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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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Tages so sehr getäuscht hatte, wie ein Orkan aus mir
heraus, ich mußte bitterlich weinen -- o bitte, schilt
mich nicht, ich dachte, Du wolltest nicht wiederkommen,
-- dumme schwarze Abendgedanken, fremd in meinem
Blute. Heut' ist's viel besser, ich bin wieder munter
und heiter und denke: "kommt er nicht heute, so kommt
er doch bald." Aber höre, zu lang treib mir's nicht,
bin ich denn dazu auf der Welt, um getrennt von Dir
zu leben?

Vergiß nicht, mir hochrothes Band zu kaufen, sonst
mußt Du noch oft schelten über meine verblichnen Bän¬
der, und Du hast Recht, sie sind matt und häßlich wie
blonde Augenbrauen auf einem brünetten Gesicht. Ich
habe mir auch ausgesonnen, wie ich Dich viel hübscher küssen
will -- Du sollst nur sehen, aber laß Dir Dein Bärtchen
nicht abschneiden, bitte, bitte. Vergiß mir das Zeichen¬
papier nicht, ich muß Dein kühnes Byrongesicht malen.
Deine Formen sind nicht so schön, aber es fliegt Dir
dieselbe Freiheitsmelancholie um die Augenwinkel, es ist
derselbe schöne Liebesmund, auf dem die großen Worte
und die süßen Küsse ruhn, mit denen er die schönen
Italienerinnen bestach.

Wenn Dir doch der Bote mit diesem Briefe schon

Tages ſo ſehr getäuſcht hatte, wie ein Orkan aus mir
heraus, ich mußte bitterlich weinen — o bitte, ſchilt
mich nicht, ich dachte, Du wollteſt nicht wiederkommen,
— dumme ſchwarze Abendgedanken, fremd in meinem
Blute. Heut' iſt's viel beſſer, ich bin wieder munter
und heiter und denke: „kommt er nicht heute, ſo kommt
er doch bald.“ Aber höre, zu lang treib mir's nicht,
bin ich denn dazu auf der Welt, um getrennt von Dir
zu leben?

Vergiß nicht, mir hochrothes Band zu kaufen, ſonſt
mußt Du noch oft ſchelten über meine verblichnen Bän¬
der, und Du haſt Recht, ſie ſind matt und häßlich wie
blonde Augenbrauen auf einem brünetten Geſicht. Ich
habe mir auch ausgeſonnen, wie ich Dich viel hübſcher küſſen
will — Du ſollſt nur ſehen, aber laß Dir Dein Bärtchen
nicht abſchneiden, bitte, bitte. Vergiß mir das Zeichen¬
papier nicht, ich muß Dein kühnes Byrongeſicht malen.
Deine Formen ſind nicht ſo ſchön, aber es fliegt Dir
dieſelbe Freiheitsmelancholie um die Augenwinkel, es iſt
derſelbe ſchöne Liebesmund, auf dem die großen Worte
und die ſüßen Küſſe ruhn, mit denen er die ſchönen
Italienerinnen beſtach.

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[162/0174] Tages ſo ſehr getäuſcht hatte, wie ein Orkan aus mir heraus, ich mußte bitterlich weinen — o bitte, ſchilt mich nicht, ich dachte, Du wollteſt nicht wiederkommen, — dumme ſchwarze Abendgedanken, fremd in meinem Blute. Heut' iſt's viel beſſer, ich bin wieder munter und heiter und denke: „kommt er nicht heute, ſo kommt er doch bald.“ Aber höre, zu lang treib mir's nicht, bin ich denn dazu auf der Welt, um getrennt von Dir zu leben? Vergiß nicht, mir hochrothes Band zu kaufen, ſonſt mußt Du noch oft ſchelten über meine verblichnen Bän¬ der, und Du haſt Recht, ſie ſind matt und häßlich wie blonde Augenbrauen auf einem brünetten Geſicht. Ich habe mir auch ausgeſonnen, wie ich Dich viel hübſcher küſſen will — Du ſollſt nur ſehen, aber laß Dir Dein Bärtchen nicht abſchneiden, bitte, bitte. Vergiß mir das Zeichen¬ papier nicht, ich muß Dein kühnes Byrongeſicht malen. Deine Formen ſind nicht ſo ſchön, aber es fliegt Dir dieſelbe Freiheitsmelancholie um die Augenwinkel, es iſt derſelbe ſchöne Liebesmund, auf dem die großen Worte und die ſüßen Küſſe ruhn, mit denen er die ſchönen Italienerinnen beſtach. Wenn Dir doch der Bote mit dieſem Briefe ſchon

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/174>, abgerufen am 18.04.2024.