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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

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Sechstes Kapitel.
es mundete -- war es vielleicht Nektar? Seine Sinne
verwirrten sich wieder. Aber der Trank wirkte wunder-
bar. Neues Leben rann durch seine Adern. Er konnte
die Augen wieder öffnen. Aber was erblickte er?
Also war er doch im Wasser?

Ueber ihm, höher als sein Kopf, rauschten die
Wogen des Meeres. Aber sie drangen nicht bis zu
ihm heran. Eine durchsichtige Wand trennte sie von
ihm, hielt sie zurück. Der Schaum spritzte an ihr
empor, das Licht brach sich in den Wellen. Dennoch
konnte er den Himmel nicht sehen, ein Sonnendach
mochte ihn abblenden. Hin und wieder stieß ein Fisch
dumpf gegen die Scheiben. Vergeblich versuchte Saltner
seine Lage sich zu erklären. Er glaubte zunächst, sich
auf einem Schiffe zu befinden, obwohl es ihn wunderte,
daß sich im Zimmer nicht die geringste Bewegung
spüren ließ. Aber nun blickte er etwas mehr zur
Seite. War es denn nicht mehr Tag? Das Zimmer
war doch von Tageslicht erhellt, aber dort links sah
er direkt in dunkle Nacht. Ein ihm unbekanntes Bau-
werk in einem nie gesehenen Stile lag im Monden-
schein vor ihm. Er blickte auf das Dach desselben,
das von den Wipfeln seltsamer Bäume begrenzt wurde.
Und wie merkwürdig die Schatten waren --! Saltner
versuchte sich vorzubeugen, den Kopf zu heben. Da
standen wirklich zwei Monde am Himmel, deren
Strahlen sich kreuzten. Auf der Erde gab es etwas
derartiges nicht. Ein Gemälde konnte doch aber nicht
so starke Lichtunterschiede zeigen -- es müßte denn
ein transparentes Bild sein --

Sechſtes Kapitel.
es mundete — war es vielleicht Nektar? Seine Sinne
verwirrten ſich wieder. Aber der Trank wirkte wunder-
bar. Neues Leben rann durch ſeine Adern. Er konnte
die Augen wieder öffnen. Aber was erblickte er?
Alſo war er doch im Waſſer?

Ueber ihm, höher als ſein Kopf, rauſchten die
Wogen des Meeres. Aber ſie drangen nicht bis zu
ihm heran. Eine durchſichtige Wand trennte ſie von
ihm, hielt ſie zurück. Der Schaum ſpritzte an ihr
empor, das Licht brach ſich in den Wellen. Dennoch
konnte er den Himmel nicht ſehen, ein Sonnendach
mochte ihn abblenden. Hin und wieder ſtieß ein Fiſch
dumpf gegen die Scheiben. Vergeblich verſuchte Saltner
ſeine Lage ſich zu erklären. Er glaubte zunächſt, ſich
auf einem Schiffe zu befinden, obwohl es ihn wunderte,
daß ſich im Zimmer nicht die geringſte Bewegung
ſpüren ließ. Aber nun blickte er etwas mehr zur
Seite. War es denn nicht mehr Tag? Das Zimmer
war doch von Tageslicht erhellt, aber dort links ſah
er direkt in dunkle Nacht. Ein ihm unbekanntes Bau-
werk in einem nie geſehenen Stile lag im Monden-
ſchein vor ihm. Er blickte auf das Dach desſelben,
das von den Wipfeln ſeltſamer Bäume begrenzt wurde.
Und wie merkwürdig die Schatten waren —! Saltner
verſuchte ſich vorzubeugen, den Kopf zu heben. Da
ſtanden wirklich zwei Monde am Himmel, deren
Strahlen ſich kreuzten. Auf der Erde gab es etwas
derartiges nicht. Ein Gemälde konnte doch aber nicht
ſo ſtarke Lichtunterſchiede zeigen — es müßte denn
ein transparentes Bild ſein —

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[74/0082] Sechſtes Kapitel. es mundete — war es vielleicht Nektar? Seine Sinne verwirrten ſich wieder. Aber der Trank wirkte wunder- bar. Neues Leben rann durch ſeine Adern. Er konnte die Augen wieder öffnen. Aber was erblickte er? Alſo war er doch im Waſſer? Ueber ihm, höher als ſein Kopf, rauſchten die Wogen des Meeres. Aber ſie drangen nicht bis zu ihm heran. Eine durchſichtige Wand trennte ſie von ihm, hielt ſie zurück. Der Schaum ſpritzte an ihr empor, das Licht brach ſich in den Wellen. Dennoch konnte er den Himmel nicht ſehen, ein Sonnendach mochte ihn abblenden. Hin und wieder ſtieß ein Fiſch dumpf gegen die Scheiben. Vergeblich verſuchte Saltner ſeine Lage ſich zu erklären. Er glaubte zunächſt, ſich auf einem Schiffe zu befinden, obwohl es ihn wunderte, daß ſich im Zimmer nicht die geringſte Bewegung ſpüren ließ. Aber nun blickte er etwas mehr zur Seite. War es denn nicht mehr Tag? Das Zimmer war doch von Tageslicht erhellt, aber dort links ſah er direkt in dunkle Nacht. Ein ihm unbekanntes Bau- werk in einem nie geſehenen Stile lag im Monden- ſchein vor ihm. Er blickte auf das Dach desſelben, das von den Wipfeln ſeltſamer Bäume begrenzt wurde. Und wie merkwürdig die Schatten waren —! Saltner verſuchte ſich vorzubeugen, den Kopf zu heben. Da ſtanden wirklich zwei Monde am Himmel, deren Strahlen ſich kreuzten. Auf der Erde gab es etwas derartiges nicht. Ein Gemälde konnte doch aber nicht ſo ſtarke Lichtunterſchiede zeigen — es müßte denn ein transparentes Bild ſein —

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/82>, abgerufen am 29.03.2024.