minute konnte kostbar
sein, jede mußte die Leiden der Nume verlängern,
jede konnte ihr Leben gefährden. Dazu stand die
Wichtigkeit dessen, was er am Pol erfahren konnte,
in keinem Verhältnis, selbst eine genauere Ortsangabe
für den Schauplatz des Ereignisses hätte ihm nichts
genützt. Es waren seitdem über zwölf Stunden ver-
gangen, und das Schiff konnte inzwischen seinen Ort
um hundert und mehr Kilometer verändert haben.
Er durfte darauf rechnen, von seinem Luftschiff aus
die Fahrstraße in jenen Gegenden verhältnismäßig
schnell zu durchforschen. Schwere Bedenken erregte
ihm die Frage, wie er verfahren solle, wenn man ihm
die friedliche Herausgabe der Martier verweigere.
Zwar besaß er die Mittel, selbst ein mächtiges Kriegs-
schiff zu vernichten. Aber dazu hätte er sich nie ent-
schließen können, es sei denn, wenn er die eigene
Existenz nicht anders retten konnte. Mußte er Gewalt
anwenden, so sollte es nur so geschehen, daß die
Menschen doch nachträglich imstande waren, mit ihrem
Schiffe in ihre Heimat zurückzukehren. Ob es aber
möglich sein würde, bei den Menschen etwas durch-
zusetzen, ohne sie zuvor schwer zu schädigen, das war
die Sorge, die Jll beschäftigte. Er mußte die schließ-

Engländer und Martier.

„Unſer Feind, leider‟, ſagte Jll ernſt, „wer es
auch ſei.‟

Jll war längere Zeit ſchwankend geweſen, ob er
zuerſt nach dem Pol fahren ſolle, um noch nähere
Erkundigungen einzuziehen, oder ob er beſſer thäte,
direkt das Kriegsſchiff aufzuſuchen. Er entſchloß ſich
für das Letztere. Denn jede Minute konnte koſtbar
ſein, jede mußte die Leiden der Nume verlängern,
jede konnte ihr Leben gefährden. Dazu ſtand die
Wichtigkeit deſſen, was er am Pol erfahren konnte,
in keinem Verhältnis, ſelbſt eine genauere Ortsangabe
für den Schauplatz des Ereigniſſes hätte ihm nichts
genützt. Es waren ſeitdem über zwölf Stunden ver-
gangen, und das Schiff konnte inzwiſchen ſeinen Ort
um hundert und mehr Kilometer verändert haben.
Er durfte darauf rechnen, von ſeinem Luftſchiff aus
die Fahrſtraße in jenen Gegenden verhältnismäßig
ſchnell zu durchforſchen. Schwere Bedenken erregte
ihm die Frage, wie er verfahren ſolle, wenn man ihm
die friedliche Herausgabe der Martier verweigere.
Zwar beſaß er die Mittel, ſelbſt ein mächtiges Kriegs-
ſchiff zu vernichten. Aber dazu hätte er ſich nie ent-
ſchließen können, es ſei denn, wenn er die eigene
Exiſtenz nicht anders retten konnte. Mußte er Gewalt
anwenden, ſo ſollte es nur ſo geſchehen, daß die
Menſchen doch nachträglich imſtande waren, mit ihrem
Schiffe in ihre Heimat zurückzukehren. Ob es aber
möglich ſein würde, bei den Menſchen etwas durch-
zuſetzen, ohne ſie zuvor ſchwer zu ſchädigen, das war
die Sorge, die Jll beſchäftigte. Er mußte die ſchließ-

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[397/0405] Engländer und Martier. „Unſer Feind, leider‟, ſagte Jll ernſt, „wer es auch ſei.‟ Jll war längere Zeit ſchwankend geweſen, ob er zuerſt nach dem Pol fahren ſolle, um noch nähere Erkundigungen einzuziehen, oder ob er beſſer thäte, direkt das Kriegsſchiff aufzuſuchen. Er entſchloß ſich für das Letztere. Denn jede Minute konnte koſtbar ſein, jede mußte die Leiden der Nume verlängern, jede konnte ihr Leben gefährden. Dazu ſtand die Wichtigkeit deſſen, was er am Pol erfahren konnte, in keinem Verhältnis, ſelbſt eine genauere Ortsangabe für den Schauplatz des Ereigniſſes hätte ihm nichts genützt. Es waren ſeitdem über zwölf Stunden ver- gangen, und das Schiff konnte inzwiſchen ſeinen Ort um hundert und mehr Kilometer verändert haben. Er durfte darauf rechnen, von ſeinem Luftſchiff aus die Fahrſtraße in jenen Gegenden verhältnismäßig ſchnell zu durchforſchen. Schwere Bedenken erregte ihm die Frage, wie er verfahren ſolle, wenn man ihm die friedliche Herausgabe der Martier verweigere. Zwar beſaß er die Mittel, ſelbſt ein mächtiges Kriegs- ſchiff zu vernichten. Aber dazu hätte er ſich nie ent- ſchließen können, es ſei denn, wenn er die eigene Exiſtenz nicht anders retten konnte. Mußte er Gewalt anwenden, ſo ſollte es nur ſo geſchehen, daß die Menſchen doch nachträglich imſtande waren, mit ihrem Schiffe in ihre Heimat zurückzukehren. Ob es aber möglich ſein würde, bei den Menſchen etwas durch- zuſetzen, ohne ſie zuvor ſchwer zu ſchädigen, das war die Sorge, die Jll beſchäftigte. Er mußte die ſchließ-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/405>, abgerufen am 24.04.2024.