Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Unverwüstlich.
Und als der Nebelring in Glut
Geschleudert ward ins Weite,
Nicht sank uns der Atomen-Mut,
Du flogst mir zum Geleite.
Und als die Erde sich geballt,
Da hielt es uns nicht länger,
Uns band der Liebe Vollgewalt
Jm Molekül noch enger.
Doch ach, entsetzlich war die Zeit!
Kaum mag ich mich erinnern;
Wir wurden grausam bald entzweit,
Mich trieb es nach dem Jnnern,
Dann sucht' ich, ach, von Ort zu Ort
Umsonst, die ich erkoren, --
Jch glaubte schon, es riß dich fort,
Als wir den Mond verloren.
So lebten fern wir und allein
Millionen wohl von Jahren;
Mein Herz, mein Herz war ewig dein --
Erst spät hast du's erfahren.
Als das Geschick von dir und mir
Sich endlich ließ erbitten:
Jn der Grauwacke krebsten wir
Als kleine Trilobiten.
Als in der Kohlenformation
Wir dann uns wiederfanden,
Warst du ein Labyrinthodon,
Jch lag in deinen Banden.
Auf deinen holden Wickelzahn
Sang ich ein Lied alsbalde,
Sah ich dich mir von ferne nah'n
Jm Sigillarienwalde.
Unverwüſtlich.
Und als der Nebelring in Glut
Geſchleudert ward ins Weite,
Nicht ſank uns der Atomen-Mut,
Du flogſt mir zum Geleite.
Und als die Erde ſich geballt,
Da hielt es uns nicht länger,
Uns band der Liebe Vollgewalt
Jm Molekül noch enger.
Doch ach, entſetzlich war die Zeit!
Kaum mag ich mich erinnern;
Wir wurden grauſam bald entzweit,
Mich trieb es nach dem Jnnern,
Dann ſucht’ ich, ach, von Ort zu Ort
Umſonſt, die ich erkoren, —
Jch glaubte ſchon, es riß dich fort,
Als wir den Mond verloren.
So lebten fern wir und allein
Millionen wohl von Jahren;
Mein Herz, mein Herz war ewig dein —
Erſt ſpät haſt du’s erfahren.
Als das Geſchick von dir und mir
Sich endlich ließ erbitten:
Jn der Grauwacke krebſten wir
Als kleine Trilobiten.
Als in der Kohlenformation
Wir dann uns wiederfanden,
Warſt du ein Labyrinthodon,
Jch lag in deinen Banden.
Auf deinen holden Wickelzahn
Sang ich ein Lied alsbalde,
Sah ich dich mir von ferne nah’n
Jm Sigillarienwalde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0141" n="135"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Unverwü&#x017F;tlich.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Und als der Nebelring in Glut</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;chleudert ward ins Weite,</l><lb/>
            <l>Nicht &#x017F;ank uns der Atomen-Mut,</l><lb/>
            <l>Du flog&#x017F;t mir zum Geleite.</l><lb/>
            <l>Und als die Erde &#x017F;ich geballt,</l><lb/>
            <l>Da hielt es uns nicht länger,</l><lb/>
            <l>Uns band der Liebe Vollgewalt</l><lb/>
            <l>Jm Molekül noch enger.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Doch ach, ent&#x017F;etzlich war die Zeit!</l><lb/>
            <l>Kaum mag ich mich erinnern;</l><lb/>
            <l>Wir wurden grau&#x017F;am bald entzweit,</l><lb/>
            <l>Mich trieb es nach dem Jnnern,</l><lb/>
            <l>Dann &#x017F;ucht&#x2019; ich, ach, von Ort zu Ort</l><lb/>
            <l>Um&#x017F;on&#x017F;t, die ich erkoren, &#x2014;</l><lb/>
            <l>Jch glaubte &#x017F;chon, es riß dich fort,</l><lb/>
            <l>Als wir den Mond verloren.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>So lebten fern wir und allein</l><lb/>
            <l>Millionen wohl von Jahren;</l><lb/>
            <l>Mein Herz, mein Herz war ewig dein &#x2014;</l><lb/>
            <l>Er&#x017F;t &#x017F;pät ha&#x017F;t du&#x2019;s erfahren.</l><lb/>
            <l>Als das Ge&#x017F;chick von dir und mir</l><lb/>
            <l>Sich endlich ließ erbitten:</l><lb/>
            <l>Jn der Grauwacke kreb&#x017F;ten wir</l><lb/>
            <l>Als kleine Trilobiten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Als in der Kohlenformation</l><lb/>
            <l>Wir dann uns wiederfanden,</l><lb/>
            <l>War&#x017F;t du ein Labyrinthodon,</l><lb/>
            <l>Jch lag in deinen Banden.</l><lb/>
            <l>Auf deinen holden Wickelzahn</l><lb/>
            <l>Sang ich ein Lied alsbalde,</l><lb/>
            <l>Sah ich dich mir von ferne nah&#x2019;n</l><lb/>
            <l>Jm Sigillarienwalde.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0141] Unverwüſtlich. Und als der Nebelring in Glut Geſchleudert ward ins Weite, Nicht ſank uns der Atomen-Mut, Du flogſt mir zum Geleite. Und als die Erde ſich geballt, Da hielt es uns nicht länger, Uns band der Liebe Vollgewalt Jm Molekül noch enger. Doch ach, entſetzlich war die Zeit! Kaum mag ich mich erinnern; Wir wurden grauſam bald entzweit, Mich trieb es nach dem Jnnern, Dann ſucht’ ich, ach, von Ort zu Ort Umſonſt, die ich erkoren, — Jch glaubte ſchon, es riß dich fort, Als wir den Mond verloren. So lebten fern wir und allein Millionen wohl von Jahren; Mein Herz, mein Herz war ewig dein — Erſt ſpät haſt du’s erfahren. Als das Geſchick von dir und mir Sich endlich ließ erbitten: Jn der Grauwacke krebſten wir Als kleine Trilobiten. Als in der Kohlenformation Wir dann uns wiederfanden, Warſt du ein Labyrinthodon, Jch lag in deinen Banden. Auf deinen holden Wickelzahn Sang ich ein Lied alsbalde, Sah ich dich mir von ferne nah’n Jm Sigillarienwalde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/141
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/141>, abgerufen am 29.03.2024.