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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Aus dem Tagebuche einer Ameise.
sie doch, ob bei den Menschen die Weibchen in der Jugend
auch Flügel hätten und sie dieselben wie bei uns nach
der Hochzeit ablegten. Jch erinnerte mich, bei Ssrr
gelesen zu haben, daß es geflügelte Menschen gäbe,
welche sie Engel nennen, und daß die jungen Weibchen
von den Männchen öfter "mein Engel" genannt würden,
wenn sie älter sind aber nicht mehr. Daraus ist wohl
zu schließen, daß auch die Menschen nach der Hochzeit
die Flügel verlieren.

Puppensonne 7.

Daß die Menschen auch religiöse Vorstellungen be-
sitzen, hätte ich nicht geglaubt. Dennoch ist nach den
Forschungen von Ssrr kein Zweifel daran, wiewohl es
sich nur um einen ziemlich rohen Fetischdienst handeln
dürfte. Sie haben nämlich eine besondere Art runder
Platten von einem schweren, glänzenden Stoffe mit der
Abbildung eines menschlichen Kopfes, die sie als ihre
Götzen anbeten. Sie verehren dieselben über alles und
tragen immer einige bei sich. Wer keine solche Götzen-
bilder besitzt und vorzeigen kann, wird als ein ver-
worfener Mensch betrachtet und aus der menschlichen
Gesellschaft ausgestoßen. Er kann es zu keiner ange-
sehenen Stellung bringen und erhält nicht einmal die
nötigsten Nahrungsmittel. Wer dagegen von jenen
Götzenbildern eine große Menge in seinem Bau aufge-
häuft hat, wird als ein heiliger Mann verehrt, alle
beugen sich vor ihm, und er kann sogar die so
hochgeschätzten Tintendrüsen für einige Götzenbilder
erhalten.

Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
ſie doch, ob bei den Menſchen die Weibchen in der Jugend
auch Flügel hätten und ſie dieſelben wie bei uns nach
der Hochzeit ablegten. Jch erinnerte mich, bei Sſrr
geleſen zu haben, daß es geflügelte Menſchen gäbe,
welche ſie Engel nennen, und daß die jungen Weibchen
von den Männchen öfter „mein Engel“ genannt würden,
wenn ſie älter ſind aber nicht mehr. Daraus iſt wohl
zu ſchließen, daß auch die Menſchen nach der Hochzeit
die Flügel verlieren.

Puppenſonne 7.

Daß die Menſchen auch religiöſe Vorſtellungen be-
ſitzen, hätte ich nicht geglaubt. Dennoch iſt nach den
Forſchungen von Sſrr kein Zweifel daran, wiewohl es
ſich nur um einen ziemlich rohen Fetiſchdienſt handeln
dürfte. Sie haben nämlich eine beſondere Art runder
Platten von einem ſchweren, glänzenden Stoffe mit der
Abbildung eines menſchlichen Kopfes, die ſie als ihre
Götzen anbeten. Sie verehren dieſelben über alles und
tragen immer einige bei ſich. Wer keine ſolche Götzen-
bilder beſitzt und vorzeigen kann, wird als ein ver-
worfener Menſch betrachtet und aus der menſchlichen
Geſellſchaft ausgeſtoßen. Er kann es zu keiner ange-
ſehenen Stellung bringen und erhält nicht einmal die
nötigſten Nahrungsmittel. Wer dagegen von jenen
Götzenbildern eine große Menge in ſeinem Bau aufge-
häuft hat, wird als ein heiliger Mann verehrt, alle
beugen ſich vor ihm, und er kann ſogar die ſo
hochgeſchätzten Tintendrüſen für einige Götzenbilder
erhalten.

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[86/0092] Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. ſie doch, ob bei den Menſchen die Weibchen in der Jugend auch Flügel hätten und ſie dieſelben wie bei uns nach der Hochzeit ablegten. Jch erinnerte mich, bei Sſrr geleſen zu haben, daß es geflügelte Menſchen gäbe, welche ſie Engel nennen, und daß die jungen Weibchen von den Männchen öfter „mein Engel“ genannt würden, wenn ſie älter ſind aber nicht mehr. Daraus iſt wohl zu ſchließen, daß auch die Menſchen nach der Hochzeit die Flügel verlieren. Puppenſonne 7. Daß die Menſchen auch religiöſe Vorſtellungen be- ſitzen, hätte ich nicht geglaubt. Dennoch iſt nach den Forſchungen von Sſrr kein Zweifel daran, wiewohl es ſich nur um einen ziemlich rohen Fetiſchdienſt handeln dürfte. Sie haben nämlich eine beſondere Art runder Platten von einem ſchweren, glänzenden Stoffe mit der Abbildung eines menſchlichen Kopfes, die ſie als ihre Götzen anbeten. Sie verehren dieſelben über alles und tragen immer einige bei ſich. Wer keine ſolche Götzen- bilder beſitzt und vorzeigen kann, wird als ein ver- worfener Menſch betrachtet und aus der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſtoßen. Er kann es zu keiner ange- ſehenen Stellung bringen und erhält nicht einmal die nötigſten Nahrungsmittel. Wer dagegen von jenen Götzenbildern eine große Menge in ſeinem Bau aufge- häuft hat, wird als ein heiliger Mann verehrt, alle beugen ſich vor ihm, und er kann ſogar die ſo hochgeſchätzten Tintendrüſen für einige Götzenbilder erhalten.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/92>, abgerufen am 29.03.2024.